Da ich im vorigen Eintrag
das Motiv des Landsitzes, beziehungsweise des Schlösschens aus einem Film bezogen hab,
wäre nun nachzutragen: Das ist natürlich keineswegs aus der Luft gegriffen. Sowas bietet
auch diese Region in der Oststeiermark.
Fährt man auf einer Nebenstrecke von Gleisdorf nach Weiz, wird man zwischen Farcha und
Regerstätten [Google Maps] dieses Landhaus finden:
Wie alt mag es sein? Nicht sehr alt. Ich hab es selbst seinerzeit schon im Rohbau
gesehen. Das ist bloß einige Jahre her. Was bedeutet, ein wohlhabender Mensch hat sich
hier einen völlig anachronistischen Traum erfüllt.
Lassen wir beiseite zu fragen, wie sinnvoll und angemessen es sei, die Architektur
versunkener Zeiten so kräftig zu zitieren. Reiche Menschen werden sich dabei nichts
zurufen lassen.
Viel wichtiger ist es für uns, zu klären:
+) Worüber läßt sich ein öffentlicher Diskurs herstellen?
+) Worüber läßt sich ein breiter gesellschaftlicher Konsens erreichen?
+) Was sind dabei Aufgaben der Kommunen und der öffentlichen Hand?
+) Was müssen sich Bürgerinnen und Bürger mit einander vornehmen?
Passiert man die Stelle auf dem obigen Foto mit dem Landhaus, sieht man nach wenigen
Metern, wie sich die Weizbergkirche über den Obstgärten erhebt. Dort arbeiten zwei
Männer, die sich mit solchen Fragen befassen.
Der Theologe Fery Berger (rechts), verantwortlich für die "Weizer Pfingstvision" und der
Künstler Walter Kratner (links), zuständig für "Kunst am Weizberg". Berger
spricht in der Sache augenblicklich vor allem die Lebenssituationen alter Menschen an.
"Da braucht es ein Bündel von neuen, kreativen Zugängen, um das menschwürdig zu
lösen." Er faßt es so zusammen: "Die große Frage im Sozialen ist die Frage
nach den Alten."
Kratner spricht einen anderen, sehr interessanten Aspekte an: "Die Mächtigen
reden uns ein, es wäre schon fast pathologisch, über Utopien zu sprechen." Über
die sogenannten Sachzwänge werde dabei noch großer Nachdruck in solchem Sinn erzeugt.
Dabei wäre, ganz im Gegenteil, sehr dringend über soziale Utopien zu reden. Dabei
denkt er besonders an die Architekten, deren Aufgabe etwa darin liege,
Gesellschaftsphänomene zu analysieren, Schlüsse zu ziehen, frei darüber zu nachzudenken.
Zur Architektur sagt Kratner mit Verweis auf klassische Ideale "Sie ist ja die
Königin der Künste". Er meint das als Aufforderung an diese Branche, "sich zu
beleben" und nicht bloß "zum Herstellen von irgendwas" benutzen zu lassen.
Damit sind wir durchaus in der Gasse von Gerald Gigler, dem Leiter des Referates, das
in der Steiermark die Belange der Leader-Regionen betreut. Bei einem Arbeitsgespräch im
Büro von Architekt Peter Lidl hat er diesen Themenkomplex als wichtig betont. (Siehe dazu
den aktuellen Eintrag im
Logbuch von "next code"!)
Übrigens! Fery Berger meinte in unserem Gespräch, bei dieser Sache ginge es auch um
uns selbst, denn in 20 Jahren seien wir die alten Leute. In det Tat! Das ist ja
nicht mehr all zu fern. (Bei mir steht dann "72 Jahre" auf dem Umschlag.)
Das ist wiederum ein Aspekt, den Franz Wolfmayr (rechts), der Präsident des "Dachverbandes der Steirischen
Behindertenhilfe", hier in Gleisdorf schon seit Jahren versucht, öffentlich klar zu
machen. In seinem Umfeld gibt es eine Menge praktische Erfahrungen mit diesen Themen.
Von Wolfmayr stammt die Folgende Feststellung:
Das ist also, wie man es auch dreht und wendet, eine soziokulturelle Aufgabenstellung.
Und wenn, wie Kratner betonte, die Architektur die "Königin der Künste" sei,
dann sollten folglich Menschen mit den verschiedensten Kompetenzen einige gemeinsame
Arbeitsschritte tun.
Es erscheint mir sehr interessant zu klären, ob, und falls ja: wie dabei die
Architektur federführend wirken könnte. Aber vielleicht liegt auch ein ganz anderes
Setup nahe. Hier haben wir einigen Klärungsbedarf vor uns.
Es ist übrigens kein Zufall, daß ich vor zwei Wochen im Eintrag #4 Gropius und das Bauhaus erwähnt habe, seine Intention, eine
umfassende Reformierung aller Künste eben unter Federführung der Architektur
herbeizuführen. Das ist zwar historischer Hintergrund, aber inhaltlich wert, nachzusehen,
was damals gewollt war und gelungen ist.
Damit möchte ich die Relevanz der Verbindung solcher Themen und Vorhaben mit dem
Kunstfeld betonen. Umgekehrt weisen diese Zusammenhänge auch darauf hin, daß
künstlerische Praxis vorzugsweise in verschiedene Lebenswelten hinein zu führen hat.
Damit ist auf das regionale Arbeitsfeld von "kunst O.ST" verwiesen,
auf dem es bereits Ansätze gibt, sich solchen Verknüpfungen zu widmen.