log #610: KunstsymposionEin
paar Worte zum Kunstbetrieb II
[Vorlauf] Wir haben in der jüngsten Konferenz
zum Thema das kommende Kunstsymposion als kollektive Kulturarbeit bestätigt und
den Titel adaptiert: "Artist Is Obsolete: Kunst und Technik" (Ein
Symposion) [link] Dabei sollen auch die Rahmenbedingungen der Kunstpraxis
erörtert werden.
Ich hab im ersten Teil betont, was die erwähnte Einladung anschaulich mache und was
man daraus erfahren könne. Es geht dabei um Fragen eines professionellen Verhaltens in
Kunstbetrieb und Kunstmarkt. Diese Veranstaltung ließe sich mit einem Satz hinreichend
kommentieren: "So macht man das!"
Beim "Runden Tisch zum Thema Rastplatz K.U.L.M./B54" diskutieren:
Christoph Stark, Bürgermeister der Stadt Gleisdorf
LAbg. Hubert Lang
Walter Titz, Kulturredakteur
Dr. Edith Risse, Kunsthistorikerin
Herbert Baier, Bürgermeister Pischelsdorf
Mag. Erich Wolf, Kunstsammler
Moderation: Dr. Erwin Fiala, Kultur-, Kunst- und Medienphilosoph
Konzept/Organisation: Reserl & Richard Frankenberger
Reserl und Richard Frankenberger haben hier ein hochkarätiges Set von
Sach- und Machtpromotoren zusammengesetzt, um ihr Anliegen und ihr Thema voranzubringen.
Ohne Sachpromotoren bekommt man keine Bestätigung der inhaltlichen Fragen, ohne Machtpromotoren
sind viele Arten einer Umsetzung nicht machbar.
Ich setze als bekannt voraus, daß jede dieser Personen in Fragen der Reputation
und der Wirkmächtigkeit darauf angewiesen ist, von den jeweils anderen gebraucht
und bestätigt zu werden.In polemischer Verkürzung: Der Künstler wird den Philosophen,
die Kunsthistorikerin und den Journalisten brauchen, um in seinem Tun bekräftigt zu
werden, die ihrerseits ohne Künstler und Kunst nicht gebraucht würden.
Heimo Ranzenbacher hat das auf Facebook gerade anläßlich einer Walking
Conference [link]
von Ursula Glaeser präzisiert: "Was der Künstler sagt, dass Kunst sei, bleibt
solange ein bloßer Sager, bis seine Behauptung (oben skizzierten Perzeptions- und
"Beurteilungs"prozessen ausgesetzt) sich als Erkenntniswert erweist." Nun
also eine kleine Exegese, quasi: Wie das Blatt von Profis gelesen wird:
+) Christoph Stark ist Bürgermeister der Stadt Gleisdorf, somit der
einflußreichste Politiker der Kleinregion Gleisdorf und der Energieregion
Weiz-Gleisdorf, deren Vorsitz er innehat. Wenn es die kommenden Wahlen hergeben, wird
er außerdem in den Nationalrat einziehen. Von Stark wissen wir, daß er sich nicht bloß
auf die Hobby-Liga einläßt, sondern auch ein waches Interesse an der Gegenwartskunst
zeigt.
+) LAbg. Hubert Lang sitzt erkennbar im steirischen Landtag und ist ein
Regionalpolitiker von Gewicht. Er hat zwar noch nie im Kontext Gegenwartskunst aufhorchen
lassen, nimmt aber das Thema Kultur bei gutem Grund jederzeit mit und wird bei vielen
regionalen Projekten/Budgets besser nicht ignoriert.
+) Herbert Baier, der Bürgermeister von Pischelsdorf, ist die politisch
maßgebliche Person, wo das kulturelle Lebensprojekt der Frankenbergers, der Kulturstock
3, eingerichtet wurde.
Das waren die Machtpromotoren, nun zu den Sachpromotoren.
+) Walter Titz, Kulturredakteur, ist neben Frido Hütter einer der
profiliertesten Kulturjournalisten der Steiermark. Die beiden waren junge Löwen,
als im Grazer Feuilleton noch Kräfte wie Wolfgang Arnold, Grete Scheuer oder Charly
Haysen den Ton angaben, und stehen prominent für die Ära danach.
Kunstliebhaber wie Titz repräsentieren außerdem exemplarisch jene
zeitgemäße Form eines sachlich und sinnlich erfahrenen Bildungsbürgertums im
Kulturleben der Steiermark. Seine Frau und seine Tochter sind als Künstlerinnen aktiv,
sein Schwager Jorrit Tornquist ein Künstler von internationalem Rang. Da sind also eine
Menge Kontext und Kompetenz gebündelt.
+) Dr. Edith Risse, Kunsthistorikerin, ist nicht nur mit Theorie und
Feuilleton vertraut, sondern auch mit dem praktischen Kunstbetrieb der Steiermark und
darin vorzüglich vernetzt. Was die Risse nicht kennt, gibt es (fast) nicht.
+) Mag. Erich Wolf, Kunstsammler, hat eine maßgebliche Sammlung bildender Kunst der
Steiermark nach 1945, ist ein obsessiver Kunstliebhaber, aber auch ein erfolgreicher
Unternehmer, demnach so und so sehr gut vernetzt. Man sieht ihn stets bei interessanten
Ausstellungen, selbst in entlegenen Winklen, es ist also anzunehmen, daß er einen kaum zu
übertreffenden Gesamteindruck hat, wasd derzeit an steirischer Kunst stattfindet.
+) Dr. Erwin Fiala, Kultur-, Kunst- und Medienphilosoph, das ergibt schon
in dieser Form der Ankündigung ein ziemlich klares Statement. Fiala beschreibt nicht nur,
er konstituiert auch. Läge es in seiner Ambition, könnte er vermutlich die Lücke
füllen, die durch den Tod von Kunsthistoriker Werner Fenz entstand.
Das bedeutet in Summe, diese Tischrunde ist, was nun Fragen nach der
Gegenwartskunst und ihren Bedingungen angeht, regional nicht zu überbieten, hat eindeutig
überregionale, also quasi steirische Dimension. (Fehlt eigentlich nur Walter Kratner, Kunst
am Weizberg).
Die Einladung drückt zugleich aus, in welche Liga sich Frankenberger hier
reklamiert, was ihm von dieser Runde sicher bestätigt wird. Ich erwarte nicht, daß diese
Veranstaltung zu einer Art Resolution führen wird. Aber ich tippe auf gute regionale
Medienresonanz, womit in Summe der Gegenwartskunst wieder ein paar Zentimeter Boden
gewonnen wären.
Was wir hier sehen, hat in unserer Gegend ein ungewöhnliches Level. Ich
halte es allerdings dennoch für ein Muster an urbanem Kulturgeschehen und somit
für einen Beitrag zur Urbanisierung der Provinz. Die Veranstaltung zeigt auf
völlig unanfechtbare Art, wie etliches an Kriterien und Modi der Kunst aus dem
Landeszentum nun in der Provinz angekommen ist. Ich halte das für einen Gewinn der Kunst
abseits des Landeszentrums, denke aber, das kommt leider rund 30 Jahre zu spät.
Ich denke, es wird interessant sein, worin die kulturpolitisch
Zukunftsfähigkeit der Region angelegt sein mag. Auf eines kann man dabei blind tippen:
Die Zahl der regionalen Machtpromotoren müßte dazu wachsen, auf daß auch andere
Lebensbereiche von so einer Entwicklung profitieren könnten.
-- [Howl:
Wegmarke] [2017er Kunstsymposion] --