log #574: der 2017er

Altes Handwerk I
Wenn uns diverse Kulturabteilungen heute das Thema „Altes Handwerk" anbieten, blühen meist folkloristische Inszenierungen. Da dominiert, was von Schmutz an den Händen und von Schweißgeruch gründlich befreit wurde.

Korbflechten, Töpfern, Herrgottschnitzereien, vielleicht ein leibhaftiger Schuster, wir blicken verträumt auf erhaltene Handfertigkeit, die überwiegend mit einer versunkenen agrarischen Welt assoziiert wird. Solche bildungsbürgerliche Beschaulichkeit übergeht leider völlig so manches, was seit dem 19. Jahrhundert unsere Welt verändert hat.

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Nach der Verbreitung von Dampfmaschinen als ganzjährig verfügbare, ortsunabhängige Kraftquellen vollzog sich eine Zweite Industrielle Revolution, die innerhalb unserer aktuellen Biographien in eine Dritte überging, die Digitale Revolution.

Diese nächste Industrialisierung führte zu besser bezahlten Jobs als jene in der bäuerlichen Welt. Also wuchs der Bedarf, es wuchs auch die Kaufkraft für neue Produkte wie Dienstleistungen. In diesem Wechselspiel kristallisierten sich jene Handwerkswelten heraus, deren Verschwinden heute teilweise beklagt wird, deren Bestand sich auf dem Weg in eine Vierte Industrielle Revolution gegen jüngste Automatisierungsschritte durchsetzen müßte.

Dazu kommen soziale Problemlagen, wegen derer an vielen Orten die Kaufkraft fehlt, um das zu ordern, was man schätzen würde, sich aber nicht leisten kann. Die aktuellen Umbrüche irritieren. Die Rückblicke zeigen sich teils verschleiert, teils romantisch verbrämt. Berufe verschwinden. Das ist keine neue Erfahrung.

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Wissen geht sehr schnell verloren. Altes Wissen ist teilweise noch durch erfahrene Menschen präsent, aber vielfach nicht dokumentiert. Zu all dem kommen häufige Unklarheiten, wo verschiedene Deutungseliten mit den Begriffen schludern, mit den Bildern schlampig umgehen. Bei den Fragen, was denn nun Handwerk sei, und da speziell „Altes Handwerk", schlagen manchmal Interferenzen aus der Abteilung für Romantik und Folklore durch.

Die Unschärfen vertiefen sich ferner an Stellen, wo beharrlich ignoriert wird, daß man eine Volkskultur in der technischen Welt beschreiben kann, die mit den Dampfmaschinen einher kam, also wenigstens seit dem Ende des 18. Jahrhunderts interessante Ausdrucksformen hat. (Die technischen Verbesserungen von James Watt wurden 1769 patentiert.) Siehe dazu auch: [link]

Das sind einiger der Gründe, weshalb wir mit Blick auf 2017 Fragen der Sozialgeschichte und Fragen der Gegenwartskunst verknüpfen. Mit Wissenschafter Hermann Maurer bin ich dabei im Moment auf das Verhältnis „Mensch und Maschine" konzentriert. Mit Künstler Niki Passath und der Technikern Mirjana Peitler-Selakov geht es um nächste Überlegungen zu Passaths Arbeitsansatz „Artist is Obsolete".

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Niki Passath

Seine Interesse an einem „techno-organischen Sein" haben wir in diesem Zusammenhang vor rund einem Jahr schon einmal berührt: [link] Dem folgte heuer eine erste Session zur Frage "Funktionale Sicherheit in der Kunst?" Das hat Bezüge zum Themenbereich Functional Safety in der Industrie, derzeit ein Berufsfeld von Ingenieurin Peitler-Selakov. Siehe: [link]

Es gibt für uns gute Gründe, die Übergänge von altem Handwerk zu diversen Formen der Industriearbeit näher zu betrachten. Aus dieser Betrachtung wollen wir Klarheiten gewinnen, was uns das Zugehen auf die Vierte Industrielle Revolution einbringt und abverlangt. Das legt auch die Themenstellung "Mensch und Maschine" nahe... [Fortsetzung]

-- [Der 2017er: Altes Handwerk] --


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