3. August 2009 Demut vor
der Flamme; nicht als esoterisches Konzept, sondern als Weg zu einer angemessenen
Geselligkeit. Die Grillerei ist für mich sehr anziehend. Es ist hier bloß eine
elektrische Platte, das läßt demnach sinnlichen Landgewinn zu. Denn Holzkohle ist
eigentliche nicht ersetzbar ...
In der Galerie "einraum" hat Bernhard
Kober gestern seine Fotoausstellung eröffnet. Wohliger Anlaß, die Idee des "Divaniti",
des "Divanisierens" am Straßenrand, ein Stück weiter zu tragen. Es
geht ja ganz ohne Formalitäten und ohne daß patrouillierende Polizei einschreiten
würde.
Sich ein Stück Platz und Leben im öffentlichen Raum
zurückholen, wo der Autoverkehr alles, restlos alles zu verdrängen neigt. Das ist ein
relevantes Thema. Wir werden das im Rahmen von "gleisdorf: ein L für die kunst"
noch ausdauernder erproben.
Manchmal ereignet sich der Bauernmarkt direkt vor meiner
Haustür, wenn sein angestammter Platz im Zentrum durch andere Ereignisse belegt ist. Das
ergibt stets eine sehr schöne Atmosphäre von eben der Art, für die Leute gerne in den
Süden fahren, um davon zu schwärmen.
Zugleich höre ich hier Einwände, weil sich das
Kaufverhalten eben dieser Leute nachteilig ändert, wenn das Gässchen gerade nicht für
den Verkehr frei steht ... obwohl rechts davon eine zweispurige Bahn durchs Zentrum
führt.
Das Absurde an so einer Geschichte liegt nicht bloß in der
merkwürdigen Unterstellung, zwei bis fünf Minuten Fußweg seien eine unerträgliche
Zumutung. (Eine Zumutung, an der sich die Profis für gutes Geld abarbeiten dürfen, um
dann Haltungs- und Gewichtsprobleme zu reparieren.)
Es gibt ein legendäres Stück Architektur-Theorie, in dem
Venturi, Scott Brown und Izenour einen Sonderfall bearbeiten: "Lernen von Las Vegas" analysiert die Architektur einer Stadt,
die gemacht wurde, um vom fahrenden Auto aus betrachtet und verstanden zu werden.
Dafür ist in der Wüste reichlich
Platz. Solche Schrullen auf die engräumige Oststeiermark zu übertragen, das kommt mir
doch recht verrückt vor.
Und was immer
vierspurig über Land führt, das wird in dieser Region seit Jahren gefordert, nämlich
die Verbindung von Gleisdorf und Weiz vierspurig auszubauen, was immer das also an Tempo
über Land brächte, hätte ja dann manche Orte, die wie ein Flaschenhals wirken. Ich kam
vor einigen Tagen von der Bezirkshauptmannschaft zurück, wo ich eine ziemlich happige
Verpflichtungserklärung unterschrieben hab, damit serbische Künstler Österreich
besuchen können.
Kleiner Einschub:
Es ist grotesk, daß die Republik eines reichen Landes Verpflichtungen in solchem Ausmaß
auf ihre Bürger abwälzt und so etwa erschwert bis ausschließt, daß gebildete Menschen
das Land besuchen, wodurch die Kultur dieses Landes bereichert wird, denn die reale
Begegnung und der geistige Austausch haben Reisefreiheit zur Bedingung.
Es gehört zur kulturellen Schande
(West-) Europas, diese Prozesse derart zu behindern und inzwischen mehrere Generationen
mancher europäischer Länder eingesperrt zu halten. (Ich kenne etliche junge Leute, die
haben ihr Land noch nie verlassen können, um ein anderes kennen zu lernen.)
Aber! Weiz! Ich stand stadtauswärts
in Richtung Gleisdorf vor einer Ampel in der Schlange. Auf der Gegenfahrbahn ein silberner
VW Golf, dessen Seitenscheibe gesenkt wurde. Der Gleisdorfer Bürgermeister Christoph
Stark lachte mir zu und rief: "Von wegen vierspurig!" Da fiel es mir
erst auf, daß wir in der Tat auf einem vierspurigen Abschnitt standen. STANDEN!
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