log #612: Kunstsymposion -- [Vorlauf I] [Vorlauf II]
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Das (Kultur-) Politische
Der Begriff Politik hat zwei wesentliche Quellen. Wir sehen heute hauptsächlich
die "Staatskunst", also das Funktionärswesen (Politiké),
doch er meint auch das Gemeinwesen (Polis), also die Bürgerinnen und
Bürger. Das Politische läge demnach im Wechselspiel der Ereignisse zwischen
beiden Möglichkeiten, die eigentlich als als ebenbürtig gedacht sein müßten.
Gleisdorfs Bürgermeister
Christoph Stark (links) und Landtagsabgeordneter Hubert Lang
Wenn aus der Funktionärswelt heute der Ruf nach "Bürgerbeteiligung"
zu hören ist, dann darf man daraus schließen, daß die Politikerinnen und Politiker
unterwegs irgendwo das Gemeinwesen als Bezugsfeld ein wenig verloren haben. (Aktuelle
Umbrüche erinnern uns daran, daß wir einander brauchen.)
Umgekehrt ist doch recht irritierend, wie viele Bürgerinnen und Bürger den Staat
offenlundig als Serviceeinrichtung verstehen, wobei Konsumation und Partizipation
etwas unausgewogen erscheinen. Darin ist der Kulturbetrieb natürlich keine Ausnahme.
Besonders kurios finde ich jene Kulturschaffenden, die gerne lauthals betonen, sie
würden auf Subventionsansuchen und die Verwendung öffentlicher Mittel gerne verzichten,
zugleich aber eben diese Ressourcen sehr geschickt auf Umwegen nutzen.
Es sollte eigentlich klar sein, daß eine Gesellschaft in Bereiche investiert, die als
wichtig erkannt wurden, aber nicht marktfähig sind. Es ist klar, daß der Staat
diese Maßnahmen (und Budgets) verwaltet. Das gilt ja nicht nur für den Bericht der
Kultur und der Kunst. Gesundheit, Sicherheit, Bildung, viele Bereiche werden auf diese Art
finanziert oder kofinanziert.
Darum finde ich es doppelt interessant, wenn Kulturschaffende mit Leuten aus Politik
und Verwaltung zusammentreffen, um derlei zu diskutieren. Wir müssen ja die Verwendung
öffentlicher Gelder stets neu debattieren, verhandeln. Wir, also Menschen des
Gemeinwesens, mit Kräften aus Politik und Verwaltung. DAS ist Teil einer zeitgemäßen
Kulturpolitik.
Von links: Kulturjournalist
Walter Titz, Kunstsammler Erich Wolf, Gleisdorfs Kulturbüro-
Leiter Gerwald Hierzi und Kulturschaffender Karl Bauer
In solchen Zusammenhängen fand eben ein Treffen in Gleisdorf statt, zu dem Richard und
Reserl Frankenberger geladen hatten. Es ging beim "Runder Tisch: Rastplatz
K.U.L.M./B54", einerseits um Frankenbergers Werkgruppe Nomadin und Dom,
andrerseits generell um Kunst im öffentlichen Raum.
Ich hab am Vorabend dieser Veranstaltung im Eintrag
#609 skizziert, womit man es beim Round Table im Forum Kloster zu tun
bekommt, hab im Eintrag #610 dargelegt, wie die
Einladung von Profis gelesen werden könne. Die Session hat inzwischen stattgefunden. Am
Ablauf läßt sich nun überprüfen, was es war.
Rückblickend kann man sagen, Richard Frankenberger hat die Sache geradezu
lehrbuchmäßig umgesetzt. Präzise Dramaturgie, gewünschtes Ergebnis in Bestzeit. Dann
noch ein kleiner Ansatz, um über das Partikulare hinaus den Zustand des regionalen
öffentlichen Raumes zu erörtern, was Moderator Erwin Fiala zügig in den Bereich
privater Unterhaltung verwies, um die Runde zu schließen.
Das erwähnte Ergebnis: Die Machtpromotoren auf dem Set waren sich einig. Die Sachpromotoren
hatten für zusätzliche Legitimation gesorgt. Herbert Baier, Bürgermeister
Pischelsdorfs, wußte zu berichten, daß von den Menschen, die er befragt hat, der
Großteil für den Weiterbestand der Werkgruppe sei. Christoph Stark, Bürgermeister der
Stadt Gleisdorf, hatte vorgeschlagen, die Last des Erhaltes müsse nicht allein bei der
Gemeinde Pischelsdorf bleiben.
Künstler Richard
Frankenberger
Landtagsabgeordneter Hubert Lang, Vorsitzender jenes Gremiums, von dem das regional
erreicht werden könnte, bat Ausschuß-Mitglied Stark, einen entsprechenden Antrag zu
formulieren und mit beigelegter Kostenaufstellung einzureichen.
Kurioses Detail: Bei dieser Session ging einige Zeit dafür drauf, alle akademischen
Titel wieder und wieder abzuspulen. Die haben zwar für die Kunst keinerlei Relevanz,
gehören aber zum Code des gepflegten Umganges bei amtlichen Vorgängen, sind also ein
tragendes Distinktions-Modul im Betrieb. (Selbst Künstler Winfried Ritsch wurde
als Professor vorgeführt.)
Das ist die Betonung eines eingeführten Referenz-Systems und möchte sagen: Hier
ist alles sehr, sehr seriös. Kleiner Einschub! Im Team für unser nächstes Kunstsymposion
haben wir auch einen Emeritus mit bemerkenswerter akademischer Karriere. In der
aktuellen Korrespondenz, um den Auftakt zu koordinieren, schrieb ihm ein Teammitglied: "Sonst,
bis ich alle Deine Titel aufgezählt habe, vergess ich, was ich eigentlich sagen wollte
:)"
Ich hatte erwähnt, diese Session sei ein Beitrag zur Urbanisierung der
Provinz. Damit habe ich im Auge, was natürlich nicht zwingend nötig ist: Daß wir
abseits des Landeszentrums andere Formen des Kunstbetriebes hätten entwickeln und
etablieren, andere Codes hätten einführen können. Deshalb der Hinweis, idas zu
erwartende Ergebnis (wie es dann auch zustande kam) komme leider rund 30 Jahre zu spät.
Horst Fidlschuster, Erwin
Fiala und Richard Frankenberger
anno 2006 an den gleichen Tischen
Egal. All das entwickelt sich nicht, wollten wir auf Erörterungen, was denn Kunst
eigentlich sei, völlig verzichten. Es hat übrigens vor rund einem Jahrzehnt, nämlich
2006, eine vergleichbare Session am selben Platz gegeben. Siehe: [link]
Interessant waren dann auch weiterführende Debatten im Jahr 2008, da etwa Fery Berger
anmerkte: "Man spürt das Globale kommen und reagiert, indem man das Regionale
aufwertet." (Bleibt die Frage, wie man sicherstellt, daß solche Reaktionen
nicht ins "Provinzielle" führen.) Fiala betonte damals, wie
problematisch eine unreflektierte Behandlung der Vorstellungen von "Region"
sei. [Quelle] In jenem Jahr, 2008, hatten
wir mit Fiala übrigens das Thema "Was ist Kunst?" öffentlich zur
Debatte gestellt: [link]
Einige Jahre später, 2015, hieß es für mich dann schon "Wann ist Kunst?"
[link]
Diese Arbeit am Thema erledigt sich ja nicht, sondern will stets neu geleistet werden.
Dazu kommt nun am 8.7.2017 in Gleisdorf eine Walking Conference von Ursula
Glaeser (KulturBüro Stainz) zum Thema "Was ist Kunst?" [link]
-- [Howl:
Wegmarke] [2017er Kunstsymposion] --
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