9. August 2009

Nimmt man das überreife Fruchtfleisch einer Melone in die Hand, bleibt auf der Haut eine Spur davon zurück, eine feine Schicht, die zu zerreiben ein eigenartiges Erlebnis ist. Nachts, wenn ich vom Lesen müde bin, lande ich öfter bei Ang Lee. Vor allem "The Ice Storm" (1997) sehe ich mir gelegentlich zweimal hinter einander an.

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Wie präzise Lee arbeitet, wird allein dadurch deutlich, daß sich der gesamte Vorspann separat nehmen ließe. Würde es da enden, wo der Schriftzug "directed by ANG LEE" erscheint, wäre es schon ein Film, der in sich funktioniert.

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Bevor der junge Paul (Tobey Maguire) aus dem Zug steigt, wo er von seinen Leuten abgeholt wird, sagt er über "Familie":

"Je mehr man hineingezogen wird, desto tiefer dringt man ins Nichts."

Ab da entfaltet sich die kommende Katastrophe mit einer Schlüssigkeit und auf eine Art erzählt, die mich seit Jahren in ihren Bann schlägt. Das kenne ich so sonst von nur wenigen Situationen, etwa bei der Lektüre von Sophokles. (Zwei frühere Notizen zu diesem Film, eine vom 7.6.2008, eine vom 7.9.2008 ... uups! Den 7. hätte ich ja diesmal knapp verfehlt.)

Nun bin ich implizit wieder bei dem Thema gelandet, das mich gestern so konfus gemacht hat und von dem ich mich nun etwas dispensieren wollte. Was geschieht mit unseren Schutzbefohlenen, wenn wir auf sie nicht achtgeben? Was widerfährt unseren Kindern, wenn wir darauf vergessen ... daß sie Kinder sind?

Davon handelt "The Ice Storm". Davon handelt eine Flut von Leserbriefen, deren dominanter Tenor auf dem Boulevard jener zu sein scheint: "Selbst schuld! Warum waren die Buben nicht im Bett, wo sie um die Zeit hingehört hätten?"

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So eine patzige Headline sollte dem Ressort-Chef für Innenpolitik vorbehalten sein. Aber in der "Kronen Zeitung" werden Leserbrief-Autoren so aufgestellt. Da muß dann von "journalistische Sorgfaltspflicht" nicht einmal geträumt werden. (Was für eine Stümperei!)

Ob der Polizistin und dem Polizisten ein Vorwurf zu machen sei, weil ein Teenie schwer verletzt und der Jünger von beiden tot ist, muß ein ordentliches Verfahren klären, zumal dem Kleinen, dem Toten, in den Rücken geschossen wurde. (Ich möchte eigentlich nicht, daß die Repräsentanz des staatlichen Gewaltmonopols ihre Regeln auf dem Boulevard verhandeln läßt.)

Über das Innenministerium wäre zu sprechen, das nun über mehrere Regierungen hinweg die Polizei Österreichs geschwächt, zerrüttet, auch finanziell ausgetrocknet hat. Ein skandalöser Umstand. Ich darf daran erinnern: Gewaltverzicht als Grundlage einer Demokratie, wir haben das so geordnet, daß der Staat ein Gewaltmonopol erhält und gefordert ist, diese heikle Aufgabe auf dem höchsten denkbaren Niveau zu erfüllen.

Höchstes denkbares Niveau? Davon kann keine Rede sein! Aber es ist noch etwas anderes geschehen. Es hat sich im Land eine Verschiebung manifestiert, die einen radikalen Unterschied ergibt.

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Als ich ein Teenie gewesen bin, habe ich den wesentlichen Teil dieser Zeit in Hausmannstätten gelebt. Ein Dorf im Süden von Graz. Wir haben jede menge Unfug getrieben, von dem mancher keineswegs weniger gegen das Gesetz war als das Eintippeln in einen Supermarkt.

Es gibt Fotos aus meinen Berufsschultagen, auf denen sieht man mich mit meiner Luger 08, Kaliber 9 Millimeter Parabellum. (Das Kaliber, mit dem der Vierzehnjährige in Krems erschossen wurde.) Die Munition dazu hatte mir ein Bursche aus unserer Clique beschafft, der heute Berufssoldat ist. Die Knarre habe ich später verkauft, um das Geld für mein erstes amtliches Motorrad zusammen zu bringen.

Die amüsanteste Geschichte, an die ich mich erinnere, handelt von einem anderen Burschen aus unserer Clique, der das Auto meiner Mutter vom Hof zu klauen versuchte, aber nicht mir dem leichten Schlaf meines Vaters gerechnet hatte.

Als Teenies haben wir also Dinge im Bereich genau solcher "Strafwürdigkeit" gemacht. Und zwar nicht zu knapp. Wurde einer erwischt, ging es meist mit einigen Ohrfeigen ab, die einem der "Dorfgendarm" angemessen hat. War ein Schaden entstanden, mußten ihn die Eltern kompensieren. Wir wurden natürlich lieber nicht erwischt. Gab es Vorhaltungen, gefiel mir die Pose: "Was soll's? Ihr habt's als Teenager ganz Europa in Schutt und Asche legen dürfen."

Ich will hier keine Vergehen schönreden, Gesetzesbruch nicht promoten. Ich will damit bloß sagen: Teenager tun solche Dinge. Sie tun diese Blödsinne aus tausenderlei Gründen, von denen ich die meisten heute für schlechte Gründe halte.

Doch "zu meiner Zeit" wurde dafür kein Teenie totgeschossen. Ich denke also, wir sollten schleunigst darüber reden, was es braucht, damit im Land ein Klima besteht, in dem Teenies ihre Pubertät möglichst überleben.


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