log #605: Kunstsymposion

Wegmarke

Mein voriger Eintrag blieb nicht ohne Einwände. Dissens kann eine nützliche Erfahrung sein. Ich denke, es besteht Klärungsbedarf. Auch in der Provinz kann Kulturpolitik nicht das beliebige Verwalten einer wohlfeilen Manövriermasse sein. Heute ist zu markieren: 2017/2018.

Was das bedeutet? Da ist ein Hintergrund, ein Bogen von 2007 bis 2017. Da ist ferner der Vorabend von 2018, an dem jetzt schon auf 1918 zurückzublicken wäre. Unser 2017er Kunstsymposion zeigt sich mit einer Reihe von Zeitfenstern verknüpft, die für uns inhaltlich einige Koordinatensysteme ergeben.

Sieht man dabei die Jubiläumsdaten von 2017 durch, entsteht ein eher freundliches Bild, zumindest in der gegebenen Gewichtung, wie ich sie heuer rund um Mythos Puch IV vorgenommen hab; siehe: [link]

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Balkon SPLITTERWERK

Daß ich jetzt auch schon an das kommende Jahr denke, hat mit dem besonderen Gewicht der 18 zu tun. Anno 1918 endete der Große Krieg und Österreich stand nicht am, sondern im Abgrund. Der selbstgewählte Ausgang aus diesem Abgrund führte kurz darauf in den Nazi-Faschismus, brachte den Holocaust in die Welt.

1918/2018 wirft einige Fragen danach auf, wo wir gerade stehen und welchen Ausgang wir wählen wollen, da wir zwar Abgründe sehen kennen, aber noch nicht akut in Sturzgefahr sind. Der Krieg hat generell sein Antlitz verändert, zeigt sich abschnittweise als wirtschaftliches Kräftespiel, andrerseits als Mosaik von Terroranschlägen. Neben regulären Truppen sind wieder verstärkt Freischaren unterwegs, außerdem eine neue Guerilla, die sich als muslimisch dekorierte Weltuntergangs-Sekte zeigt.

So oder so, wir haben es letztlich mit wohlvertrauten Spielarten der Gewalt aus einer vorherrschenden Männerkultur zu tun. Nichts an den mörderischen Dschihadis oder an den rufmordenden Vaterländischen wäre mir fremd, ungewohnt, überraschend neu.

Darauf sollten wir vor allem mit kulturellen Mitteln antworten können. Auf andere Gewaltphänomene werden wir ökonomisch antworten müssen, denn ohne das stete Durchsetzen von Verteilungsgrechtigkeit, weltweit, dürften die Wellen Flüchtender nicht zu verringern sein.

Die Globalisierungs-Verlierer drängen nach Europa. All das führt zu markanten Reaktionen, die unsere gewohnten Vorstellungen von Demokratie und Freiheit unterlaufen. Dabei scheint der Boulevard zu regieren, zunehmend auch in etablierter Politik. Vox populi ertönt in verblüffenden Chorälen.

Ich bin gegen jeden Alarmismus, ziehe eine Haltung vor, über die sich Konzentration und Selbstbewußtsein ausdrücken läßt. Unsere Demokratie braucht streitbare Menschen. Die Kunst ist allerdings nicht dazu da, hier als Feuerwehr oder Reparatureinheit zu fungieren, Sozialarbeit zu "veredeln". Aber die Kultur- und Wissensarbeit legt nahe, in diesen Fragen aktiv zu sein.

the long distance howl | koexistenz 2017
das 2017er kunstsymposion
Artist Is Obsolete

So die Themenstellung des 2017er Kunstsymposions. Dazu zählt bezüglich der Orientierung für unsere Jahrestätigkeit die Überschrift "Koexistenz 2017". Hier die diesbezüglichen Details der Konzeption: [link]

Was an all dem ein Jahrzehnt in unserer Arbeit ausmacht, wurzelt in den damaligen Vorbereitungen zur "regionale 08", als wir im Jahr 2007 "Next Code: Divan" auf die Schiene brachten: [link]

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Es war damals das erste Nachfolgeprojekt des eben erst abgeschafften Veranstaltungstypus "Landesausstellung". Die "regionale 08" war explizit der Gegenwartskunst gewidmet. Gleisdorf ist ursprünglich nicht dabei gewesen, aber durch unser Projekt ins Boot gekommen. Siehe die damals wegen unseres Projektes neu aufgelegte Karte: [link]

Wie amüsant, daß ich rund um diese Ereignisse bei Gesprächen mit den Offiziellen in der Region bezüglich der PR-Arbeit zu fragen hatte: "Mehr Styling oder mehr Inhalt?" Siehe: [Quelle] Es scheint, als müßten wir genau das neu debattieren.

Also 2007, vor zehn Jahren, da ich ein Gespräch mit dem bosnischen Autor Dzevad Karahasan geführt habe. Es erscheint mir lohnend, diese Notiz neu zu lesen:
+) Die Kunst schützt uns vor Gleichgültigkeit
    Die Kunst schützt uns vor Gleichgültigkeit, der Mensch aber lebt, solange
    er nicht gleichgültig ist.
[link]

Zugleich war 2006/2007 jene Phase unserer Arbeit, in der sich Gleisdorfs damaliger Kulturamtsleiter Winfried Kuckenberger auf eine experimentelle Zusammenarbeit mit uns eingelassen hat, was Bürgermeister Christoph Stark mittrug:
+) Thema Gegenwartskunst
    (Der „steirische herbst“ in der Oststeiermark)
    Die Stadt Gleisdorf setzt heuer auf das Schwerpunktthema „Liebe“ und
    eine Kooperation mit dem „steirischen herbst“
[link]

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Diese Entwicklung war damals der Anlaß, solchen Schritten in Sachen avancierter Gegenwartskunst einen regionalen Rahmen zu geben, bei dem Kunstschaffende aus der Oststeiermark thematisch andocken können, auch wenn ihre Arbeit im Kernbereich des Festivals steirischer herbst keiner Kuratoriumsdebatte standgehalten hätten.

Es ging mir dabei um eine komplementäre und nicht-hiearchische Anordnung verschiedener Felder im kulturellen Leben der Region, was freilich vorausgesetzt hätte, daß wir unterschiedliche Genres auch adäquat benennen dürfen, wie eben ein Tisch kein Sessel ist und ein Fenster keine Tür.

Ich hatte das mit Kuckenberger debattiert. Die Voluntary Arts [link] konnten natürlich nicht nach Belieben in unser herbst-Projekt eingestreut werden. Das wäre weder konzeptionell gegangen, noch hätte es die Vertragslage mit dem Festival zugelassen, weil deren Kuratorium sich natürlich vorbehält, welche Genres unter dieser Marke zum Zug kommen; dafür müßte sich die Hobby-Liga auf sehr gute konzeptionelle Gründe berufen können, was damals nicht vorkam; auch bei weiteren unserer herbst-Projekte nicht.

Das Jahrzehnt, von dessen Abrundung ich heuer rede, hat also ein sehr konkretes 2007er Datum, zu dem in Gleisdorf eine kulturpolitische Modusänderung stattfand, die übrigens der Kuckenberger-Nachfolger Gerwald Hierzi inzwischen gründlich revidiert hat.

Es ist der Beginn einer Serie von basisorientierten Arbeitsgesprächen, die schließlich in die frühere Form des Kulturpakt Gleisdorf [link] mündeten. Derlei Plenartreffen der Kreativen sind nun seit Jahren abgeschafft, wurden aber auch von der regionalen Basis an Kulturschaffenden nicht neu eingeführt. Das war die 2007er Initialveranstaltung:
+) Informationsabend, 6. März, ab 18.00 Uhr
    Kirchtavern, Hauptplatz 3, Gleisdorf [link]

-- [Howl: Wegmarke] [2017er Kunstsymposion] --


coreresethome
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