log #496: mythos puchHandwerk und
Volkskultur in der technischen Welt
Wir staunen über die
Tatsache, daß heute unter Volkskultur allgemein nur fein kodifizierte Phänomene
verstanden werden, die erstens historisch der agrarischen Welt zugerechnet werden
und zweitens mit einem "Reinheitsgebot" befrachtet sind, das eine
angeblich "echte" Volkskultur gegen geringer bewertete "volkstümliche"
Kultur abgrenzt.
Eine Kategorisierung, die gewiß nicht vom
"Volk", also von breiten Bevölkerungskreisen ausgegangen ist. Nun spricht zwar
nichts gegen diese gut beschriebenen Kategorien, doch sie sind bloß ein Teil dessen,
worauf sich Bereiche des Volkes in ihrer Freizeit kulturell einlassen.
Die
Altmeister Manfred Haslinger (links) und Fredi Thaler
Uns interessiert ein spezielles Genre, das die
Volkskunde schon rund ein halbes Jahrhundert konsequent begleitet, das aber in
öffentlicher Wahrnehmung nur selten als zeitgemäßer Ausdruck einer Volkskultur gedeutet
wird.
Aus der agrarischen Welt heraus fanden
Menschen mit handwerklichem Geschick neue Einkommensmöglichkeiten, wo einzelne Bereiche
des Landes industrialisiert wurden. Das trifft auf die Oststeiermark, und da auf die
Region zwischen Gleisdorf und Weiz, in speziellem Maße zu. Aus einem Armenhaus der
Monarchie wurde eine blühende Region, die heute fast Vollbeschäftigung genießt.
Genau das repräsentiert auch der
Veranstaltungsort des Round Table, Albersdorf- Prebuch. Eine vormals rein agrarische
Gemeinde hat eine Industriezone erhalten und hat in ihrer Gesamtentwicklung einige Momente
urbanen Lebens etabliert.
Daß die Industrialisierung in Europa aus dem
19. Jahrhundert heraus selbstverständlich auch volkskulturelle Ausdrucksformen in der
technischen Welt hervorgebracht hat und nicht bloß in der agrarischen Welt verblieben
ist, sollte kaum überraschen.
In der Gegenwart zeigt sich das zum Beispiel
über eine vielfältige und enorm aktive Sammler- und Schrauberszene dieser Region, die
sich mit dem Restaurieren, dem Modifizieren und generell mit dem Erhalt historischer
Fahrzeuge befaßt.
Ein 1915er Ford Model T beim Treffen
in Schloß Stadl (St. Ruprecht)
Dieses Milieu zeigt uns ein Spektrum, das
reicht von Liebhabern wertvoller Vorkriegsfahrzeuge, die auf höchste Originaltreue
setzen, bis zu jüngeren Leuten einer Youngtimer-Szene, deren Intentionen sich
auf "alles rund um alte kultige Fahrzeuge die das Strassenbild verschönern und
unser Herz erwärmen" (Quelle: Alltagsklassiker) beziehen.
Hier wird einerseits altes Wissen,
das teils nirgends dokumentiert ist, bewahrt und angewendet. Hier wird andrerseits Populärkultur
generiert und genossen.
Was wir im Austausch mit dieser heterogenen
Szene erleben, hat alle Seiten eines anspruchsvollen kulturellen Lebens und repräsentiert
definitiv auch alle sozialen Schichten des regionalen Gemeinwesens.
Es zeigt sich als ein Feld der
Traditionspflege ebenso wie als Rahmen für kühne individuelle Schritte, die von
traditioneller Seite keinesfalls immer Zustimmung erfahren. Im Zentrum dieser Art
Volkskultur stehen Handfertigkeit und Emotionen.
In der Inszenierung der Objekte und in der
Selbstdarstellung handelnder Personen läßt sich jener Variantenreichtum finden, den wir
aus städtischen Räumen kennen, wo einst der Begriff "Hochkultur"
Grenzen zum Populären ziehen sollte. Vielfalt ist hier sekbstverständlich und wird in
der Szene akzeptiert.
Franz Tantscher (links) und Roman
Hold
Der alte Werkmeister von ehemals Puch
bestaunt die gediegene Arbeit des jungen Mechanikers, der einen radikalen Chopper
gebaut hat. Was zählt, sind Einfallsreichtum, Gestaltumngskraft und die Qualität der
Handefertigkeit.
Wir sehen aus unserer Kulturarbeit der letzten
Jahre auch interessante Querverbindungen zu den Bereichen von Industriedesign,
Kunsthandwerk und Kunst. Also finden Sie mit uns am Round Table auch den Forscher der
Fahrrad-Historie neben dem Techniker aus dem Elektronikbereich, den Unternehmer, der
selbst an seinem Klassiker schraubt, neben dem Kulturwissenschafter.
Wir beginnen ihm Rahmen dieses Kunstsymposiums
und in dessen Teilbereich "Mythos Puch" nun einmal zu erheben, welche
Fragestellungen uns über verschiedene Genregrenzen gemeinsam längerfristig interessieren
können.
-- [Die Veranstaltung] [Generaldokumentation] -
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