"Neue Wohnformen"
(Gleisdorf strebt Vorreiterrolle an)
Von Martin Krusche
Im forumKLOSTER hat eben ein bemerkenswerter und anstrengender Durchgang
von Jury-Arbeit stattgefunden. Es galt, 68 Beiträge eines Architekturwettbewerbes für
ein großes Vorhaben zu bewerten. Unter dem Stichwort Generationenwohnen
läuft zur Zeit ein zukunftsweisender Prozeß in der Stadt. Das Vorhaben sorgt europaweit
für Interesse. Die Stadt Gleisdorf hat sich als attraktivster Standort in der Steiermark
durchsetzen können. Auch gegenüber Graz. Es ist ein Internationaler
Pilotwettbewerb für zeitgenössische Wohnarchitektur.
Dabei geht es um zeitgemäße Wohnformen. Denn unsere Lebensbedingungen haben sich
innerhalb des 20. Jahrhunderts stärker und weitreichender verändert als in Jahrhunderten
davor. Aber unsere Vorstellungen, wie man wohnen möchte, sind oft noch von veralteten
Bildern geprägt. Verkürzt könnte man sagen: Es gibt im ganzen Land nicht genug
Grundflächen, um all jene Häuschen mit Garten unterzubringen, von denen in Österreich
geträumt wird. Außerdem werden die Menschen älter als je zuvor und das Zusammenleben
mehrerer Generationen unter einem Dach findet nur mehr ausnahmsweise statt.
Hinzu kommt, daß Städte polyzentrisch geworden sind, sich also nicht
mehr, wie im Mittelalter, alles um ein einzelnes Stadtzentrum schart. Es haben sich bei
kleinen wie ganz großen Städten jeweils mehrere Zentren herauskristallisiert, die sich
oft in einem gegenseitigen Wettbewerb um Aufmerksamkeit und wirtschaftlichen Erfolg
befinden.
Hinzu kommt, daß hierzulande fast 90 Prozent der alten Menschen ihren Lebensabend an
ihren vertrauten Plätzen verbringen und verbringen möchten. Das Abwandern in
Altersheime macht dem gegenüber nur einen Bruchteil aus. Andrerseits sind junge Familien
mit Anforderungen konfrontiert, für die wir teilweise noch keine verläßlichen Lösungen
haben. Und überhaupt ist ja Familie nicht mehr das, was es vor 50, 60 Jahren
meist noch war. Ob es einem gefällt oder nicht, da ist die Gesellschaft gefordert, neue
Lösungen für das Zusammenleben zu finden.
Landesrat Johann Seitinger hat dies bei einem Besuch in Gleisdorf einmal so
zusammengefaßt: Erhöhte Lebenserwartungen, sinkenden Geburten- und steigenden
Scheidungsraten sowie ein völlig verändertes Wohnverhalten verlangen, daß die Politik
reagiert. Deshalb beschäftigt ihn ein Steirisches Manifest zum Wohnen des 21.
Jahrhunderts, das Grundlage zeitgemäßer Weichenstellungen sein soll.
Es gab eine europaweite Ausschreibung, ab 2008 soll gebaut werden. Bürgermeister
Christoph Stark wünscht sich, daß eine flexible und qualitätsvolle
Architektur für das Zusammenleben verschiedener Generationen aus
verschiedenen sozialen Milieus möglich werden soll. Nahversorgung und Nachbarschaftshilfe
sind dabei im Blickfeld. Die räumliche Nähe zum alten Zentrum Gleisdorfs
betont die Wertschätzung dieses Bereiches der Stadt. Man könne, so Stark, vom Standort
Rathausgasse aus mit fünf Minuten Fußweg alle wichtigen Stellen der Stadt erreichen, die
zur Alltagsbewältigung Bedeutung haben.