log #356: kunst ostIch bin
selbstverständlich nicht der Einzige, der Meldungen wie diese mit großem Interesse
verfolgt:
Detailliert nachzulesen im "Standard":
[Quelle] Wir haben bei "kunst ost" vor etwa einem
Jahr begonnen, das Thema "Landflucht" stärker in unsere Arbeit
einzubeziehen. (Siehe dazu Projekt-Log #309!)
Wirtschafts- und
Kulturlandesrat Christian Buchmann (rechts) mit Peter Schiefer,
dem Bürgermeister der kleinen Gemeinde Nitscha
Bei einem regionalen
Arbeitsgespräch mit Landesrat Christian Buchmann und seiner Crew hab ich das Thema
nachgefragt. Der Tenor: "Die Leute flüchten nicht in die nächstgrößere Stadt,
sondern auf die nächste Autobahn."
Das korrespondiert mit den
Einschätzungen, die wir voriges Jahr von Architekt Friedrich Achleitner gehört haben.
(Siehe dazu Projekt-Log #299!)
Zusammengefaßt: Der Ausbau einer infrastrukturellen Anbindung von Regionen an ihre
Zentren hat NICHT zum erwarteten Effekt geführt, daß nämlich die Peripherien gegenüber
den Zentren gestärkt würden, im Gegenteil, es hat die Abwanderungen in die Zentren
verstärkt.
Bei dem Gespräch mit Buchmann wurde
übrigens bekräftigt, daß die Oststeiermark wirtschaftlich stärker florieren könnte,
wenn die Betriebe jene Anzahl an Fachkräften, die sie bräuchten, auch bekommen würden.
Kulturwissenschafter
Günther Marchner
Mit Kulturwissenschafter Günther
Marchner habe ich eben eine Projektkooperation angebahnt, die unser Tun mit jenem in der
Region Salzkammergut verknüpft. Dabei beschäftigt uns das Thema "altes
Wissen" und sein Verschwinden, was meint, daß wir in den Regionen auf vielen
Ebenen mit zunehmendem Kompetenzverlust konfrontiert sind, was eine soziokultuelle Antwort
verlangt.
Der "Gemeindebund" war für
mich in den letzten Jahren stets eine wichtige Informationsquelle. Vor allem diverse
Umfrageergebnisse und meinungsbildende Resolutionen sind sehr aufschlußreich, wenn man
sich fragte, welche Themen gerade Priorität haben und wohin BürgermeisterInnen in diesen
wie jenen Fragen tendieren.
Von da her war zum Beispiel schon
Mitte 2010 völlig klar, daß "Kunst und Kultur" die überhaupt
höchste Zustimmung haben, was mögliche Kürzungen anbelangt, ohne daß in meinem Metier
reagiert worden wäre. (Siehe dazu Projekt-Log
#314 aus der KW 37 2010!)
Journalistin Claudia
Gigler und Helmut Mödlhammer, Präsident des "Gemeindebundes"
Ich hab gerade Helmut Mödlhammer,
den Präsidenten des "Gemeindebundes", mit einem Saal voller
überwiegend wütender Leute aus der Regionalpolitik erlebt. Diese Veranstaltung machte
klar, daß es
a) ein tiefes Zerwürfnis zwischen vielen BürgermeisterInnen der Region und der
Landesebene gibt, wie da etwa manche ÖVP-Orts-Chefs ihrem ÖVP-Vizelandeshauptmann
gegenüberstehen, läßt sich hier aus Gründen der Schicklichkeit nicht wiedergeben. Und
b) läßt sich das Verhältnis zur Bundesebene hin in manchen Punkten eigentlich nur noch
mit Haß beschreiben.
Diese Dinge sind unter anderem
deshalb wichtig zu wissen, weil wir momentan eigentlich die Situation haben, daß wir im
Bestreben, jenseits von Graz ein adäquates kulturelles Klima auszubauen und zu festigen,
permanent zwischen die "Mühlsteine" ganz anderer, nämlich dieser Probleme
geraten.
So herrscht augenblicklich etwa
innerhalb der "Kleinregion Gleisdorf" großer Argwohn in manch kleinen
Gemeinden, man wolle von Gleisdorf absorbiert, und daher als eigenständige Einheit
aufgelöst werden. (Siehe dazu auch Projekt-Log
#348!)
Das ganze Thema "Gemeindezusammenlegung"
ist überhaupt zur Zeit Anlaß für Kampfstimmung. Vor dem Hintergrund, daß bis heute
einige Katastralgemeinden zu einander in Konfrontation stehen, obwohl sie zusammen EINE
Gemeinde sind, was auf Gemeindezusammenlegungen beruht, die vor Jahrzehnten noch der alte
Landeshauptmann Josef Krainer durchgedrückt hat.
Kurz, die Reizschwellen der meisten
BürgermeisterInnen sind nicht bei den Knien, sondern bei den Knöcheln. Eine
Hauptbelastung der wirtschaftlichen Situation liegt darin, daß Land und Bund Maßnahmen
beschließen, welche die Gemeinden umsetzen und bezahlen müssen, ohne dabei mitreden zu
dürfen.
Mödlhammer dazu: "Wir
Gemeinden sind die einzigen Gebietskörperschaften Österreichs, die den Stabilitätspakt
auf Punkt und Beistrich erfüllt haben." Er bezog sich ferne auf Herbert Paierl,
der als Ex-Landesrat der Steiermark profunde Insiderkenntnisse hat: "Paierl hat
es richtig gesagt, weil bei Land und Bund nichts weitergeht, hängen sie es den Gemeinden
um."
Unterm Strich heißt das, die
Gemeinden stehen enorm unter Druck. Da fühlt man sich vor allem auch benachteiligt, weil
die ganze Steiermark (Graz ausgenommen), beim Finanzausgleich Österreichs Schlußlicht
ist. Dazu wurden die Gemeinden gezwungen, im Sozialbereich Kosten zu übernehmen, die sie
teilweise nicht haben. Und an eine Bundestsaatsreform glaubt an der Basis sowieso
niemand mehr.
Dabei ist noch gar nicht erwähnt,
was durch den jährlichen Winterdienst an Kosten anfällt, was die weitläufigen Wegenetze
kosten, welche teuren Redundanzen es im Abwasserbereich gibt und in einer ganzen Reihe
anderer kommunaler Agenda.
In dieser Situation ist es momentan
kaum erreichbar, daß einem Leute aus der Kommunalpolitik auch nur zuhören, wenn jemand
das Thema Kunst und Kultur anschneidet. Mehr noch, manche sind unübersehbar der
Ansicht, es sei geradezu eine Provokation und Zumutung, wenn jemand angesichts dieses
Status quo und angesichts fehlender Mittel bei grundlegenden Versorgungsfragen der
Bevölkerung über Geld für die Kunst reden möchte.
Daß wir dennoch gute Gründe haben,
darüber zu reden, ist evident. Doch wie wir diese Gründe vorbringen und wem
wir sie vorbringen, wirft noch einigen Kläungsbedarf auf. Im Augenblick kann ich nicht
feststellen, daß in meiner Umgebung bzw. in meinem Metier mehrere Leute sich einer
derartigen Zusammenschau der anstehenden Themen widmen würden, um Strategien zu
entwickeln, wie wir dem Kulturbereich jenseits von Graz unter solchen Bedingungen Boden
sichern können.
[kunst ost]
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