Input #1 Aufschreiben
und Einschreiben
(Next Code ... Notizen zum Hintergrund)
Von Martin Krusche
Was wir benennen, verändert sich dadurch. Beschreiben
heißt gestalten. Definition drückt Macht aus. Das Codieren, als grundlegender
kultureller Prozeß, erschafft die Welt, in der wir jeweils leben. Code generiert Räume.
Was darf man sich denn darunter vorstellen?
[SPLITTERWERK: "Interspace
T#7" beim NCC03: LINK]
Architektur gestaltet Räume. Räume haben Oberflächen.
Diese werden mit Texturen belegt. Man ahnt, der Text und das
Textil, davon handelt ja Textur gewissermaßen, sind beides Geflechte,
Sinn- und Stoffgeflechte zur Beschreibung und Beschriftung von Oberflächen. Neben dem
Schreiben, das Botschaften aufträgt, stützt sich In-Formation gelegentlich
auch auf das Ritzen, Eingravieren, das durch die Oberfläche und in den Raum dringt. Die
Außenhaut einer Stadt ist sozusagen mit einem Ensemble von Statements belegt. So gesehen
sprechen Räume und ihre Oberflächen zu uns. Sie richten uns allerhand aus.
Sie sind Medien für Botschaften. Sie tragen Codes.
Ornamente, dekorierte Schuppen, gigantische
Enten und Frösche hatten mich bei Fragen nach den Veränderungen von Städten bisher noch
nicht beschäftigt. Das änderte sich beim City Upgrade im Rahmen des
steirischen herbstes 2005. Wo mir klar wurde, daß ich an meinen gewohnten
Ansichten über das Verhältnis zwischen analogen und virtuellen Räumen einiges zu
ändern habe.
Ich hatte diese Raumkonzepte zwar als strikt komplementär
gedacht und in meiner Arbeit das Wechselspiel zwischen beiden Sphären stets betont. Ich
war aber bezüglich der Schnittstellen, der Zonen des Übergangs, zu sehr an den Maschinen
orientiert gewesen.
[Monitor-Rack im "Dom im
Berg", Graz]
Nun hab ich Anregungen erfahren, die mich über Next
Code nachdenken lassen. Daß also gewissermaßen unsere Codes durchlässiger gemacht
werden, um in genau dieser Durchlässigkeit den Übergang zu öffnen. Auch wenn ich im
Augenblick noch nicht ausreichend genau sagen kann, wie das geschehen soll. Mit Next
Code meine ich, daß sich zu Text, Kontext und Subtext noch eine weitere Ebene
erschließen läßt. Bei welcher der Leib und die leibliche Anwesenheit eine Rolle
spielen. Was mit dem aktuellen Stand der Kognitionswissenschaften korrespondiert, welcher
dem Leib, unserem Fleisch, in Revison von Descartes einen ganz erheblichen Anteil am
Kognitionsgeschäft zubilligt. Wohin wir auch gehen, wenn wir aus der Ortsgebundenheit in
die Telepräsenz einschwenken, der Leib sollte vorerst mit dabei bleiben.
Ich hatte davor zu lange auf Optionen gestarrt, die davon
handeln, daß Mensch und Maschine sowohl physisch als auch kognitiv gekoppelt werden. Daß
demnach unsere Sinne von den Simulationen der Maschinen gefüttert werden. Was
intern einerlei bleiben dürfte, wenn man das Gehirn als kognitiv
geschlossenes System versteht, das sinnlich übertragene Reize autonom deutet. Dabei ist
es dann ziemlich egal, ob diese Reize von biologischen oder technischen Quellen ausgehen.
Aber diese Vision der gehobenen Prothetik, mit der sich Immersion
herbeiführen läßt, greift viel zu kurz.
Was ich in meinem Umfeld in der heimischen
Netzkulturszene kennen gelernt habe, schien mich überwiegend auf diese
Tendenz zu verweisen. Diese Versunkenheit zur Maschine hin. Ein Sog, dem ich mich
beständig widersetzt habe. Durch die Betonung der vorrangigen Bedeutung von leiblicher
Anwesenheit als auch einer politischen Kategorie, die reale soziale Begegnung bereit
stellt.
Entsprechend war und ist meine Arbeit darauf abgestellt,
beide Raumkonzepte wechselseitig zu bespielen: analogue space und
virtual reality. Was vorläufig bedeutet, daß ich Immersion als
Hauptereignis ausschlage. (Denn die halte ich für ein Cartesianisches
Konzept, dem ich mißtraue.) Der sinnlich erfahrbare Kontrast zwischen analog und
digital angebotenen Stoffen bleibt dadurch ein wichtiger Teil des Erlebens und der
Rezeption. Der Leib wird dabei nicht ausgeblendet.
2003 war ich am Netzkulturprojekt Local Task
beteiligt. Dabei hatte ich unter anderem mit einer Crew zu tun, die in Alltagsgesprächen
Interspacies genannt wurde. Das Grazer Kollektiv SPLITTERWERK.
Deren Projekt Interspace T#7 explizit als eine virtuelle
Realraumerweiterung angekündigt war. Das entsprach genau der Fokussierung, zu der
ich in meiner Arbeit gekommen war. Eine EDV-gestützte Extension des analogen Raumes. Mein
kühles Extrazimmer als Erweiterung des herkömmlichen Raumangebotes.
Beim NCC03 (Net Art Community Congress) im
Grazer Dom im Berg baute das SPLITTERWERK seinen Interspace
T#7 hinten auf, ich meine Verschwundene Galerie vorne. Während ich die
Präsentation einzelner Exponate konzeptionsgemäß in ein Vexierspiel zwischen analogem
und virtuellem Raum brachte, verblieb mein Publikum klar auf dem festen Boden alter
Räume. Das SPLITTERWERK ging etliche Schritte weiter. Es wurden, wie
mir schien, reale Menschen, Dinge und Räume sowie ihre digitalen Repräsentanzen in
einander geschoben. Wobei die Aufmerksamkeit der beteiligten Personen im günstigsten Fall
auf beides, auf digitale und analoge Anteile des ganzen Ensembles gerichtet bleibt. Über
diese Schnittstelle, die eben nicht bloß Interface ist, sondern Interspace.
Genau das war der qualitative Unterschied zu meinem Ansatz.
Ich hatte bis dahin über die Mensch-Maschinen-Schnittstelle als Zone der
Berührung analogen und virtuellen Raumes kaum hinausgeblickt. Man könnte es eine
technische Luke zwischen den beiden Raumtypen nennen. Eine Art Cyber-Schott.
Hier aber stand nun der Ansatz einer maschinengenerierten
Raum-Raum-Schnittstelle. Die gefiel mir viel besser als das Entweder-Oder der
Immersions-Geschichte. Wo der Leib, wie im Neuromancer von William Gibson, an
einem Kyberdeck zurückgelassen wird, mit einem Texas-Katheter
trockengelegt, störender Wetware-Ballast, wenn der Held mental in die Matrix
abhaut.
Im Interspace schien mir vorgezeichnet, daß
die Wahrnehmung des Physischen, der Informationsübertragung und der Simulationen als
Erlebnis-Set beinander gehalten werden könnten. Denn was wissen wir schon, wie
abträglich es unserem Geist (und der Seele) wäre, wenn wir den Erfahrungsanteil vitalen
Fleisches in Abzug brächten? Hier hatte ich also Hinweise, wie sich leibliche Anwesenheit
und Zugang zu Simulationswelten verknüpfen ließen, ohne dazu den Leib in der Garderobe
abgeben zu wollen.
Das SPLITTERWERK orientierte sich damals
ausdrücklich an der Möglichkeit zum Paradigmenwechsel in Architektur und bildender
Kunst. Wie wir es vermutlich zuletzt aus der Renaissance kennen, als Brunelleschi
die Zentralperspektive einführte. (In Architektur und bildender Kunst.) Klar, die auf
binäre Codes gestützten Kommunikationstechniken haben längst das Hereinbrechen neuer
Paradigmen über unsere Häupter gehängt. Aber welche? Und auf welche Art würden wir in
sie hineintaumeln oder gar stürzen?
Ich habe keinen Geschmack an Revolution. Revolutionäre
sind meist Männer, die unter vielen Möglichkeiten bloß noch eine für vertretbar
halten. Und diese dann mit einem automatischen Gewehr in den Händen durchsetzen möchten.
Doch die Veränderungsschübe aus der neuen Mediensituation sind längst im Alltag von
Millionen von Menschen angekommen.
Das wird mit dem Öffnen und Schließen von Fenstern allein
nicht zufriedenstellend zu bearbeiten sein. Das Zusammenschalten von Räumen scheint mir
da wesentlich vielversprechender ...
[Interspace
T#7]
[die
texte]
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