log #309: kunst ost

Mitte Juli hatten einige Leute aus dem "kunst ost"-Umfeld gemeinsam die "regionale10" besucht. Unter anderem die Veranstaltung "Das Dorf der Zukunft, Regionalentwicklung, Tourismus, Baukultur".

Helmut Wallner, der Bürgermeister von Hinterstoder, hatte dabei unumwunden betont: "Wir bringen die Arbeitsplätze nicht zusammen." Dieses Problem wird wohl dadurch vertieft, daß wir heute die maßlose Zersiedelung des Landes büßen. Die Kosten zur Erhaltung der Infrastruktur überfordern viele Gemeinden längst, wie auch soziale Aufgaben und kulturelle Vorhaben von radikalen Budget-Kürzungen umgeben sind.

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So gut gedeckt werden unsere Tische wohl nicht bleiben. (Im Hintergrund
"kunst ost"-Obfrau Christa Ecker-Eckhofen und "regionale"-Leiter Dietmar Seiler.)

Parag Khanna beschreibt in seinem Essay "Beyond City Limits" einen größeren Zusammenhang dessen, was wir bei jener Veranstaltung zu hören bekommen hatten. Es war von einer neuen, rapide ansteigenden Landflucht die Rede gewesen. Khanna meint "The age of nations is over. The new urban age has begun." Er sieht einige Dekanstöße in der Vergangenheit, weit vor der Industrialisierung:

>>Neither 19th-century balance-of-power politics nor 20thcentury power blocs are useful in understanding this new world. Instead, we have to look back nearly a thousand years, to the medieval age in which cities such as Cairo and Hangzhou were the centers of global gravity, expanding their influence confidently outward in a borderless world.<< [Quelle]

Was bedeuten solche Entwicklungen für unsere Region? Die Debatten laufen schon länger, doch ich finde sie bisher nicht in unserem Umfeld. In den öffentlichen Diskursen unserer regionalen Politik fehlen weitgehend Hinweise, daß Funktionstragende sich diesen Themen auch tatsächlich stellen.

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Aus der Ausstellung "close to nature" im Pöllauer Tal

Niedrige Geburtenraten und Ausländerfeindlichkeit verschärfen übrigens die Situation. Christoph Rella titelte in der "Wiener Zeitung" gelassen, was den Orts-Chefs nicht gefallen wird: "Schlimmstenfalls werden Gemeinden geschliffen". Warum?

>>Was die Entwicklung der Geburtenrate betrifft, wird sich laut den Statistikern in den nächsten Jahrzehnten nichts ändern: Demnach wird eine Frau im Jahr 2050 durchschnittlich 1,5 Kinder bekommen. Damit wird sich auch die Zahl der Jugendlichen unter 19 Jahren von derzeit 1,76 Millionen um drei Prozent auf 1,72 Millionen verringern. Diese werden dafür, prognostizieren die Experten, zu großen Teilen in den Städten zu Hause sein.<< [Quelle]

Es liegt eine Menge an Hochglanzbroschüren und Flyers über diesen Dingen herum. Klartext ist die Ausnahme. In all dem liegen natürlich auch kulturelle Agenda, soziokulturelle Fragestellungen. Wie betrifft uns das als Kulturschaffende?

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Aus der Ausstellung "fremd" im Schloß Hainfeld bei Feldbach

Abwanderung, Struktur- und Budgeteinbrüche, es wird in der sogenannten "Provinz" eher nicht klappen, relevante Finanzierungen zu fordern, zu erreichen, indem Argumentationen für die Sache der Kunst vorgebracht werden. Es werden noch am ehesten Budgets zu erreichen sein, wenn es klare soziokulturelle Vorhaben gibt, die AUCH der Sache der Kunst gewidmet sind.

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Ein Interview mit Herbert Nichols-Schweiger wurde letzten Juni mit "Wer noch mehr kürzt, löscht aus" überschrieben. Freilich wird weiter gekürzt. Ich traf Nichols dieser Tage, er wirkte im Gespräch nicht sehr optimistisch. Auswege?

>>Ja. Aber nur, wenn alle im Land wirklich kooperieren und alle zusammen viel mehr Bereitschaft zeigen, den Menschen begreiflich zu machen, warum sie sich all das, was ja noch immer realisiert wird, auch anzuschauen.<< [Quelle]

Für wen und wofür werden also Kulturschaffende verfügbare Mittel einsetzen? Wofür werden sich Kunstschaffende zuständig fühlen, nämlich über die primäre künstlerische Praxis hinaus? Haben wir bloß Fragen nach dem Verbleib des Publikums und der Prosperität des (Kunst-) Marktes zu stellen? Gibt es auch andere "gute Gründe", künstlerische Praxis zu pflegen und zu finanzieren?

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Fragen, die wir auch laufend mit Sandra Kocuvan erörtern, die in der Kulturabteilung des Landes für unseren Bereich zuständig ist. Wohlgemerkt, das sind nun keine Debatten über Budgets, sondern über Inhalte, Debatten über anstehende Fragen, über Praxismodelle in Zeiten wie diesen.

In einem Punkt sind wir uns einig. Wenn das Milieu bei den wohlvertrauten Verdrängungswettkämpfen bleibt, werden die Einbrüche unabsehbar sein. Wobei klar sein muß, daß es innerhalb dieses Milieus ein Segment der "professionellen Akquisition" gibt, was Leute meint, deren Fähigkeit Budgets abzuholen ihre inhaltliche Relevanz haushoch übersteigt. Und die sind mit ihren Vorhaben unter Garantie schon im Hafen.

Es ist also bloß ein Rest der verminderten Budgets, um den nun gerungen werden wird. Aber das wirft ja vielleicht auch neue Fragen auf. Fragen nach Intentionen, Qualifikation, Kriterien ...

[kunst ost]


coreresethome
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