Das Jahr 2008 ist wenige Tage jung, der Ausklang des vorigen
jahres warf mir einige anregende Motive zu. Eigentlich war ich nach Graz aufgebrochen, um
Charlotte Pöchhacker, die Direktorin von "artimage", zu treffen, weil wir
einige Dinge besprechen wollten. Dabei lief ich dem Künstler Christian Eisenberger über
den Weg. Das ist für Augenblicke wie jenen gut:
Krusche: "Du hast ja einige Erfahrung im Bewohnen von
Schachteln."
Eisenberger: "Ich hab noch nie in einer Schachtel gewohnt."
Ich war unpräzis gewesen. Man könnte sowas zum Beispiel eine
"Pappendeckel-Jurte" nennen. [Große
Ansicht] (Foto: Eisenberger)
Randbemerkung: "Jurte" läßt an das "Nomadische" denken, an das
Leben der "Hauslosen", deren Kultur für westlichen Lifestyle gerne geplündert
wird; aber dazu ein anderes Mal, denn das hat nun nichts mit Eisenberger zu tun.
Dieser Mann hat viel Erfahrung damit, sehr private, körperliche "Umfelder"
mit dem "öffentlichen Raum" zu verknüpfen und eines gegen das andere
aufzubrechen. Dadurch entstehen Irritationen, die einem beim Nachdenken über Raumkonzepte
auf die Sprünge zu helfen vermögen. Ich werde daraus noch so manche Anregung im Rahmen
von "next space" aufwerfen.
Ferner: Aus Pöchhackers Bezugssystem habe ich diesen Titel mitgenommen, welchen sie
bei der Architekturbiennale den "Wohnlaboratorien" gegeben hat: "Poesie der
Vielfalt und Mechanismen der Ökonomie".
Das Wechselspiel dieser Kategorien will gründlich betrachtet werden, falls man sich
nicht auf die Seite sozialromantischer Pausennümmerchen schlägt. Nüchtern ausgedrückt:
Wie verhalten sich Sach- und Machtpromotoren zu einander? Wo wird verhandelt, was zu
klären ist? Wer redet dabei mit und was ist mit jenen, die nicht gehört werden? Was wird
von jenen verfügt, denen die Vergabe von Geldern obliegt?
Genau! Was hat denn das nun mit Kunst zu tun? Und was wiederum diese mit
Architektur? Und was schert das etwa einen Gemeinderat?
Halt! Genau! Da wäre das dümmliche Klischee:
a) Die da oben richten es sich eh, plus
b) Was kann unsereins da schon ausrichten?
Dem gegenüber steht das Mühsame:
a) Sich kundig machen.
b) Seine Gründe nennen können.
c) In öffentliche Diskurse einsteigen.
Aber das ist eben anstrengender, als die Lufthoheit über einem Stammtisch zu
verteidigen, wo es --- eben! -- letztlich nur um heiße Luft geht.
Also, etwas präziser: Die Kunst, die Architektur und das Gemeinwesen.
DAS ist ein interessantes Bedeutungsgefüge.
Es sind ganz schlichte Momente, sich damit einzulassen. Dieser Auftakt ist leicht.
Ähnlich der Befassung mit Philosophie. Denn wie, genauer: WOMIT beginnt alle Philosophie?
Mit Zweierlei:
Mit dem Staunen und mit dem Fragen.
Architekt Peter Lidl, einer der Berater im Umfeld des
Internationalen Pilotwettbewerbes für zeitgenössische Wohnarchitektur [info], tut das selbst laufend: staunen und fragen.
Aber diesmal stand er mir mit Antworten zur Verfügung. Weil mir an einer knappen Skizze
lag, wie sich "das mit der Architektur" für Laien knapp darstelle ließe. Die
Skizze, die mir Lidl gab, sieht so aus:
a) Der BAUHERR
Er muß den Kostenrahmen klären, also was an Geld verfügbar ist, und wie er sich mit dem
Bau nach außen darstellen möchte.
b) Die NUTZER
Sie müssen herausfinden, ob die Raumkonfiguration für eine optimale Nutzung paßt und
wie es mit der Wirtschaftlichkeit aussieht, nämlich mit der Frage: Kann ich mir den
Betrieb, also vor allem: die Betriebskosten leisten?
c) Der ARCHITEKT
Hat den Job, das Raumangebot zu gestalten, wie sie nach außen geöffnet und nach innen
geschlossen sein sollen, um so den Vorgaben des Bauherrn und den Bedürfnissen der Nutzer
entgegen zu kommen.
Das ist freilich eine sehr verkürzte Darstellung, die als Anregung dienen
soll, worauf sich Debatten stützen könnten, respektive von welchen Überlegungen
auszugehen sei. Denn wie und womit öffentlicher Raum gestaltet wird, wirkt auf unser
aller Leben ein und wird außerdem teils auf Kosten des Gemeinwesens realisiert.
Da müßten auch Laien etwas mehr einzubringen haben als das billige:
"Gefällt mir./Gefällt mir nicht."
Das wäre dann freilich auch bei der Gestaltung von Innenräumen
klärungsbedürftig. (Siehe zum Stichwort "Tapeten-Terror" den aktuellen Eintrag im
Projekt-Logbuch von "next code"!)
Wo war ich?
Architektur und Kunst. Warum erscheint das so oft in Verbindung? In der griechischen
Antike zählte die Architektur zu den Freien Künsten. Diese Verbindung ist über alle
Jahrhunderte nicht zerrissen. Ich gebe dafür ein visuelles Beispiel, das diesen
Zusammenhang wohl nicht ausleuchtet, aber mindestens anschaulich symbolisiert.
Vitruvius, der im ersten vorchristlichen Jahrhundert gelebt hat, gilt als der erste
Architektur-Theoretiker des Abendlandes. (Es ist von ihm ein zehnbändiges Fachwerk
erhalten, das einzige aus der Antike überlieferte Theoriewerk.)
Eine Arbeit Vitruvs ist höchstwahrscheinlich auch den Laien sehr vertraut, hat
überdies Eingang in die gegenwärtige Werbe-Ikonographie gefunden. |
[Große Ansicht]
(Foto: Luc Viatour) |
Ich denke, die Popularität dieses Motivs verdankt sich vor
allem zwei bahnbrechenden Persönlichkeiten der westlichen Kunstgeschichte. Sie haben den
"Vitruv-Mann" aufgegriffen und bearbeitet. Einerseits Leonardo (oben rechts),
andrerseits Dürer.
Näher zur
Gegenwart: Anfang des 20. Jahrhunderts gab es intensive Wechselwirkungen zwischen
Architektur, Kunsthandwerk und Kunst. Davon sind einige Städte Europas heute noch markant
geprägt. Eine der prägnantesten Persönlichkeiten dieses Geschehens war Walter
Gropius, der den Begriff "Neues Bauen" geprägt hat, der überdies im Rahmen des
"Bauhaus" eine umfassende Reformierung aller Künste unter Federführung der
Architektur intendiert hatte.
Eine atemberaubende Entwicklung, die in unserem Lebensraum durch die Nazi-Barbaren und
deren Gefolgschaft abgebrochen wurde. |
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Was ich hier, stark verkürzt, deutlich machen möchte: Es
hat eine Tradition über Jahrhunderte, daß Kunstschaffende und Leute aus der Architektur
mit einander Allianzen bilden und Diskurse führen. Das war einst wesentlich den Zentren,
den Metropolen vorbehalten.
Aber wie wir bei "next code: flow"
behauptet haben: "Provinz war gestern!" Es ist längst keine Domäne der Zentren
mehr, solche Themen zu bearbeiten.