Blatt #109 | KW
34/2020
Schelchenberg III
Sie sehen ja, ich erzähle
hauptsächlich von einer Formengeschichte, ein wenig mit
Tehnologiegeschichte verwoben. Natürlich schlummert oft eine
Fetisch-Beziehung in solchen Klassiker-Verhältnissen. Also eine
emotionale Beziehung zu toten Gegenständen. Damit ist es eine
soziokulturelle Themenstellung.
Bricklin SV-1
Auf Platz Eins meiner privaten
Sonntagsfavoriten ein Kanadier, den ich als Miniatur schon ewig
in meiner Sammlung hab. Ursprünglich dachte ich, das sei die
Kreation eines Spielzeug-Auto-Designers. Mattel hat jede Menge
so Phantasie-Autos im Sortiment. Dann hab ich ihn in Büchern
entdeckt. Den Bricklin SV-1, der von 1974 bis 1976 gebaut wurde.
Das Safety Vehicle 1 wurde in 2.875 Einheiten gebaut.
Klappscheinwerfer. Flügeltüren. Diverse V8-Motoren mit bis zu
sechs Litern Hubraum. Die schmeißen den Eineinhalbtonner sicher
nett durch die Gegend. Den Namen hat er übrigens vom Unternehmer
Malcolm N. Bricklin. Produziert wurde in Saint John, New
Brunswick (Kanada).
Matra M 530
Ach, wie gerne Leute meckern, wenn
ein Design ungewohnt daherkommt. Und dann wird beklagt, daß rund
um die Welt fast alle Autos gleich aussehen. Gut, in den 1960er
Jahren gab es dieses Problem noch nicht. Aber der Matra M 530
erscheint vielen sehr gewöhnungsbedürftig.
Hach! Als ob
es jeden Tag Bertone und Pininfarina sein müßte. Ich bin froh,
daß ich ihn endlich einmal live vor mir gehabt zu haben. Platz
zwei meiner Favoriten von jenem Sonntag. Sieht von allen Seiten
wirklich interessant aus. Kunststoffkarosserie mit Targa-Dach.
Mittelmotor. Der 1,7-Liter V4 baut naturgemäß etwas kürzer als
die Reihe. So bleibt die ganze Fuhre unter tausend Kilo. Dafür
sind die angekündigten 75 PS nicht übel.
Alfa Romeo Giulietta Sprint
Speciale
Die Nummer drei muß wegen ihrer
Schönheit hier rein. Da spricht man gerne die elendslange
Typenbezeichnung aus: Alfa Romeo Giulietta Sprint Speciale. Der
Wagen hat seine Wurzeln im Rennsport und seine Erscheinung im
Haus Bertone erhalten. Dort war ein Mann bei der Sache, der
schon Abarths, Siatas, Stanguellinis und andere eher flotte
südliche Grazien eingekleidet hatte: Franco Scaglione.
Zu
seinem kompakten Streamliner meinte manch einer: „Too Pretty To
Race!“ Ich zeig hier das fulminante Heck, denn die Nase sehen
Sie eh auf der Startseite dieses kleinen Berichtes. Der
windschlüpfrige Zweisitzer hat übrigens einen Widerstandsbeiwert
von 0,28. Zum Vergleich: eine Kugel hat 0,45, ein stehender
Mensch ca. 0,78.
Triumph GT6
Nummer vier auf meiner Liste der Sonntags-Lieblinge ist ein
Triumph GT6, Version Mark III. Da hat Designer Giovanni
Michelotti zum bewährten Naserl a la Spitfire ein wunderbares
Fließheck gezeichnet.
Das zieht sich über den etwas
antiquierten Hüftschwung runter. Da schimmert also noch der
Roadster durch, aus dem schließlich ein Fastback wurde, Mitte
der 1960er Jahre auf die Räder gestellt. Zwei Liter Hubraum,
verteilt auf sechs Zylinder. Das sieht man der Motorhaube an.
Nasenrücken! Ein Gran Turismo. Sportlicher Zweisitzer mit etwas
Stauraum. Und auf jeden Fall etwas eleganter als der Spitfire
GT4.
Jaguar E-Type 4.2
Kleiner Kategoriensprung zur Nummer fünf. Der Jag ist zwar
größer, aber kaum geräumiger als der Triumph. E-Type, 4,2 Liter
Hubraum, also auch eine Sechszylinder-Version. Ab 1964 in
Produktion. (Endlich mit einem ein voll synchronisierten
Viergang-Schaltgetriebe.) Generell einer der schönsten Roadster,
die je gebaut wurden.
Man braucht freilich die Statur
eines Radrennfahrers, um elegant rein- und rauszukommen. Aber
dann über diese Motorhaube hinweg auf die Welt zu blicken, das
macht sehr viel Vergnügen. Ist freilich nicht überraschend, daß
Malcolm Sayer, von dem das Design stammt, Aerodynamiker war und
aus dem Flugzeugbau kam. Übrigens ein Klassiker nach dem Zweiten
Weltkrieg. Da wechselten viele von der Aviatik zu den Autos.
Sieht in allen Varianten aus allen Blickrichtungen hinreißend
aus. [Fortsetzung]
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