log #354: kunst ost Helmut Mödlhammer ist Präsident des "Österreichischen Gemeindebundes".
Das ist eine gewichtige Institution, deren Verlautbarungen ich stets mit Interesse
verfolge. Dort erfahre ich allerhand über Tendenzen der österreichischen
Kommunalpolitik.
Zu Beginn dieses Jahres war zu lesen: "Viele Aktivitäten oder Angebote in den
Gemeinden könnten gar nicht stattfinden, wenn es nicht hunderttausende Menschen gäbe,
die ihre Freizeit ehrenamtlich opfern, um sich für das Gemeinwohl zu engagieren so
Mödlhammer."
Daran knüpfte sich eine passable Überraschung, weil solche Verlautbarungen meist mit
Rankings unterlegt sind. Einmal dürfen Sie raten, welches Genre Spitzenreiter unter den
Ehrenamtlichen ist. Ja, die Kultur. Noch vor Sport und Kirche.
Hier die Quelle dieser Informationen: [link]
Dem steht auf kuriose Art gegenüber, daß im August 2010 da draußen maximaler Konsens
herrschte, daß in keinem Bereich so viel gekürzt werden solle wie bei
"Kunst/Kultur".
Details dazu sind beim Gemeindebund hier zu finden: [link]
(Siehe dazu auch Log # 314 aus dem
Vorjahr!) Das ist nur eines von mehreren möglichen Beispielen, was ich im Gemeinwesen an
Diskrepanzen rund um den Kulturbereich finden kann.
Daraus ziehe ich mehrere Schlüsse, diesen einen auf jeden
Fall: Wir haben es in Fragen der Kulturpolitik an jenem Engagement fehlen lassen, durch
das sich solche Diskrepanzen bearbeiten, vielleicht sogar auflösen ließen.
In "wovon
handelt kulturpolitik?" #6 habe ich begründet, warum ich die Vorstellung
kategorisch ausschlage, daß Kulturpolitik sei, was KulturpolitikerInnen tun: "ich
hab nun mehrfach betont, daß nach meiner auffassung kulturpolitik das ergebnis dessen
ist, was verschiedene involvierte gruppierungen und deutungseliten im agieren auf einem
gemeinsamen feld als politischen status quo zustande bringen."
Unsere Mitverantwortung an diesem Staus quo ist freilich
ein hochgradig tabuisiertes Thema. Vermutlich mangelt es eben deshalb auch an
realistischen Strategien, um eine breitere Kenntnis und Anerkenntnis vom Rang des
Kulturbereiches durchzusetzen.
Ein anderes Beispiel. Die aktuelle Protestbewegung in der
Steiermark, wie sie von der "Plattform 25" repräsentiert wird, hat
letzten April eine "Alternative Budgetrede" publiziert. Darin kommt das
große Thema Kultur bloß mit einem nichtssagenden Floskelsatz vor: "Wir bekennen
uns zu einer Budgetpolitik, die Kultur als unverzichtbaren Bestandteil unserer
Lebensqualität ansieht." [Quelle]
Obwohl also diese Bewegung explizit eine des Sozial- UND
Kulturbereiches ist, haben wir es nicht zustande gebracht, uns wenigstens dem eigenen
Milieu und gewogenen Leuten mit einer sinnvollen und anregenden Aussage über unser Metier
mitzuteilen.
Das heißt, über weite Strecken verschwindet unser Tun
hinter Klischees, beliebig befüllbaren Container-Sätzen, Ressentiments und Anfeindungen.
Wenn nun WIR die SachpromotorInnen des Kulturbereiches sind, dann muß beim Stand der
Dinge vor allem uns einiges einfallen, um die MachtpromotorInnen zu neuen
Einsichten zu bringen.
Aus einer Gleisdorfer
Wahlkampfbroschüre 2010:
Zwei gesellschaftlich marginalisierte Milieus
werden gegeneinander ausgespielt
Das wird nach meiner Erfahrung eher nicht klappen, indem
man sie anbrüllt. Es hat vermutlich sehr viel mehr mit Sachkompetenz, einer Klärung des
Status quo und mit Kommunikationsstrategien zu tun, ob wir da Meinungsänderungen erwirken
können oder nicht.
Dazu gehört unverzichtbar, daß wir öffentliche Diskurse
zu unseren Kernthemen voranbringen. Wenn wir aktuell nicht klären, was Kunst sei, dann
tun das Politik und Wirtschaft für uns und wir haben genau die Probleme, die wir eben
beklagen. Das gleiche gilt für die Kulturpolitik. Wo aber sind unsere Klärungen? Wo kann
ich sie nachlesen?
Wollen wir uns verständlich machen, sollten wir uns
unterscheidbar machen. Vor allem einmal in Absetzung vom Boulevard, dessen Jargon ich
inakzeptabel finde. In den aktuellen Kontroversen rattern mir viel zu viele Phrasen-Dreschmaschinen.
Ich glaube einfach nicht daran, daß die Sache der Kultur
im Sprachstil des Boulevards und der Spin Doctors sinnvoll kommuniziert und verhandelt
werden kann. Ich denke, wir haben die Autonomie der Kunst und die Relevanz des
Kulturbetriebes zu vertreten, wir haben zu klären, worin genau diese Relevanz besteht.
Der Kanadier Simon Brault, dessen kulturpolitische
Ansichten mir sehr zusagen, meint in solchem Zusammenhang: "We are still locked
in a restrictive mode that is preventing us from taking full advantage of the potential of
the arts and culture, which are incredible vectors of creativity, the principal driver of
economic and social growth."
Wir sollten in die Lage kommen, unsere Gründe sehr genau
zu kennen und zu nennen, sie mit einer adäquaten Sprache in öffentliche Diskurse
einzubringen. Ich denke, Kampfrhetorik und Boulevard-Jargon sind dabei verzichtbar, weil
sie vor allem den Kommunikationsstil derer reproduzieren, die wir zu kritisieren gedenken.
Zur Debatte gestellt:
+) wovon handelt kulturpolitik? [link]
+) was ist kunst? [link]
[kunst ost]
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