+) Passion (8. Juni 2006) / Wien / Erste Notiz / Burning Space
Manchmal werde ich gefragt, was denn das sei: Netzkultur. Worauf ich
gerne erwidere: Wie genau möchtest Du es denn wissen? Man ahnt, ich bevorzuge
prozeßhafte Verfahrensweisen.
Das Gegenteil davon ließe sich etwa so zusammenfassen: Was? Das
interessiert Dich nicht? Na, das werde ich dir jetzt erklären!
Was
hat es also nun mit der "Netzkultur" auf sich? Statt eines Essays eine kleine
Skizze. Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich bei der
Ausstellungseröffnung eines Projektes von "ortlos architects". Die findet im
Rahmen des "steirischen herbstes" im Grazer "medienkunstlabor" statt.
Bei der Gelegenheit schmeißt Mark Blaschitz vom
"SPLITTERWERK" eine meiner Arbeiten von der Wand. |
[große Ansicht] |
Beachten Sie, im vorigen
Absatz wären nun eine ganze Reihe von Hyper-Links zu setzen gewesen. Die erstens dazu
geführt hätten, daß Sie während der nächsten 30 Sekunden von MEINER Website
verschwunden wären. Zweitens hätten Sie da draußen (Wo? Im "CyberSpace"?) die
Chance herauszufinden, daß schon mindestens auf der Ebene von Hypertext zwischen all den
genannten Positionen Zusammenhänge bestehen. Vorgeschichten gewirkt haben. Weshalb Sie,
drittens, vermutlich bei der nächsten Gelegenheit in der Verständigung mit mir es
vorzugsweise unterlassen würden, mich zu fragen, was denn das sei: Netzkultur.
Wir hätten statt dessen genügend Zeit der
Frage nachzugehen: Womit befassen Sie sich denn gerne?
Passion. Leidenschaft. Womit ist man gerne
befaßt, wovon stark bewegt? Da ich Autor bin, spielt bei mir das Schreiben eine
nennenswerte Rolle in diesem Spektrum menschlicher Möglichkeiten. Zusammenhänge.
Vorgeschichten. Verwobenes und Verknüpftes.
Wie wir uns leiblich in Räumlichkeit
aufhalten und da meist der Orientierung bedürfen, ist auch unsere Sucht nach Sinn mit
Ordnungspraktiken verbunden. Weil der nachhaltige Verlust an Orientierung in diesem
Bereich als unschicklich gilt und, Foucault salopp paraphrasierend, meist zu ähnlich
klingenden Fragen führt; wie: Bist Du zu blöd oder willst Du nicht? (Sie erinnern sich?
Man untrerscheidet zwischen Wahnsinnigen und Vernunftflüchtlingen.)
Weshalb sich in vielen Kulturen
Deutungseliten herauskristallisiert haben, die in jenem Geschäft der Sinnerzeugung und
Sinnwartung (Wartung, nicht Erwartung!), in diesem Koordinaten-Gewerbe um starke
Positionen rennen. Auch ich renne. Nach Kräften. Allerdings tu ich es vor allem sitzend.
Schreibend. (Ja genau, so geht das mit Metaphern.)
"Sprechen über Architektur". Ist
recht! Ich. Schreibe. Über Architektur. Nein! In. Anläßlich. Gewissermaßen. Was hat
das nun mit dem "SPLITTERWERK" zu tun? Hm. Wie genau möchten Sie es denn
wissen?
Cut!
[...]
Später hatte man die wachsende Verdichtung des Grundes
mit immer stärkeren, schließlich Hausgroßen Traktoren bewältigt, bis das Land nichts
mehr wert gewesen ist. Erst kamen die Tourismusmanager, dann die Werbetexter. Schließlich
waren die Bürgermeister am Ende ihrer Möglichkeiten und kein Schuldiger mehr zu finden.
Die das Land durchziehenden 'Themenstraßen' verfielen, kein Apfel, keine Birne, kein
Kraut und keine Burg zog noch Menschen an, die Thermalbäder waren vertrocknet.
Räumfahrzeuge schoben unzählige heruntergekommene Häuschen weg, deren steile
Satteldächer Dezennien davor ein stolzes Statement gegen die kuriose Annahme von
'jüdischen Flachdächern' gewesen waren. Ein Landesrat in Kniebundhosen zerrte
Investoren, welche erhebliche Schneisen in die Ratlosigkeit der Einheimischen schlugen, in
die Gegend.
Es kam zu Erdbewegungen, in denen Schubraupen das Land
bügelten, die übertrafen an Ausmaß und Motorkraft alles, was man hier schon an
mächtigen Traktoren gesehen hatte. Dem erwuchs eine Wohnanlage, aus der man mehrere
Dörfer der alten Art hätte machen können. Für ungezählte Anwesen der Region entstand
dadurch im greifbaren Sinne des Wortes ein neuer Horizont. Der Blick ins Land war
durchschnitten und die Aufregung darüber so energisch gewesen, daß sich die Lebensspanne
manch Alteingesessener schlagartig verkürzte.
Für die Hiesigen, Nachgeborene der Dienstboten und
Kleinhäusler, für das stadtflüchtige Bildungsbürgertum, für reüssierte Beamte und
tüchtige Immigranten war etwas ins Leben und vor die Wonhzimmerfenster gekommen, das
ihnen mindestens so irritierend erschien, als wäre die Kolonisierung des Mars
versehentlich in diese Gegend gefallen.
[...]
[Zweite Notiz]