Kapeller nennt ein Beispiel struktureller Natur: "Wenn ich als
selbständiger z.b. ein auto aus der firma mit vorsteuerabzugsberechtigung fahre, erhöht
das meine persönliche kaufkraft deutlich gegenüber einem unselbständigen, der
pendlerpauschalen bezieht."
Was an- und abschwellende Klage-Chöre angeht, ist Kapellers bevorzugte
Theser unmißverständlich: "Das suderen in deinen kreisen hat ja mmn. auch einen
völlig anderen zweck. Zum einen soll es die umwelt konditionieren, besonders rücksicht
etc. zu nehmen und nur ja nichts dem gegenüber abzuverlangen - schon gar nicht einsatz
oder sowas uncharmantes. Zum anderen sollen darüber hinaus sozialreflexe
("krankenschwester-reflex") getriggert werden, die anderen dazu bewegen, geld
oder unterstützung zu leisten, welche(s) sonst nicht verfügbar wäre."
Freilich bleibt unbestritten, daß Kunstschaffende in Österreich extrem
ungünstige Arbeitsbedingungen haben. Die zuständige Ministerin zeigt keine Anzeichen,
dem förderliche Maßnahmen zu widmen, also werden wir uns wohl selbst darum kümmern
müssen.
Als wir, eine Runde
erfahrener Leute aus dem Kulturbetrieb, eben im Gesäuse zur Gründugskonferenz einer
breiteren Kooperation zusammentrafen, waren wir uns einig, daß es unverzichtbar ist, an
unseren Berufsbildern zu arbeiten und klare Darstellungen nach außen zu tragen.
Wir stellen uns dabei bewußt in Kontrast zu antiquierten Motiven wie etwa:
Die Kunstschaffenden als Bohemiens. Das sind teils Bilder, die aus dem 18. und
19. Jahrhundert überliefert und in den 1960er-Jahren paraphrasiert wurden.
So ist ja etwa eine antibürgerliche Attitüde und eine ostentative Absage an
"bürgerliche Tugenden" heute keine wie auch immer relevante Stellungnahme gegen
einen weltwit räuberischen Kapitalismus.
Künstlerin Eva Urspung meint dazu ironisch: "Wir kommunizieren
heute anders und das Saufen sagt nichts aus." Der abgelutschte Stehsatz von den
Kulturschaffenden als Avantgarde der Selbstausbeutung gibt auch wenig her, zumal wir in
prekären Situationen ja Schulter an Schulter mit etlichen anderen Berufstätigen stehen.
So ist etwa die soziale Situation einer alleinerziehenden Mutter mit
Teilzeit-Job in einem Supermarkt nicht gerade etwas, worüber wir uns im eigenen
Existenzkampf erhaben zu fühlen bräuchten.
Gerade die aktuellen Finanzkrisen haben ganz speziell im ländlichen Raum
gezeigt, daß wir Kunst- und Kulturschaffende ein paar massive Imageprobleme haben, weil
es nämlich keinerlei klare Vorstellungen gibt, wovon unsere Berufe handeln, was es
folglich enorm schwer macht, adäquat eingeschätzt zu werden.
Vor diesem Hintergrund ist es fast unmöglich, kultur- und
gesellschaftspolitisch Boden zu gewinnen. Daraus folgt geradezu zwingend, daß wir weit
verbreiteter Unkenntnis und auch Abschätzigkeit, wie wir sie oft bei Politik, Verwaltung
und Medien vorfinden, ja sogar im Bildungswesen, nur sehr schwer etwas entgegenhalten
können.
Wir werden also in unserer Zusammenarbeit eine Reihe von Klarheiten zu
produzieren haben, was Kunst, Kulturschaffen und Kulturpolitik betrifft. Es geht um
Klarheiten über Wesen und Ausdruck von Professionalität, über Arbeitsbedingungen und
Einkommenslagen, es geht aber vor allem auch darum, deutlich zu machen, daß die Kunst und
ihre Bedingungen ständigem Wandel unterliegen.
Offenbar kann selbst eine bloß kursorischen Kenntnis des Status quo nicht
einmal in gebildeten Kreisen als grundsätzlich vorhanden angenommen werden. Ich vermute,
wenn wir das nicht zu ändern vermögen, wird es auch sonst niemandem ein Anliegen sein.
[Wovon lebt der Krusche?]
[Die Kulturspange]