log #167: slow
motion | leader "Sündteure
Künstler (obwohl vom Staat gefördert)"
landläufig: STAATSKÜNSTLER
+) Punkt 1
Dieses Begriffsensemble ist in Österreich zur Zeit eindeutig NEGATIV konnotiert. Die
Zuschreibung "Staatskünstler" o.ä. unterstellt, jemand beziehe auf
eher unredliche Art Gelder vom Saat, die anderweitig besser investiert wären.
Wir hätten also
Staatskrankenschwestern, Staatslehrer, Staatsbadewarte, Staatspolizisten,
Staatsuniversitätsrektorinnen (Hoppla! Haben wir welche?), natürlich auch Staatssportler
und Staatssportfunktionäre ... in unzähligen Professionen werden Personen mit
staatlichen Geldern für ihre Arbeit entlohnt. |
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Selbstverständlich auch viele Kunstschaffende, denn das sind
Investitionen in das geistige Klima und in die Kultur eines Landes, dessen freier Markt
viel zu klein ist, als daß er die Profis alle ernähren könnte.
+) Punkt 2
Im Kielwasser der weltweiten Finanzkrisen, ausgelöst vor allem von BANKEN und
IMMOBILIENMAKLERN, sind die Kommunen nun auch in der Oststeiermark längst unter erhöhten
Druck geraten.
Unter diesem erhöhten Druck haben kommunale Verteilungswettkämpfe begonnen,
die stellenweise zu Verdrängungswettkämpfen ansetzen. Die Praxis zeigt: Kultur
und Soziales sind bevorzugte Kandidaten, um in dieser Art von
"Entlastungsstrategie" MISSBRAUCHT zu werden.
+) Punkt 3
Europaweit haben sich vor allem Banken und Immobilienmakler vom Staat hohe
Unterstützungen geholt, um in der von ihrer Branche ausgehenden Krise bestehen zu
können. (Das "Kommuniqué zum österreichischen Maßnahmenpaket zur
Finanzmarktstabilität" [link] der "Österreichischen Finanzmarktaufsicht"
bietet eine knappe Orientierung, worum es da geht.)
Quelle: Immo-Aktuell, 20. Jahrgang, Nr. 02 / April - Mai - Juni 2009
Es ist von exquisiter Ironie, daß ausgerechten der Mitarbeiter eines Immobilienbüros,
welches einer großen Bankengruppe gehört, regional einen "kulturpolitischen
Befund" publiziert, in dem er Kunstschaffende pauschal desavouiert und das
Kunstfeld gegen den Sportbereich ausspielt.
Zufällige Analogie: Schon in der Nazi-Ära
wurde Körperertüchtigung überhöht, Intellektualität und zeitgenössisches
Kunstgeschehen herabgewürdigt. Diese Tradition will offenbar nicht enden. Siegfried Kober ist mutmaßlich sportbegeistert, engagiert, was ja
Anerkennung verdient. Er unterschlägt allerdings, daß vom "Sportministerium"
eben erst verlautbart wurde:
"Darabos: Höchstes Sportbudget
aller Zeiten" [link]
Ferner weiß Siegfried Kober wahrscheinlich
nicht, daß laut einber aktuellen Studie die soziale Lage Kunstschaffender in Österreich
desaströs ist und den Großteil davon zu einem Leben an der Armutsgrenze verurteilt.
Siehe dazu die Einträge #126 und #133! Dort befindet sich auch eine Headline der "Kleinen
Zeitung", die lautet:
"Ständiger Sinkflug des
Kunstbudgets"
Die unredliche Art, seine eigene Position
herauszustreichen, indem man ein anderes Feld pauschal herabwürdigt, ist gerade in
Krisenzeiten extrem belastend, denn da besteht höchste Anfälligkeit für genau solche
Attitüden, die vor allem einen Effekt zeigen, sie strapazieren den ohnehin
geschwächten sozialen Frieden. |
Quelle: "Süd-Ost Journal"
Ausgabe
Nord 10/2009 [link] |
Die Pikanterie, daß genau solche Post im
Absender den "Immobilien-Dienstleister der Erste Bank und Sparkassen" nennt,
einen heimischen "Marktriesen", unterstreicht die aktuelle Problematik des
"Kulturlandes Österreich".
"Ich betone nochmals, dass es sich bei
diesem Leserbrief um die private Meinung von Herrn Kober handelt und diese mit der s REAL
oder der Steiermärkischen Sparkasse nichts zu tun hat. Herr Kober hat uns glaubhaft
versichert, dass seine Firmen-Kontaktdaten von der Redaktion hinzugefügt wurden, da ihn
diese von der Anzeigenschaltung (Immobilieninserate!) kennt. Daher ersuche ich Sie
nochmals eindringlich, unser Logo von Ihrer Homepage zu entfernen - danke!" u.k. |
Es herrscht in vielen
öffentlichen Debatten über Gegenwartskunst und ihre Bedingungen nicht bloß ein
erheblicher Mangel an Sachkenntnis und Redlichkeit, es fehlt auch an Wahrnehmung
bezüglich der eigenen Position und deren Hintergründe. Wie schon erwähnt, die aktuelle
Wirtschaftskrise, wegen der allgemein sozialer Druck steigt, was zu solchen
unappetitlichen Meinungsäußerungen führt, verdankt sich ja ganz erheblich der Banken-
und Immoblienbranche.
Es finden sich unter Wirtschafts- und
Bankleuten selbstverständlich auch sehr respektable Persönlichkeiten, wie man etwa in
der Dialogreihe "In Augenhöhe" laufend wird überprüfen können: [link]
Da Sachkenntnis zum Kontext Gegenwartskunst
nicht allgemein vorausgesetzt werden kann, was wohl vor allem unserem Bildungssystem
anzukreiden wäre, bieten wir hier kleine Arbeitspapiere an, die eine erste Orientierung
ermöglichen.
Arbeitspapier
"Medien" | Arbeitspapier
"Kunst"
Wer sich etwas weiter in die Thematik
vertiefen möchte, findet hier eine Reihe von sehr anregenden Lesetips, über die sich der
Bereich Kunst und Kultur erschließen läßt: [literatur]
Siegfried Kober: Einwände
[slow motion: übersicht]
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