6. September 2020
Mein Kontinent VII
Zwischen 2015 und 2020 hätte
eigentlich der Lauf der Dinge auf den Terrains der freien
Initiativen-Szene, im Kulturbereich, aus ganz pragmatischen
Gründen eine Welle von Kooperationsprojekten auslösen
müssen.
Niemand konnte übersehen, wie sehr Strukturen
und Ressourcen gelitten hatten, nachdem der Lehman
Brothers-Crash und andere Vorfälle eine Weltwirtschaftskrise
losgetreten hatten, die 2010 unübersehbar manifest war.
Ich hab hier im Eintrag vom 2. September 2020
skizzenhaft zusammengefaßt, wie weltweite Kräftespiele mit
steirischen Vorkommnissen zusammenliefen: Steirische
Doppelbudgets, Reformpartnerschaft von ÖVP und SPÖ, die
Gemeindestrukturreform, die Gemeindezusammenlegungen, das
Einbrechen regionaler Kulturbudgets bei gleichzeitiger
Erschütterungen der Regionalpolitik.
Bild-Notiz vom Juli 2015
Erschütterungen, weil in den Prozessen der
Gemeindezusammenlegungen viel Druck von oben nach
unten ausgeübt wurde, weil von unten Mißtrauen
aufkam, weil vieles an PR-Texten und Werbemaßnahmen
das alles kompliziert hat.
Diese Entwicklung
hätte unter Kulturschaffenden mindestens zu
Überlegungen führen können, wie nun noch verfügbare
Ressourcen allenfalls gemeinsam genutzt werden
können und welche Strategien nützlich wären, daß
vorhandene Gelder möglichst in der Szene
zirkulieren, statt abzufließen.
Denkbare
Strategien, jenen der regionalen Wirtschaft
verwandt, die merklich darunter litt, daß Gelder
zunehmend a) in entfernte Einkaufszenten und b) in
den Online-Handel abflossen, daß sich also Kaufkraft
verflüchtigte.
Statt solchen Entwicklungen im
Geist von Solidarität und Kooperation
gegenzusteuern, wurden eher Scheinpartnerschaften
forciert, in denen sich der Zugriff auf Ressourcen
machen ließ.
Meine markantesten Erfahrungen
in problematischer Akquise hatte ich damals mit den
oststeirischen Formationen „K.U.L.M.“ (seinerzeit
noch unter der Leitung von Maler Richard
Frankenberger) und KOMM.ST, im damaligen
Zuständigkeitsbereich von LEADER-Manager Wolfgang
Berger („Oststeirisches Kernland“). Sie erwiesen
sich als Meister sozialdarwinistischer Praktiken.
Weiz: ein Angriff auf die Autonomie regionaler
Kulturschaffender
Die härteste Tour wurde damals allerdings in
Weiz gefahren. Der
in dieser Notiz erwähnte Maler Hubert Brandstätter erwies sich als einer der
konsequentesten Akteure, (s)einen Markt
abzuschotten, aber die Fahne der Kooperation zu
schwenken. Siehe dazu die Doku „Weg mit Krusche!“
aus der Kalenderwoche 26/2011.
Ab dieser Zeit häuften sich die Beispiele
strategisch angelegter Wortbrüche. Heute können Sie
in der Bezirkshauptstadt Weiz und in der Einkaufstadt
Gleisdorf feststellen, daß es keine kulturelle
Basisbewegung mehr außerhalb der Kontrolle der
städtischen Kulturbüros gibt.
Vieles davon
wurde in jenen Jahren mit Kofinanzierungen
realisiert, mit EU-Budgets und Landesgeldern, deren
Vergabe ausdrücklich an das Bottom up-Prinzip
gebunden war. Wie sich das umgehen ließ, muß man
weniger der Politik und Verwaltung vorwerfen, die
zwischen 2010 und 2020 um Budgets rangen, sondern
eigentlich den Kunst- und Kulturschaffenden, die das
hinnahmen, sich diesen Verhältnissen angedient
haben.
Doch diese Debatte wurde abgesagt, hat
nicht stattgefunden. Also bleibt nur, solche
Entwicklungen und den Status quo als das Ergebnis
von Wahlfreiheit in einer Demokratie zu deuten. Ein
ganzes Metier hat sich in weiten Teilen von Politik
und Verwaltung gängeln lassen. Das muß einem
freistehen, denn wie gesagt: es ist eine Demokratie.
Post Scriptum Nachdem der Lockdown nun seit
Monaten vorbei ist, die erwähnte Szene neue
Strategien hätte erarbeiten können, finde ich vor
allem die Kampagne "Fair pay". Naja, darüber war
schon 2011 zu berichten. Ist also nicht gerade
taufrisch: [Link]
--
[Ab
August 2020] [Kulturpolitik]--
|