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#10
26. September 2020
(Die
Session)
Als Franz Renner
von zu Hause abgehauen war, schloß er sich einem Zirkus an,
wurde Akrobat. Diese Aspekte brachte Igor F. Petković in der
„Gruabn“ durch die Akrobaten-Truppe „Grazer Akrosphäre“
zum Klingen. Die „Gruabn“, das ist der „Sturmplatz“
meiner Kindertage.
Die Gruabn
Von der Tribüne
kann man den Turm der Münzgrabenkirche gut sehen, hinter der ich
aufgewachsen bin; im damals ersten fertiggestellten Block am
Münzgrabengürtel, siebter Stock. (Siehe dazu: „Sozialbau“
und „Pop“!)
Dort befand sich damals nebenan auch noch ein Kloster mit
Ordensleuten.
Sturm, das meint den SK Sturm (Sportklub
Sturm Graz). Schwarz oder rot ergab eine Frage, die einst
Anlaß zur Lagerbildung war. „Bist du Sturm-Knofler oder für
GAK?“ Die Antwort entschied manchmal darüber, ob man eine
Abreibung kassierte oder neue Freunde fand. („Grazer
Anti-Kicker? Nein Sturm.“)
Igor F. Petković
Das ist für mich also vertrautes Terrain. Petković machte uns
bei dieser Session den Captain. Regisseur Roland Berger las
Texte zum Thema. Ich traf Alexander Renner und seine Leute
wieder. Sabine Renner hat es herausgerechnet: wir sind Cousins
und Cousine dritten Grades.
Nein, kein Härtegrad, eine
Abfolge. Franz und Matthias Renner sind unsere Urgroßeltern.
Meine Oma Marianne (in deren Nachbarschaft Rennfahrer Jochen
Rindt aufgewachsen ist) war die Cousine von Alexander und
Anatol.
Die Grazer Akrosphäre
Die Renner-Buben
verfolgten ihre Ambitionen, während die Erste in die Zweite
Industrielle Revolution umbrach. Wir kamen in der Ära der
Zweiten Industrielle Revolution zur Welt. Innerhalb unserer
Leben vollzog sich inzwischen die dritte und die vierte. Das
bedeutet, nach der Digitalen Revolution in den 1970er
Jahren haben sich inzwischen neue Maschinentypen und
selbstlernende Systeme durchgesetzt, die den Lauf der Dinge
ändern.
Demnach sind wir die vierte Generation mitten in
einem Ensemble von enormen Veränderungsschüben, die es in
solchem Tempo während der gesamten Menschheitsgeschichte noch
nie zuvor gegeben hat. Wir leben seit rund zweihundert Jahren in
einer permanenten technischen Revolution.
Igor F. Petković (links), Alexander Renner (Mitte) Roland
Berger (rechts)
Das hat in der
Steiermark eigentümliche Entsprechungen, denn hier berührt die
Weltgeschichte unsere Regionalgeschichte. Den Beginn dieses
deutlichen Prozesses setzte Erzherzog Johann von Österreich, als
er 1815/1816 England bereiste und dabei auch von James Watt
empfangen wurde, um sich dessen Dampfmaschinen zeigen zu lassen.
Wenn wir uns nun an die Flüge der Renner-Buben erinnern,
bedeutet das: sie durchlebten jene Jahre, da neue Typen von
Motoren grade so kompakt geworden waren, daß man alle denkbaren
Arten von Land- und Luftfahrzeugen damit ausrüsten und erproben
konnte. Rund um 1900 waren Dampfmaschinen, Elektromotoren und
Benziner verfügbar.
Blick auf die Münzgraben-Kirche
Wir wissen heute, daß sich die Benziner durchgesetzt haben,
später „Ölmotoren“ (Diesel) folgten und inzwischen die
Elektromotoren wieder eine stärkere Rolle spielen. Als die
Renners flogen, hatte gerade erst die Motorisierung der Welt
begonnen. Europa war auf dem Weg in einen umfassend
mechanisierten Krieg mit extrem traumatischen Wirkungen, auf die
damals niemand vorbereitet war; auch nicht die Militärs.
Von links: Alexander Renner, Martin Krusche, Sabine Renner
Brauchte es seinerzeit viel Mumm, diese Möglichkeiten zu
erkunden, da jeder Flug, jedes Autorennen bedeutete, seine
Gesundheit, sein Leben zu riskieren, so brauchen wir heute Mumm,
die Konsequenzen dieser umfassenden Mechanisierung unserer
Gesellschaften zu bearbeiten. Wir müssen uns wieder den Fragen
widmen, wie man sich dem annähern soll, das im Moment noch nicht
gedacht werden kann.
+) Die Veranstaltung
+)
Grazer
Akrosphäre (Lifting People) +)
M. Krusche: Industrielle Revolutionen (Ein kleiner
Überblick)
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