the long distance howl / ncv / renner #3

Von Renner zu Krusche

„Der erstgeborene Sohn vom Grossvater hieß Alexander, der ist zirka 18-jährig gestorben. Mein Vater hieß Herbert, der hat das Kinderwagengeschäft in der Sauraugasse dann weitergeführt.“

Soweit eine kleine Skizze von Alexander Renner, der vier Jahre jünger ist als ich. Sein Opa Alexander Renner war der Sohn von Franz Renner, dem Artisten, war außerdem der Cousin meiner Großmutter Marianne. Die war Tochter des Fleischhauers Matthias Renner. Franz und Matthias waren also Brüder, unsere Urgroßväter.



Von links: Alexander Renner, Martin Krusche, Sabine Renner

Das ergab sehr unterschiedliche Zweige des Clans, welcher zur Zeit von Franz und Matthias mit den Familien Schneiber und Strohmayer verbunden waren. Meine Großmutter Marianne heiratete Karl Strohmayer, als war meine Mutter Annemarie eine Strohmayer. Sie heiratete Hubert Krusche, voilá! So führt ein Lauf der Dinge von Renner zu Krusche…

Ich weiß im Augenblick noch nicht, ob ich für meinen Teil sehr viel genauer erkunden möchte, was der Stammbaum an Details bietet. Mich bewegt mehr „Die große Erzählung 20. Jahrhundert“ als das, was Historiker Eric Hobsbawm „Das Zeitalter der Extreme“ nannte, so der Titel eines seiner Werke. Das hat zwei interessante Akzente, welche das 19. Jahrhundert einbeziehen.

Erstens läßt sich, die Steiermark betreffend, sagen: Weltgeschichte berührt Regionalgeschichte. Zweitens bildet sich das aber auch in überraschendem Ausmaß innerhalb unserer Familiengeschichte ab. Dieses Gemisch an Technologie-, Sozial- und Kulturgeschichte reicht bis in die Gegenwart. Das ist die Themenlinie, die mich hauptsächlich bewegt und beschäftigt.

Zur Vorgeschichte
Das 18. und 19. Jahrhundert hat ein paar Ereignislinien, auf die sich unsere Familiengeschichte ab den Anfängen des 20. Jahrhunderts mit etlichen Aspekten setzt. Ich skizziere das hier kurz.

James Watt befaßte sich spätestens ab 1764 mit der Dampfmaschine. Er optimierte sie so grundlegend, daß Input (Heizmaterial) und Output (Motorkraft) in ein attraktives wie praktisch nutzbares Verhältnis kamen; auf eine Art, die zuvor nicht bestanden hatte. Damit änderte sich der Lauf der Welt, was mit Watt‘s Patent von 1769 markiert ist.

In den Jahren 1815 und 1816 besuchte Erzherzog Johann von Österreich mehrmals Großbritannien, um von dort Anregungen mitzunehmen. Dazu gehörte ein Besuch bei James Watt.

Der untypische Aristokrat, Bruder des Kaisers, mit hoher Stellung und einem beträchtlichen Vermögen ausgestattet, brauchte offenbar geistreiche Gegenüber, damit ihm sein Leben behagen konnte. Ich denke, das ergab einen Hautgrund für das, was man ihm an „Volksnähe“ nachsagt, denn der österreichische Hochadel zeigte nicht gerade reich an Menschen mit Esprit.

Johann von Österreich bewährte sich als innovative Kraft und als Förderer inspirierter Menschen, egal, in welchem sozialen Feld (Stand) er sie finden konnte. Nun ein Zeitsprung: Ende der 1880er Jahre war in Wien der zweite Wagen von Siegfried Marcus zu sehen.

Es ist das erste moderne Automobil mit eigenständiger Fahrwerkskonstruktion und einem tauglichen Benzinmotor, einem Viertakter mit Magnetzündung und Vergaser (Spritzbürstenvergaser).

Bald darauf, ab 1900, boomte die neue Branche und quer durch Europa wurden alle Arten von Motoren an alle Arten von Fahrwerke geschraubt. In diesen Kräftespielen nahm zum Beispiel die Biographie des vormaligen Keuschlerbuben Janez Puh kühne Wendungen. Er wurde zu Johann Puch, dem historischen Paradeindustriellen der Steiermark.

Ab da überschlugen sich die Ereignisse zu Wasser, zu Land und in der Luft. Im Zusammenhang solcher Innovationsschübe und gesellschaftlicher Umbrüche sind die Renner-Buben zu sehen, aber auch ihre Verwandtschaft mit blühenden und untergehenden Betrieben.

Da stehen wir, rund ein Jahrhundert und drei industrielle Revolutionen später, um auf dieses rasende 20. Jahrhundert zurückzublicken, von dem wir fast die Hälfte miterlebt haben…

+) Das Foto stammt vom: 26. September 2020 (Die Session)
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