log #359:
kunst.rasen: kulturpolitik Das Kulturbudget der Steiermark macht laut IG Kultur Steiermark bloß
1,5% des steirischen Landesbudget aus. Damit ist dieses Bundesland österreichisches
Schlußlicht. [Quelle] Das ist die Steiermark auch noch in einem anderen
Budgetbereich, nämlich im bundesweiten Finanzausgleich. Laut Gemeindebund liegt die
Steiermark da an letzter Stelle; mit einer bescheidenen Ausnahme: Graz kommt auf eine
Pro-Kopf-Quote, die mit Wien vergleichbar ist. (Siehe dazu mein Log #1745!)
Die IG Kultur Steiermark
stellt außerdem fest: "74% des Kulturbudgets fließen in die landeseigenen
Kultureinrichtungen (Oper, Theater, Landesmuseum), aber nur 2% der Bevölkerung nutzen
diese Einrichtungen."
Im Steirischen Landtag besagt
der "Selbstständige Antrag (§21 GeoLT)" vom 25. Jänner dieses
Jahres: "Gemäß dem Kunstbericht 2009 - Bericht über die Kunstförderung des
Bundes wurden 91,27 Mio. Euro aufgewendet. Davon erhielt das Kunst- und Kulturschaffen in
der Steiermark nur 4,2%." [Quelle]
Juliane Altonen, Geschäftsführerin
der IG Kultur Vorarlberg, schrieb eben: "Ist es aus kulturpolitischer
Sicht zu rechtfertigen, dass den Ausgaben des BMUKK für die Bundestheater (142 Millionen)
nur etwa 91 Millionen für die Förderung aller anderen Anbieter innerhalb der
Kunstsektion gegenüber stehen, von denen ein der Bedeutung der zeitgenössischen
Kunst angemessener Anteil für aktuelle Produktion und Präsentation zu verwenden
ist?" [Quelle]
Altonen erwähnt auch, "dass
eine Stadt wie Graz 49% ihrer Kulturausgaben der darstellenden Kunst widmet (davon 95 %
der Theaterholding), während 1,7% den Kulturinitiativen zugute kommt".
Damit betont sie implizit ein Zentrum-Provinz-Gefälle,
das sich erstens im Bereich des steirischen Kulturbudgets aus dem hoch konzentrierten
Mitteleinsatz zugunsten von Graz ergibt, zweitens aus dem schon erwähnten Kontrast im
Bereich des Finanzausgleichs, drittens aber auch durch die nachhaltige Pleite im
Kielwasser von "Graz 2003: Kulturhauptstadt Europas".
Heimo Steps, etliche Jahre im
Förderausschuß des Landes tätig und zur Zeit dessen Vorsitzender, bestätigte mir diese
Deutung, weil ich angenommen habe, daß das Land überproportional hohe Förderaufgaben
zugunsten der zahlungsunfähigen Stadt Graz übernommen hat. (Siehe dazu auch: "wo liegt das
salzamt?")
Es gibt also nichts daran zu
beschönigen. Während die Steiermark gesamt in etlichen Aspekten einer Budgetgestaltung
Österreichs unter den Bundesländern die schwächste Position einnimmt, was zumindest das
Zentrum Graz in einigen Punkten zu kompensieren versteht, floriert der Grazer
Kulturbetrieb eindeutig zu Lasten seiner Peripherie, der restlichen Steiermark.
Das "Steiermärkisches
Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005" lautet im Absatz 1 des § 1: "Das
Land Steiermark als Träger von Privatrechten verpflichtet sich, in der Steiermark oder in
besonderer Beziehung zur Steiermark ausgeübte kulturelle Tätigkeiten zu fördern".
[Quelle]
Der Absatz 5 dieses Paragraphen
besagt: "Dieses Gesetz verfolgt auch das Ziel, den Gemeinden als Vorbild für
deren Kunst- und Kulturförderung zu dienen".
Es läßt sich nicht feststellen, daß
also die GESAMTE Steiermark im Zielbereich der gesetzlich umrissenen Ziele einer
Kulturförderung als der Raum solcher Vorhaben gedeutet und entsprechend
budgetär/strukturell ausgestattet wäre. Ich kann auch nicht feststellen, daß in meinem
Milieu, der "autonomen Initiativen-Szene", in diesem Sinne gedacht und
gehandelt würde.
Ein dominantes kulturpolitisches
Motiven-Paket habe ich in meinem Logbuch eben skizziert: "Die Debatten um
den Status quo haben eines klar gemacht, daß nämlich Kunst und Kultur auf dem Lande
vorrangig und vor allem als ein "Veranstaltungswesen" verstanden werden.
Polemisch verkürzt: Das künstlerische Tun sei ein Privatvergnügen und dessen
öffentliche Präsentation eine edle Tat der Gesellschaft, aber weder so wichtig, noch gar
verpflichtend, daß man es auch nur annähernd im vertrauten Umfang aufrecht erhalten
müsse, falls in 'wichtigeren' Bereichen das Geld knapp werde." [Quelle]
Außerdem habe ich jenseits von Graz
noch kein konkretes Beispiel kennengelernt, in dem Kulturpolitik als etwas verstanden
würde, was über einzelne Gemeindegrenzen hinausreichen sollte.
Wie BürgermeisterInnen momentan immer
mehr unter Druck geraten, weil es zur Zeit nur wenigen gelingt, erste Schritte in eine
großräumigere Praxis zu lenken (Kampfthema "Gemeindezusammenlegungen"!), sind
noch keine KulturreferentInnen und Kulturbeauftragte in Sicht, mit denen ein
großräumigeres Verständnis von Kulturpolitik auch nur debattiert werden könnte.
Der Redlichkeit halber sollte ich
betonen: Ich vermisse ebenso schmerzlich Kunst- und und Kulturschaffende, mit denen ich
das erörtern und für diese oder jene Praxis erproben könnte.
Ich gehe also davon aus, daß weder
Politik und Verwaltung noch die Wirtschaft der Steiermark überraschende Schritte setzen
werden, um innerhalb dieser Zusammenhänge unsere Situation in der "Provinz"
nennenswert zu ändern, zu verbessern.
Mehr noch, wir müssen uns mit der
längst unübersehbaren Realität einer neuen Landflucht auseinandersetzen. Siehe
dazu Projekt-Log #356! Es ist damit zu rechnen,
daß diese Prozesse einen Sog entfalten, der auch unsere verbliebenen Strukturen des
Kulturbereiches weiter beschädigen wird.
Wenn wir also nicht nur Terrain
halten, sondern auch Boden gewinnen möchten, sollte uns selbst allerhand einfallen, was
wir an guten Gründen und relevanten Praxismodellen vorbringen können, um den Kunst- und
Kulturbetrieb in der "Provinz" zu stärken; also den Boden unter unseren
Füßen.
Kurioser Weise nehmen inzwischen auch
Anfeindungen des Kultursektors zu, die rational gar nicht zu erklären sind. Meine
bevorzugte These: Eine alteingesessene Funktionärswelt, die einer zunehmenden Stagnation
und Kompetenzverlusten dieser Gesellschaft ratlos gegenüber steht, baut sich handliche
Feindbilder auf, um das eigene Versagen zu bemänteln. Das KUnstfeld und der Kulturbetrieb
scheinen dafür leichte Beute abzugeben. (Siehe dazu etwa die Merkwürdigkeiten in Log #354 und den skurrilen Kasus "Weg mit Krusche!")
Solche unredlichen Feindseligkeiten
parieren, Standortnachteile und Budgeteinbrüche kompensieren, neue Modi erproben, es wird
uns nicht fad werden. Und ich gehe davon aus, daß wir in den wesentlichen Fragen zu
diesem Paket von Anforderungen ganz auf uns selbst gestellt bleiben. Die herkömmliche
Kulturpolitik dürfte für uns (vorerst) keine Antworten haben.
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