Blatt #108 | KW
33/2020
Schelchenberg II
Klassiker-Treffen sind inzwischen recht verbreitet, denn die
Youngtimer-Szene hat kräftig zugelegt. Das besagt vor allem, ich
bin inzwischen merklich alt geworden. Die Traditions-Rallies mit
den Hochkarätern sind für einen Automobilpaparazzo wie mich
natürlich auch wichtig, weil mancher Meilenstein sonst nur im
Museum zu finden wäre.
So mag deutlich werden: die
Mischung! Das ist eine Besonderheit am Schelchenberg. So hab ich
beim letzten Mal (Notiz zu
Schelchenberg 2018) einen ganz unscheinbaren Swift
aus Coventry vor die Linse bekommen. Ein Meilenstein der
Industriegeschichte und beides klingende Namen: Swift wie
Coventry.
Bristol Blenheim
Ganz zu
schweigen vom Auburn Speedster mit dem Bootsheck, alles andere
als unscheinbar. Und heuer? Der auf Anhieb Unscheinbare gleich
vorweg. Ein Bristol Blenheim. (So hieß übrigens im Zweiten
Weltkrieg auch ein Bomber.) Eine elegante Linie, die sich über
dem Kühler wölbt, aber gesamt kein aufdringliches Design.
Dazu gleich das krassse Gegenstück aus einer anderen Ära.
Der Dodge Challenger R/T von 1971 offenbart schon durch das
Kürzel R/T, daß er auf Krawall aus ist. Road/Track besagt:
Wenn es sein muß, mach ich mir die Straße zur Rennstrecke.
Bescheidenheit ist eben nicht seins Zier.
Dodge Challenger R/T
Der paßt übrigens zum Dodge Charger,
den ich zu einem früheren Termin auch am Schelchenberg gesehen
hab, jüngst hier zum Thema Muscle Cars gezeigt. Jenes
Blatt #90 gibt einen kleinen Überblick, was denn Hot Rods,
Custom Cars etc. seien: [Link]
Also weiter im Kontrast, hier wieder was Dezentes. Ein Vater
bat seinen Sohn aus dem Bild zu gehen, als er mich mit der
Kamera sah. „Rennt nix weg“, meinte ich. „Den
Zweier-Dino kriegt man nur selten zu sehen.“ Darauf meine
der Mann: „Ich hab den überhaupt noch nie gesehen.“ „Ja, er
ist nicht so gefällig wie der rundliche 246er.“
Dino 208 GTB 4
Dafür mit einem Achtzylinder und drei
Liter Hubraum unterfüttert. Der Erste seiner Art im Hause
Ferrari. Man sieht ihm also die Rarität nicht unbedingt an. Auch
der übrigens ohne Ferrari-Logo. Nur Dino. (Dieser von Bertone,
sein Vorgänger von Pininfarina entworfen.)
Ganz anders im
Auftritt das Werk des damals jungen Marcello Gandini, der in
jenen Tagen für Bertone gearbeitet hat. Die Legende zum Namen
glaube ich bis heute nicht. Der Lambo soll nach einem
Dialektwort aus dem Piemont benannt worden sein:
Countach.
Lamborghini Countach 5000
Hören Sie sich italienische Dialekte an! Auch die
Schreibweise bezweifle ich, obwohl ich frei von
Sprachwissenschaftlichen Kompetenzen bin. Das kommt mir so
schwindlig vor wie die Behauptung, der
Chevy Camaro verdanke
sich namentlich dem französischen Wort Camarade: Kamerad.
Ich lach mir einen Ast! Erstens gibt es in der Szene auf
Two Lane Blacktop keine Kameraden, sondern nur
Konkurrenten. Zweitens kann ich mir keine Petrol Heads
vorstellen, die sich aus dem Wortschatz Frankreichs bedienen.
Aber ich schweife ab…
Chevrolet El Camino
Also hier noch was Nützliches. Dieser 1967er El Camino, das
Gegenstück zum Ford Ranchero, hat als Pickup natürlich andere
Maße als etwa der erste VW Caddy oder so manches asiatisches
Gegenstück. Von Schweiß und Schmutz der Arbeit befreit markiert
er ein eigenes Segment in der V8-Szene.
Das Faible für Pickups hat inzwischen
offenbar mächtig ins zivile Leben durchgeschlagen. Es ist eine
recht pampige Pose, etwa mit einem riesigen Dodge Ram durch
Innenstädte zu kurbeln, auch wenn man kein Oberförster,
Baustellenleiter oder Installateur ist. Aber wir
Primaten-Männchen haben eben eine Jahrtausendtradition, unsere
Silhouette vergrößern zu wollen, um Eindruck zu machen.
Funktioniert gewöhnlich… [Fortsetzung]
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Schelchenberg (Übersicht)
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