log #575: der 2017er

Altes Handwerk II
[Vorlauf] Romantik und Folklore. Mensch und Maschine. Kunst und Kultur. Wir haben einige gute Gründe, die Kompetenzen aus Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft zu verknüpfen.

In der Entfaltung einer Ersten Industriellen Revolution und deren Übergänge in die nächste Entwicklungsphase (Automatisierung, Serienproduktionen) spielten handwerkliche Kompetenzen und Tugenden immer tragende Rollen.

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Maria Walcher

Daß ich nun weiß, wie sehr und worin genau diese Aspekte bis in die Gegenwart reichen, verdanke ich der Lektüre einer Unesco-Studie, die eben als Buch publiziert wurde: „Traditionelles Handwerk als immaterielles Kulturerbe und Wirtschaftsfaktor in Österreich". Von dieser Studie erfuhr ich erstmals letzten Sommer, als Volkskundlerin Maria Walcher sie in einem Vortrag erläuterte: [link]

Die Studie stützt sich auf eine Untersuchung des Zeitraumes von 1950 bis 2015. In meinen Kindertagen war ein fahrrad noch ein Wertgegenstand. Es wurde eine Modernisierung der Landwirtschaft realisiert. Es kam zu einer Volksmotiorisierung. Der Personal Computer infiltrierte annähernd alle Haushalte. Das Smartphone meines Sohnes hat wesentlich mehr Rechenkapazität als die erste Mondlandefähre. Wir gehen gerade auf ein Internet der Dinge zu.

Was ist in diesen Prozessen nun das Alte Handwerk? Was möge erhalten bleiben und was haben wir schon verloren? Wie möchten wir unsere menschliche Koexistenz mit den neuen Maschinenystemen gestalten? Wie klären wir all das an der Schwelle zum Ende der Massenbeschäftigung?

Daß ich bezüglich Handwerk vorhin ausdrücklich von Kompetenzen und Tugenden schrieb, ist kein Zufall. Wir betonen in unserer regionalen Wissens- und Kulturarbeit seit einigen Jahren „Die Ehre des Handwerks". Als ich 2015 im Rahmen von Mythos Puch II zu einem Round Table lud, debattierten wir in kontrastreicher Runde „Handwerk und Volkskultur in der technischen Welt": [link]

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Dabei konnten wir damals keinen Konsens finden, wie Handwerk von Industriearbeit einigermaßen klar abzugrenzen sei. Diese Unschärfe ergab sich aus den Begegnungen mit alten „Hacklern", die in Industriebetrieben wie dem Grazer Puchwerk ihr Brot verdient hatten, aber zugleich viele Qualitäten zeigen, die wir mit altem Handwerk assoziieren. Was ist nun was?

Gerade in diesen Begegnungen war deutlich geworden, daß dabei auch Ethos eine wichtige Rolle spielt, deshalb die Betonung von Kompetenzen und Tugenden. Nun aber, rund ein Jahr später, haben wir durch die Studie von Heidrun Bichler-Ripfel, Roman Sandgruber und Maria Walcher präzise Kriterien zur Verfügung, um klarzustellen, was damals unscharf bleiben mußte.

Das bedeutet auch, die Studie hilft uns zu klären, worüber wir überhaupt reden; und zwar für jene Situation, von der wir derzeit ausgehen, um Beiträge zu den umfassenden Umbrüchen zu erarbeiten, wobei wir übrigens die Gegenwartskunst einbeziehen.

Erzherzog Johann war der Ansicht, stillstehen und zurückbleiben sei einerlei. Er engagierte sich für einen Modus der Weitergabe von Wissen, in dem Erleben und Lernen eng verknüpft sind. Heute würden wir vielleicht sagen: Aktion und Reflexion beinander halten. Der „Steirische Prinz" steht exemplarisch für die Erfahrung, daß man einen Lebensraum aus der Rückständigkeit herausführen kann, indem man Menschen intensiv unterstützt, die Adaptionsphasen beim Auftauchen neuer Technologien zügig zu bewältigen.

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Erzherzog Johann (Medaillon im Besitz von Hermann Maurer)

Wir sind erneut in gravierende Veränderungsschübe geraten, durch die sich vor allem die Berufswelt radikal verändert. Ich war ziemlich überrascht, wie diese Studie in der Untersuchung, was also nun Handwerk sei und ausmache, eine Menge von Anregungen, Denkanstößen liefert, was wir brauchen, um den aktuellen Umbrüchen gewachsen dazu sein. Dazu später mehr…

Auf dem Weg zum 2017er Kunstsymposion [link] präzisiere ich gerade mit dem Wissenschafter Hermann Maurer (TU Graz) einen Arbeitsschwerpunkt, über den wir glichermaßen Blicke in die Vergangenheit und die Zukunft tun wollen. Das läuft unter dem Titel "Mensch und Maachine"; siehe dazu: [link]

-- [Der 2017er: Altes Handwerk] --

Roman Sandgruber; Heidrun Bichler-Ripfel; Maria Walcher
Traditionelles Handwerk als immaterielles Kulturerbe und Wirtschaftsfaktor in Österreich
Studie der Österreichischen UNESCO-Kommission im Auftrag des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft
2017, Facultas, 216 Seiten, ISBN: 978-3-7089-1470-1
[Das Buch]


coreresethome
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