2. Juli 2011 Die Journalistin Claudia Gigler, Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer und
ein Saal voller mehrheitlich eher angefressener Leute aus der regionalen Kommunalpoilitik.
Das ergab den bei weitem skurrilsten Abend, den ich in letzter Zeit erlebt hab.
Hier eine Notiz dazu im Projekt-Logbuch: [link] Das für mich
Brisante daran ist die unglaubliche Mischung an Problemen und Konfliktlagen in der
Politik, angesichts derer es für engagierte Bürgerinnen und Bürger sehr schwer ist,
"bottom up" etwas voranzubringen, wie das die diversen Programme, denen die
Kommunalpolitik anhängt, nicht nur empfehlen, sondern fordern.
Neben so manchen Nachbarschaftsreibereien, etwa zwischen
alten Katastralgemeinden als Teile neuer Gemeinden, die das Ergebnis von Zusammenlegungen
Ende der 1960er-, Anfang der 70er-Jahre sind. Solche Gemeinden bilden in
"Kleinregionen" ein neues Zentrum- Peripherie-Verhältnis. Dabei mißtrauen
etliche Orts-Chefs den dominanten Städten.
Zur Landesebene hin, und somit zu Graz hin, herrscht bei
vielen Leuten definitiv Kampfstimmung. Zum Bund hin muß man eigentlich stellenweise von
Haß sprechen. Zwei Schlüsselthemen:
a) Finanzausgleich,
b) Land und Bund beschließen Dinge/Maßnahmen, die dann von Gemeinden umgesetzt UND
bezahlt werden müssen.
Das Konfliktpotenzial innerhalb UND zwischen diesen
Schichten erscheint mir momentan erdrückend. Unter diesen Bedingungen ist es fast
unmöglich und erscheint streckenweise aussichtslos, daß man etwa für die
Gegenwartskunst jenseits von Graz Boden gewinnt.
Apropos Gegenwartskunst! Worauf ist zu schließen, wenn im
Garten eines erfahrenen Kunstsammlers so ein Stück herumliegt? Kleiner Scherz! Es ist
kein Exponat. Erich Wolf besitzt eine ziemlich großen Hund, mit dem ich lieber keinen
Ärger haben möchte.
Wir haben gestern sehr ausführlich grundlegenden Fragen
und Zusammenhänge eines zeitgemäßen Kulturbetriebes debattiert. Wohlgemerkt jenseits
des Landeszentrums, aber zugleich auch auf einer Bühne von europäischer Dimension. Wolf
teilt meine Ansicht, daß Kulturpolitik keineswegs bloß vom Verteilen des Budgets und
Eröffnen von Ausstellungen handeln kann. Was SIND also nun adäquate Rahmenbedingungen
der Kunstproduktion und worin genau besteht eine allgemein gesellschaftliche Relevanz des
Kunstbetriebes?
In diesen Fragen gibt es wahrlich aktuellen
Klärungsbedarf, der sich keinesfalls darin erschöpfen kann, einen bestimmten Prozentsatz
an mehr Kulturbudget einzufordern. Ich stelle übrigens in diesem Zusammenhang auch ein
mehrteiliges Mißverhältnis zwischen Graz und der restlichen Steiermark zur Diskussion...
siehe Projekt-Log #357: [link]
Hier gibt es allerhand Unklarheiten, die der Bearbeitung bedürfen..
Apropos Kunst, Kultur und zur Diskussion stellen. Als
Kunstschaffender (freilich auch als praktizierender Krüppel) nehme ich regen Anteil an
jenen öffentlichen Diskursen, die teils um, teils von einer aktuellen steirischen
Protestbewegung dominiert werden, die für mich eine interessante Praxis zeigt, deren
Positionen mir aber in manchen Aspekten etwas unklar erscheinen.
Mein voriger
Logbuch-Eintrag plus eine Glosse beim "info graz" [link] haben ein paar
erstaunliche Konsequenzen gezeigt. Das aktuelle Demokratieverständnis in meinem Milieu
offenbart sich mit kuriosen Schrullen. So hat etwa eine Frontfrau dieser Protestbewegung
keinen Anlaß gesehen, Einwände gegen meine Ansichten vorzubringen. Statt dessen hat sie
sich hinter den Kulissen implizit bemüht, den Herausgeber zu bewegen, mich als Autor
eventuell wieder zu streichen.
Yvonne Seidler schrieb ihm: ich finde du erweist
der plattform keinen wirklich guten dienst, wenn du via info graz streit und zwietracht
schürst. find ich nicht in ordnung. mit der Präzisierung: den
artikel von martin krusche mein ich.
Ich meine, da hört der Spaß auf. Eine offene Kontroverse,
der man einen falschen Zeitpunkt zuschreibt, ist eine Sache. Einem Herausgeber
das Gefühl antragen, er solle auf einen Autor verzichten, und mir so einen Kanal zur
Öffentlichkeit abschneiden wollen, das ist ein ganz anderer Kaffee.
Ich gehe davon aus, daß in dieser Angelegenheit die Frage
nach dem Demokratieverständnis einer Protestbewegung, die reklamiert, ein
"Aufstand" zu sein, keineswegs vom Tisch ist. Ich gehe davon aus, daß eine Res
publica unter anderem davon handelt, in einer demokratischen Öffentlichkeit
öffentliche Diskurse und auch Kontroversen haben zu können. Warum jemand diese
Öffentlichkeit mit seiner oder ihrer Ansicht meidet, aber eine öffentliche
Meinungsäußerung hinter den Kulisssen anficht, wie es hier geschehen ist, würde ich von
Frau Seidler gerne erklärt haben. |