log #377:
kunst.rasen: kulturpolitikWarum machen meine Leute stets solche Geheimnisse aus ihrer
konkreten Berufssituation? Meist werden bestenfalls Studien zitiert, ansonsten wird gerne
sehr allgemeine über unsere soziale Lage, über Prekariat, Burn out etc. geredet.
Doch wer macht genau welche Erfahrungen?
Und was soll daraus geschlossen werden? Und wie geht es dann konkret weiter?
Ich hab schon vor einer Weile begonnen, unter der Frage "wovon
lebt der krusche?" aufzublättern, worüber eventuell zu reden wäre, wenn die
soziale Lage Kunstschaffender in Österreich zur Sprache kommt.
Ausgangspunkt war mein 2009er-Jahresabschluß. Jetzt gehe
ich grade den 2010er an, weil die Fristen drücken, ordne den 2011er und verhandle
außerdem mit dem Finanzamt die 2012er-Situation. Das war also die Ausgangssituation
dieser Erörterung: [link]
Ich habe dann ausgeführt, daß ich aufgrund meiner
Kompetenzen und langjährigen Arbeitserfahrungen das Einkommen eines Mittelschullehrers
meines Alters für angemessen hielte:
"Robert Prettenhofer nannte mir für einen
Mittelschullehrer zirka 4.200,- Euro brutto. Adelheid Berger meinte, im
Universitätsdienst seien es etwa 500 Euro mehr. Sie ergänzte, bei Pragmatisierung seien
es in beiden Fällen rund 200,- Euro pro Monat weniger." [Quelle]
Auf dem folgenden Blatt habe ich die Vorschläge der IG
Kultur Österreich und die Zahlen aus der Kampagne "Fair Pay"
aufgegriffen: [link]
Von daher gibt es gerade aktualisierte Zahlen in den Honorarrichtlinien und
Gehaltsschemata 2012: [link]
Demnach wäre mein Mindeststundensatz in Projekten mit
brutto Euro 33,17 bis 48,26 anzusetzen. Mein monatliches Bruttogehalt sollte mindestens
4.242,23 betragen. ("Gehaltsschema und Honorarrichtlinien für angestellte und
freiberufliche Kulturschaffende, entwickelt nach den Honorarrichtlinien der TKI und dem
Gehaltsschema der GPA-DJP für Vereine.")
Das harmoniert also mit meiner Auffassung, daß ein
Mittelschullehrer-Einkommen als Referenzgröße dienen kann. Allerdings hab ich als
Freiberufler keinen bezahlten Urlaub, keinen gesicherten Krankenstand, keine Extras wie
etwa zwei zusätzliche Monatseinkommen etc.
Wie jeder Unternehmer muß ich definitiv jedes Quartal auf
den Punkt kommen. Was bedeutet, wenn ich ein Quartal wirtschaftlich in den Sand gesetzt
hab, wird es schon eng, zwei vermasselte Quartale lassen die Alarmanlage anspringen.
Warum? Unter anderem, weil ich dank Basel II bei
der Bank kaum noch Spielraum habe. Obwohl ich dort seit einer Ewigkeit und drei Tagen
Kunde bin, mein Sachbearbeiter meine Geschäftsverläufe kennt und genau weiß, daß ich
noch jedes Minus abbezahlt habe, kann er mögliche Einbrüche längst nur mehr sehr
begrenzt überbrücken.
Zu meinen Geschäftsinterna gehört also ein permanenter
Leistungsdruck, der keine Pause kennt. Warum ich nicht geneigt bin, das zu beklagen? Weil
das schlicht der Preis für das hohe Maß an Selbstbestimmung ist, der bezahlt werden
muß.
Ich kenne das übrigens auch von Unternehmern, die für
mehr Leute verantwortlich sind. So denke ich an einen gut gelaunten Handwerker, der mir
einmal sagte: "Es hat Monate gegeben, da hätt ich mir selber gerne das
überwiesen, was ich meinen Angestellten überwiesen hab."
Kurz zusammengefaßt, ich würde mein Leben für
einigermaßen sorglos halten, wenn ich 2.000,- Euro netto pro Monat verläßlich hätte,
besser noch 2.500,- Euro netto. Das ist zur Zeit nicht der Fall.
Übrigens, vielen Leuten ist, so zeigen mir Gespräche,
nicht gar so klar, daß brutto und netto von erheblichen Differenzen
handelt, daß ich von jeder Rechnung, die ich schreibe, gut die Hälte des erhaltenen
Betrages abgeben muß.
Zu solchen ökonomischen Spannungslagen kommen gelegentlich
auch politische. Ich hab hier schon beschrieben, daß man es in der Region durchaus
erleben kann, seitens der offiziellen Kulturpolitik umfassend angefochten zu werden. Da
haben manche gut situierten Leute keine Scheu, die Existenz eines Freelancers zu
gefährden, womöglich in den Graben zu fahren.
Was ich unter "Weg mit
Krusche!" beschrieben hab, ist zwar untypisch, doch in seiner
Unerbittlichkeit ein bemerkenswertes Exempel steirischer Kulturpolitik. [Fortsetzung]
[Wovon lebt der Krusche?]
core | reset | home
412 |