log #174: next code Ich hab im vorigen Eintrag
ein Gespräch mit dem Philosophen Erwin Fiala in einem Winkel am Rande des Stadtzentrums
erwähnt. Wendet man aus dieser Position den Blick nach rechts, sieht man den ruhigsten
Teil der Bürgergasse hinunter. An deren Ende steht die Marienkirche, neben der sich das
Bezirksgericht befindet.
Der Saum des Sonneschirmes, rechts oben
sichtbar, gehört zu jenem kleinen Laden, wo ich gelegentlich gerne auf ein Dürüm
vorbeischaue. Ich nenne Leute, die an solchen Orten ökonomisch Boden sichern, gerne "Avantgarden
des Blühens". (Siehe dazu: "Markante Positionen"
im Rahmen von "area8020_revisited"!)
Es ist oft so, daß in einem Stadtteil
einheimische Geschäftsleute am Ende sind, die Orte an Lebendigkeit und Marktwert rasant
verlieren. Dadurch gehen die Preise in den Keller, weshalb Immigranten eine Chance finden,
dort ihre Geschäfte aufzumachen.
Das sind sehr oft Menschen mit einem Fleiß
und einer Belastbarkeit, welche "unsere Leute" eher meiden. So geht es bei denen
sieben Tage die Woche, wofür sich diese "Ausländer" oft auch noch
Demütigungen gefallen lassen müssen.
Das meine ich mit "Avantgarden des
Blühens". Durch außergewöhnliche Anstrengungen, die mitunter nicht gerade von
meinen Landsleuten kommen, werden "entwertete Stadtteile" schließlich wieder
aufgewertet und gewinnen so schließlich Attraktivität für Investoren und
"bessergestellte Geschäftsleute".
Solche Entwicklungen eines vorerst
ökonomischen Niederganges einst florierende Viertel oder Straßenzüge geben auch oft der
Kunst Chancen, über preiswerte Leerflächen im Ort neue Positionen zu erringen. (Siehe
dazu aktuell: Bernhard Kobers "Weißes Rauschen"!)
Die Galerie "einraum"
markiert augenblicklich die westlichste Stelle jenes "L für die kunst", das
wir längerfristig bespielen wollen. Die oben beschriebene Passage bis hin zur
Marienkirche schließt quasi "hinter" dieser Position an, verläuft gegen
Westen, statstauswärts zu.
Die aktuelle "Schokoladenkonferenz"
im "einraum" ist übrigens einem Vorhaben gewidmet, das die Renovierung
der Marienkirche ermöglichen soll, was rund eine halbe Million Euro verlangen dürfte.
Eine Angelegenheit, mit der ich als "Randfigur" auch befaßt bin.
Was mag mich, der ich ein
"praktizierender Heide" bin, bewegen, zu einem lokalen Projekt beizutragen, das
dem Erhalt einer Kirche gewidmet ist?
Diese Gleisdorfer Filialkirche war für einige
Jahrhunderte ein überregionaler Wallfahrtsort. Dazu gehörten zweitweise ein
Bürgerspital, ein lateinisches Gymnasium, ein Piaristenkloster, auch eine Bibliothek. Das
war also ein wichtiger Ort des spirituellen, kulturellen und sozialen Lebens.
Es sind genau solche Strukturen, wie auch
immer man zur Institution stehen mag, der sie angehören, dank derer Leuten meiner
Herkunft Zugänge zur Bildung und zur Kunst möglich wurden. Zum Gefüge meiner Motive
gehört auch das Bedürfnis, in einem anregenden geistigen Klima leben zu können. Ich
habe in meinem privaten Logbuch grade erwähnt, daß ich unter gebildeten Konservativen
meist interessantere Gegenüber finde als unter so manchen großspurigen
"Nonkonformisten": [link]
Denn da darf ich ein Verständnis größerer
Zusammenhänge voraussetzen, auch eine Kenntnis jener Kräftespiele, durch welche
Entwicklungen des kulturellen Geschehens in diese oder jene Richtung gelenkt werden.
Es liegen kulturpolitische Denkanstöße
darin, wenn einem auffällt, daß ein vormals geistiges und soziales Zentrum der Stadt
heute vom Verfall bedroht ist und das Ende einer deklassierten Gasse markiert.
Damit meine ich unter anderem, es setzt eine
wenigstens kursorische Kenntnis unserer Sozial- und Kulturgeschichte voraus, wenn
fruchtbare Beiträge zu einer positiven kulturellen Entwicklung in der Stadt und in der
Region entstehen sollen. Die GEGENWARTSKUNST bedarf solcher Umgebungsbedingungen, sonst
hat sie kein lokales oder regionales Bezugssystem, um sich längerfristig entfalten zu
können.
Das sind folglich keine
"Solisten-Geschäfte". Wenn ich individuell (als Küsntler und Bürger) auf
diesem Feld bestehen möchte, brauche dabei auch inspirierte Gegenüber, die
weltanschaulich/politisch keineswegs in "meinem Lager" zu stehen brauchen.
Ganz im Gegenteil! Erst im Kontrast können
sich meine Ansichten bewähren. Was ich mir bloß selbst zu beweisen hätte, wäre immer
die schwächere Währung im Werden einer zeitgemäßen Demokratie, deren Basis eine
plurale Gesellschaft sein MUSS.
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