5. August 2009 Bürgerkäfig?
Da denkt sich vermutlich kaum wer was. Aber ich hab extra umgedreht, nachdem dieser Wagen
im Halbdunkel an mir vorbeigeschimmert war. Ich bekomme heute wesentlich öfter ein
Bertone-Coupé von Alfa zu sehen als eine ältere Alfetta.
Klarheit der 1970er-Jahre. Ebenfalls Bertone. Leider in der
Hardware eine Grammel, darum gibt's nicht mehr viele. (Die werte Verwandtschaft im
Sport-Dress, den GTV6, hab ich vor einem Weilchen beim Gleisdorfer Freibad erwischt: [link])
Cut!
Hab ich es schon erwähnt? Hier im Jenseits des
Landeszentrums, die Leute sagen gerne "Provinz", aber das mißfällt mir, finde
ich unter gebildeten Konservativen meist interessantere Gegenüber als unter so manchen
großspurigen "Nonkonformisten", die sich ihre Leben in einer rebellischen
Attitüde selber schönreden.
Der Historiker Robert F. Hausmann gehört zu diesem Kreis
der Leute eines lokalen Establishments, das aus seiner Peripherie her gerne mit recht
pauschalen Zuschreibungen verwöhnt wird. (Rechts von ihm sitzt übrigens der Dechant
Alois Kowald.)
Womit ich da befaßt bin? Na, mit dem Ringen um ein
geistiges Klima, das eine Auseinandersetzung mit relevanten Fragen ermöglicht. Und genau
dazu brauche ich Gegenüber vor Ort, deren Kenntnisse und Reflexionsvermögen zulassen,
über die Befassung mit dem eigenen Nabel, über die eigene Befindlichkeit hinaus, etwas
von der Welt wahrzunehmen, das dann zur "kleinräumigeren Situation", die wir
bewohnen, in Zusammenhang zu sehen und daraus Schlüsse zu ziehen, denen möglichst auch
Handlungspläne folgen mögen. (Kompliziert? Kurz: Wie verhalten sich das Denken, Reden
und Tun zu einander?)
Die letzten Jahre waren in klärender Weise
aufschlußreich, leider nicht ganz in diese Richtung. Damit meine ich, das gerne gepflegte
Selbstverständnis in "Künstlerkreisen" als eine Art "gesellschaftlicher
Avantgarde" mit "kritischem Bewußtsein" läßt sich in der regionalen
Realität eher nicht bestätigen.
Ich hab gestern
Österreichs zuständige Ministerin Claudia Schmied zitiert, die öffentlichkeitswirksam
feststellte, daß die Kunst an der Macht zu rütteln habe, um später zu
präzisieren, daß sie damit "aufrütteln" meint.
Einen Mächtigen aus dem Halbschlaf aufzuwecken ist ja ein
essenziell anderes Vorhaben als an seiner Position zu rütteln. Halten wir das also bitte
auseinander! Und mit Kunst hat das eigentlich gar nichts zu tun. Es ist, wie erwähnt,
keine Kategorie der Kunst. Denn "die Kunst" ist sich selbst Auftrag und Aufgabe,
das Rütteln (an was auch immer) gehört eher nicht zu diesen Agenda.
Aber die verschiedenen Kompetenzen, welche man
aus künstlerischer Praxis beziehen kann, befähigen einen durchaus, als Bürger oder
Bürgerin auf markante Art am kulturellen und politischen Leben dieser Demokratie
öffentlich (!) teilzunehmen.
Genau DAS erscheint regionalen
Kunstschaffenden weitgehend verzichtbar; außer es ist ihnen eine Bühne gerichtet worden.
Während mir auffällt, daß Konservative, die gerne mit abschätziger Konnotation als
"Bürgerliche" bezeichnet werden, sich durchaus in eben diesem Sinne -- am
kulturellen und politischen Leben dieser Demokratie öffentlich teilzunehmen --
exponieren.
Bleibt gelegentlich der Eindruck, daß genau
jene, die sich gerne durch das Tragen komischer Hütchen und das Schwingen lauter Reden
als eine "antibürgerlicher Dorf-Avantgarde" empfehlen, als die eigentlichen
Spießer auffallen.
Ich wiederhole gerne bis zur völligen
Ermüdung:
Wenn über der Einfahrt zu Auschwitz der zynische Satz "Arbeit macht frei"
notiert stand, besagt die Erfahrung daraus, es ist genau umgekehrt: "Freiheit
macht Arbeit". Die erledigt sich, ebenso erfahrungsgemäß, nicht durch
gnadenloses Lässigsein.
Es mißfällt mir sehr, wie weit wir der
Tyrannis längst wieder die Tür aufgemacht haben. Apropos! Um an anderen Stellen die
Türen verschlossen zu halten. Ich hab im Eintrag vom 3. August erzählt, welche
Verpflichtungen einem abverlangt werden, um von serbischen Kunstschaffenden besucht werden
zu können. Und daß ich es für eine kulturellen Schande (West-)
Europas halte, diese Kontakte zu erschweren, auch: ganze Generationen von jungen Leuten in
ihrem Land eingesperrt zu halten.
Ich habe HIER gegen die Visa-Politik der
EU unterzeichnet. Der Balkan muß übrigens meiner Meinung nach nicht "nach Europa
gehen", er ist es längst, war schon kultiviertes EUROPA, als wir hier noch
halbnackte Barbaren gewesen sind, denn man braucht bloß einen Atlas in die Hand zu
nehmen, um herauszufinden, WO, in welchen Regionen, die kulturellen Wurzeln Europas
erarbeitet wurden. |
|
[kontakt] [reset] [krusche] |