log #609: KunstsymposionEin
paar Worte zum Kunstbetrieb I
Ich hatte eben online eine kurze Debatte mit einem Künstler, der zu einem Beitrag
bezüglich der aktuellen documenta in Kassel "Entlarft die
Scheinheiligkeit der aktuellen documenta 14." geschrieben hatte. Gibt es am
heutigen Kunstbetrieb tatsächlich noch etwas zu entlarven?
Schon meinen ersten Einwand quittierte mir der Mann überraschend mit "Aber Du
musst mir ja nicht zustimmen und Du musst mich auch nicht mögen." Er konnte es
also weder sachlich noch sportlich nehmen, war ohne Anlauf beim Persönlichen gelandet.
Wir können in der Sache Dissens haben, deshalb muß ich die Person nicht ablehnen.
Aber das haben hier auch die jüngsten Beiträge zum Thema Kunst gezeigt, Argumente ad
rem und ad personam kommen offenbar grade im Kulturbereich gerne
durcheinander.
Unsere kleine documenta-Debatte hab ich beendet, als mir meine Einwände gegen
vorgebrachte Details mit "Na, hauptsache, Du bist so absolut 100% informiert und
bist der absolute Checker mit dem totalen Durchblick." beantwortet wurden.
Es ist recht kurios, daß bei diesen Themen einander widersprechende Ansichten so oft
als unerträglich erscheinen, obwohl genau das ein zentrales Merkmal der Kunst im 20.
Jahrhundert ist: Widersprüche. Das Nebeneinander teilweise sogar sich
gegenseitig ausschließender Vorstellungen.
Was für ein Geschenk, daß menschliche Gemeinsamkeit solche Optionen hat! Wie
erstaunlich, daß gerade in den Fragen, was nun Kunst sei und was den Kunstbetrieb
ausmache, der Dissens so wenig ertragen wird.
Ich denke, der Kunstbetrieb ist seit wenigstens fünftausend Jahren auf genau diese Art
ambivalent, daß da permanent mit verdeckten Intentionen gearbeitet wird. Ein
zeitgenössisches Unternehmen braucht sich der Mühe von Scheinheiligkeit gar
nicht zu unterziehen, weil ja keinerlei Geheimnis geblieben ist, was da neben den als "edel"
eingestuften Motiven ferner an trivialeren Interessen wirkt.
Meiner Meinung nach bereitet das vor allem dann Kummer, wenn man sich von diesem
Betrieb ein eher naives Bild erhalten möchte. Ich erinnere mich an eine Vernissage, wo
mir ein Unternehmer erklärte, Kunst sei eigentlich bloß eine Frage leistungsfähiger Public
Relations. Ich konnte ihn nicht dafür gewinnen, daß sich da etwas mehr finden
ließe.
Aus eben diesem Umfeld tauchten dann im Zentrum Gleisdorfs jene Obeliske auf, die ich
hier in einigen Beiträgen kritisiert, also mit anderen Werken verglichen
hab. Die Reaktionen waren bemerkenswert und fast ausschließlich auf mein Verhalten
bezogen, kaum auf meine Aussagen (Argumentum ad personam/ad rem).
Seit Schopenhauer (Eristische Dialektik) gilt als geklärt, daß die Argumente
zur Person der eher unredliche Ausweg sind, wenn man keine Argumente zur Sache mehr
vorrätig hat. Grundsätzlich haben doch alle Menschen die Freiheit, auf Kunstwerke bloß sinnlich
zu reagieren oder auch die Regeln der Kunst einzubeziehen, beides zu kombinieren
oder eines von beidem auszuschließen. Daher gibt es über mir keine Instanz mehr, die mir
"beweisen" könnte, was denn nun Kunst sei und was nicht.
Falls wir uns dabei uneinig sind, gilt das Widersprüchliche, steht Aussage gegen
Aussage. Es gibt seit Jahrtausenden kein "Zentralbüro für die ´Wahrung des
Erkennens wahrer Kunst". Aber ich kann es interessant finden, mich mit anderen
Menschen darüber auseinanderzusetzen. Im Jahr 2009 hatte ich hier einmal mehr genau diese
Möglichkeit mit jenem launigen Franz West-Zitat illustriert:
Hier die 2009er Quelle: [link] Wir
haben also jede Freiheit, das ganze Thema einfach schweben zu lassen (ganz nach der
Phantasie "Das Gute wird sich durchsetzen"), oder nachzusehen, wie das
denn geht: von Kunst eine Ahnung zu haben. Dazu hat mir gestern das Gleisdorfer Büro
für Kultur & Marketing anschauliche Post geschickt.
Am Beispiel dieser Aussendung läßt sich, wie ich hoffe, gut nachvollziehbar darlegen,
wovon hier überhaupt die Rede ist: "Runder Tisch zum Thema Rastplatz
K.U.L.M./B54". Es diskutieren
Christoph Stark, Bürgermeister der Stadt Gleisdorf
LAbg. Hubert Lang
Walter Titz, Kulturredakteur
Dr. Edith Risse, Kunsthistorikerin
Herbert Baier, Bürgermeister Pischelsdorf
Mag. Erich Wolf, Kunstsammler
Moderation: Dr. Erwin Fiala, Kultur-, Kunst- und Medienphilosoph
Konzept/Organisation: Reserl & Richard Frankenberger
Im Zentrum der Veranstaltung, die da beworben wird, steht der Künstler Richard
Frankenberger. Er zeigt hier, was ein professionelles Verhalten auf diesem Terrain ist.
Professionell insofern, als es kaum Beispiele gibt, daß Künstler reüssieren, ohne diese
Zusammenhänge zu beherrschen.
Kunstbetrieb und Kunstmarkt kennen die Kategorie "Das Gute setzt sich
durch" nicht. Es gibt bei all diesen Vorgängen Akteurinnen und Akteure mit
persönlichen Interessenslagen, womit jeweils verhandelt wird, was eine nähere Befassung
oder ein Geschäft lohnt und was nicht.
Eine Künstlerin, die sich
a) im Kunstmarkt wiederfinden möchte und
b) in der Kulturgeschichte des Landes vorkommen will, wird vorzugsweise zweierlei tun. Sie
wird
a) mit solchen Personen Kontakt finden und halten, wird sich
b) kontinuierlich für diese Personen sichtbar machen.
Da ist jetzt noch nicht von Inhalten die Rede, bloß von einem professionellen
Verhalten, auf das all jene angewiesen sind, die sich in Existenzfragen nicht auf eine
tragfähige Ehe oder eine fette Erbschaft stützen können, um ein Künstlerdasein zu
haben, das sie von Existenzsorgen frei macht. Geistige Arbeit wird allerdings oft nicht
als "relevante Arbeit" anerkannt.
Unter den gängigen Auffassungen davon finden sich oft Stereotypen, die eine völlige
Unkenntnis des Berufsfeldes ausdrücken. Das äußert sich mitunter in Statements wie
diesem Kommentar, der damals auf der Website der Kleinen Zeitung erschien. Wie
angedeutet, Künstler zu sein ist eine Profession, für die man sich entscheiden
kann. Wer so sein Brot verdienen will, kann den Betrieb und den Markt nicht beliebig
ignorieren. Ich werde im zweiten Teil dieses Textes ausführen, was die
Frankenberger-Einladung anschaulich macht und was man daraus erfahren kann: [Fortsetzung]
-- [Howl:
Wegmarke] [2017er Kunstsymposion] --