29. Juni 2011

Es war hauptsächlich aus Graz in den letzten Wochen allerhand törichtes Geplapper zu hören, von Widerstand und Aufstand, vom Schuhewerfen und so manchen Anbiederungen an das, was uns von sehr fern als "Arabischer Frühling" zugetragen wird.

Es macht mir ein bitteres Schamgefühl, wenn sich nicht übersehen läßt, daß die Wohlstandskinder einer Spaßgesellschaft sich nach großen Gefühlen verzehren und sich dabei in einen Zusammenhang mit den Blutenden und Sterbenden reklamieren.

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Ich habe letzte Nacht diese stille Erzählung von Shirin Neshat gesehen ("Women Without Men", 2009) und davor einige andere Filme aus verschiedenen Weltgegenden. Iran. Israel. Neuseeland. Jene, die leiden, Qual ertragen und den Peinigern trotzen, haben nichts von solcher Großmäuligkeit, wie sie mir aus dem Steirischen momentan so unerträglich ist.

Neshats fast schweigsame Art, mit größter Intensität vom Widerstand zu erzählen, haut einen um. Welche Radikalität in dieser Zurückhaltung liegt! Und dann war da der Soldat in der Festung Beaufort, dessen Namen ich mir nicht gemerkt hab. ("Beaufort" von Joseph Cedar, 2007)

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Das unerträglich einfache Liedchen vom gewaltsamen Sterben eines Mannes, der um Frieden bittet und daß man ihn gehen lasse. Keine große Geste. Aber eine Ahnung vom Unerbittlichen. Das kann sich auch in unserem Alltag genau so zeigen. Als ein Stück Realität, das uns jederzeit erreicht und Markierungen setzt. Wo brechen unsere Herzen? Und was, wenn man es überlebt?

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Wie überrascht und betreten war ich gewesen, als Flurim sich bei mir entschuldigte. Er hatte unseren Gang über die Grabstätte von Racak abgebrochen und sich von mir zurückgezogen, weil ihn das ganze Grauen, in das er verwickelt gewesen war, eingeholt hatte. Aber er hatte seinen Gast, mich, in der Sonne stehen lassen...

Wie ich von diesem Mann weiß, daß er vom gehabten Schrecken in seinem Leben nie mehr freikommen wird, so bin ich einem anderen begegnet, der hatte mir angeboten, er würde mir zeigen, wie man mit bloßen Händen tötet. Der lebt inzwischen nicht mehr.

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Zahllose Tätowierungen auf Rasas Körper. Davon war an seinem Hals die Rose des "Legija", dieses Signum des Mörders von der Fremdenlegion, jene, die er mir am genauesten darlegte. Er hatte, sehr zur Belustigung meiner Freunde, ein Spottlied auf mich gesungen und sich danach in die Nacht getrollt. Einige Tage darauf ist er totgeschlagen worden.

Ich werde nicht müde, diese Geschichten wieder und wieder zu erzählen. Es ist nichts Lautes daran, nicht Spektakuläre, bloß das: Jeweils ein Leben. Wenn man einmal überwältigt worden ist, gibt es keinen Weg zurück hinter diese Linie. Das geschieht übrigens auch mit den Tätern.

Es ist also ein sehr radikales Kräftespiel, wenn in einer Rebellion, einem Bürgerkrieg, einer Schlacht Menschen gegen einander rennen. Das sind keine Ereignisse in soziokulturellen Kuschelecken.

Ich wünschte daher, dieses dumme Geschwätz vom Aufstand würde verstummen und einer etwas kraftvolleren Achtsamkeit weichen, einem Bedenken, was jene an Respekt verdienen, die zur Zeit in mehreren Ländern mit bloßen Händen gegen bewaffnete Einheiten stehen.

Dieser Respekt würde gebieten, ihnen von hier aus nicht die Begriffe und die Bilder zu entreißen. Vielleicht wäre auch gelegentlich Opfern wie Tätern in die Augen zu sehen. Als ein Stück Selbstvergewisserung, was den eigenen Standort betrifft. Und letztlich ist uns in der Kunst gezeigt, wie von diese Dinge erzählt werden kann...

 

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