log #299: kunst ost Das erste Halbjahr der neuen
Formation "kunst ost" haben wir absolviert. Die markanteste Erfahrung
ist für mich dabei, daß mir gar nicht so wenige Menschen aus der Region gegenüberstehen,
die uns IHRE Erwartungen und Forderungen entgegenhalten, ohne Rücksicht darauf, was als
vereinbart gilt, was in unserer Konzeption, unserem Vertrag, unserem Modus festgelegt ist.
Vielleicht eine grundlegende Erfahrung, wie sie
in der Politik Standard ist. Es gibt freilich auch eine ganze Reihe sehr positiver
Ereignisse, die hier im Logbuch beschrieben sind. Jenseits der Situationen, wo uns
Funktionstragende einzelner Kommunen sehr kooperativ und partnerschaftlich begegnet sind,
beunruhigt mich die Intensität, mit der a) unterstellt/gemutmaßt wird, was wir an
Geldern frei zur Disposition hätten, mit der b) diese fiktiven Budgets von anderen für
eigene Interessen bei uns beansprucht werden.
Fotograf Franz Sattler und
"kunst ost"-Obfrau Christa Ecker-Eckhofen
bei unserer "regionale10"-Exkursion
Der Druck auf die Budgets kommt nicht aus dem
Blauen. Ich konnte schon vor drei Jahren Herbert Nichols, vormals kulturpolitischer
Berater von Kurt Flecker, zitieren: "Ich glaube nicht, daß wir auf dem heutigen
finanziellen Niveau bleiben werden." [Quelle]
Es war vollkommen vorhersehbar, daß sich vor uns
eine Art "Weggabelung" auftut. Auf die einbrechenden Budgets hin empfehlen sich
zwei Optionen:
+) Option 1:
In einen Verdrängungskampf gehen und so dem eigenen Standort Vorteile verschaffen.
+) Option 2:
Die möglichen Standortnachteile durch tragfähige Kooperationsmodelle kompensieren und so
nicht einen einzelnen Standort, sondern einen größeren Raum stabilisieren.
"regionale10"-Boss
Dietmar Seiler und Sandra Kocuvan
von der Kulturabteilung des Landes im Stift Admont
Option 2 handelt unter anderem von Überlegungen,
was denn eine Kulturpolitik sei, die über Ortsgrenzen hinausreicht, wie sie angelegt sein
solle, was sie von den beteiligten Instanzen verlangen würde. Ich bleibe bei meinem
bevorzugten Zugang, der davon handelt, daß die drei Sektoren Staat, Markt
und Zivilgesellschaft zu Kooperationen finden mögen.
Das stellt Chancen in Aussicht, die nötigen
Erfahrungsschritte hinein in völlig neue Situationen gemeinsam zu tätigen; in
permanenter Verständigung unter exponierten Leuten aus allen drei Sektoren.
Ich setze als selbstverständlich voraus, daß
ich in meiner künstlerischen Praxis Autonomie wahre, daß ich aber in einer anderen
Rolle, der des Staatsbürgers, an Rahmen- und Lebensbedingungen interessiert bleibe, was
also auch die Bedingungen der Kunst betrifft.
Auf diesem Foto
sieht man (von links) Friedrich Achleitner, Österreichs bedeutendster Architekturkritiker,
den Soziologe Rainer Rosegger und die Raumplanerin Sibylla Zech von der Technischen
Universität Wien.
Das war die Veranstaltung "Das
Dorf der Zukunft, Regionalentwicklung, Tourismus, Baukultur" in der von Ernst
Huber, Wolfgang Schneider und Beatrix Zobl konzipierten Reihe "Land in
Sicht".
Dieser Abend hat mir mehr als klar
gemacht:
a) Das Thema "Denkmodell Zentrum/Provinz" ist keineswegs vom Tisch.
b) Der Kontrast zwischen den Kategorien "städtische Räume"/"ländliche
Räume" wird voraussichtlich nicht weicher, sondern sehr viel härter werden.
Welche Verteilungskämpfe uns
zwischen ländlichen Kommunen bevorstehen, zwitschern ja so manche Spatzen von den
Dächern.
Welche Strategien werden wir also
auf welche inhaltlichen Orientierungen setzen? Welche Kräftespiele wird eine immer mehr
unter Druck geratende Kommunalpolitik in der "Provinz" entfachen? Welche
Konsequenzen entstehen daraus für Kunstschaffende und wie gedenken wir darauf zu
reagieren, darauf zu antworten?
Unsere bisherige "kunst
ost"-Erfahrung zeigt unmißverständlich, daß ein Großteil der regionalen
Kunst- und Kulturschaffenden sich genau nicht als eine Deutungselite sieht, von
der andere Deutungseliten (in Politik, Wissenschaft, Medienwelten etc.) gefordert werden.
Hubert Machnik:
"Knitter Work", Pavillon Stift Admont
Es dominiert das romantische Motiv einer
Quasi-Priesterschaft, die auf Nimbus setzt, die gehört und geschätzt werden möchte. Ich
vermute, man wird ungefähr in Romanen des 18. Jahrhunderts fündig, falls man sich fragt,
woher dieses Rollenkonzept kommt. Es mag in den Gefilden der "Voluntary Arts" auf solchen Motiven bestanden werden, in der
Gegenwartskunst ist das mutmaßlich nicht einmal eine marginale Option.
Die Kunst als ein Bereich der grundlegenden
Selbstvergewisserung von Menschen ... wir werden noch gut beschäftigt sein, um der
Regionalpolitik klar zu machen, daß dies weder ein Orchidee-Fach noch eine Disziplin des
Tourismus ist, sondern zentralerer menschlicher Kompetenzbereich als viele andere Metiers.
William Forsythe:
"Monster Partitur", Stift Admont
[kunst ost]
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