16. April 2018 Beuys.
Und 1918. Jubiläum? Wohl kaum. Außerdem: Pop. Dazu hab ich 2016 notiert: "Ich
bin ein Kind der Pop-Kultur, die ich heute als etwas vollkommen anderes verstehe, denn in
den 1970ern." [Quelle]
Ich hatte für längere Zeit diese vier Motive im Blickfeld: Das schwarze Quadrat von
Malewitsch, den Strohmlininenkörper von Paul Jaray, einen Buckyball
(Buckminster Fuller) und eine Suppendose von Warhol.
Dort kommt auch ein Hinweis auf das Buch "Kultur
für Alle" von Hilmar Hoffman vor. Im Jahr 2017 notierte ich zum Stichwort Pop: "Es
gab für uns außerdem die von der Erwachsenenwelt unbegründet verwendete Kategorie Schmutz
und Schund. Unbegründet deshalb, weil man uns eine Darlegung der Kriterien schuldig
blieb." [Quelle]
In diesen Tagen war für mich klar, daß ich mir
Zusammenhänge zwischen Volkskultur | Popkultur | Gegenwartskunst genauer ansehen
muß. Das war im Hintergrund schon beim vorjährigen Kunstsymposion greifbar, als wir das
Thema "Artist Is
Obsolete" von Niki Passath übernommen und näher betrachtet haben.
In einer anderen Notiz hieß es zu diesem Themenkomplex: "Wir
mußten als Kinder freilich zuerst einmal das Elend unser unerlösten Eltern
ertragen." [Quelle]
Damit mögen nun einige der Aspekte markiert sein, die sich augenblicklich zusammenrücken
lassen, um an ein paar aktuelle Fragestellungen heranzukommen, mit denen wir in die nahe
Zukunft gehen müssen.
Für das Thema 1918-2018 möchte ich vorzugsweise nicht in
einen populären Kanon einstimmen, um an den preiswerten Stereotypen vorbeizuschrammen.
Das wird derzeit eh schon in nächster Nähe unternommen. Ich bin ja eigentlich noch beim
Staunen darüber, wie blühend Europa am Vorabend des Großen Krieges sein konnte
und wie morbid unsere Eliten waren. Technik, Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst erschienen in
den ersten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts ja nicht als Notstandsgebiete. Die Habsbuger
und ihre Entourage sehr wohl. Ihre Paladine und Feldherren zeigten bald darauf, welch hohe
Konzentration an erlauchten Nieten da ganze Völkerscharen ins Feuer schickten.
Historiker Philip Blom hatte sich bemüht, sein Buch
"Der taumelnde Kontinent" so zu schreiben, als hätte er vom Ersten
Weltkrieg noch nichts gewußt. Blom berichtet darin von einem politischen Mord im Jahr
1914, der Europa erschüttert habe. Wer das Buch nicht kennt und raten möchet, rät
vermutlich falsch. Nein, er beschrieb dabei nicht die Schüsse von Sarajevo. Die seien in
den meisten Blättern nur als kleine Notiz vorgekommen. (Ausgenommen Österreich, wo man
sich recht empörte, daß ein schmächtiger Südslawe einem den ungeliebten Thronfolger
samt seiner geringschätzig bedachten Gattin weggeschossen hatte.)
Blom widmete ein Kapitel der Madame Henriette Caillaux, damals
die Ehefrau des französischen Finanzministers. Sie war in die Redaktion von Le Figaro
gekommen, um Herausgeber Gaston Calmette zu stellen, der Minister Caillaux in einer
Kampagne verleumdet und so seine Karriere beschädigt hatte. Madame Caillaux zückte einen
Revolver und erschoß Calmette.
Hinter diesem Skandal waren Deutschland, Frankreich und
Großbritannien damit beschäftigt, koloniale Angelegenheiten neu zu regeln. Österreich
hatte die Kolonialisierung der Welt weitgehend verschnarcht und richtete seine
diesbezüglichen Ambitionen auf den Balkan.
Für Stabschef Conrad von Hötzendorf war klar, daß bei
diesen kolonialen Bestrebungen die widerspenstigen Serben selbst dann noch Probleme machen
würden, wenn sie von den Balkankriegen jener Jahre ausgeblutet waren, denn das
Zurückdrängen der Osmanen aus der "Europäischen Türkei" (= Balkan)
hatte von ihnen ungeheure Opfer verlangt. Conrad wollte zuschlagen, bevor sich die
Südslawen davon erholt hatten.
Gavro Princip lieferte dazu einen günstigen Vorwand. Oskar
Potiorek, dessen Inkompetenz die Schüsse von Sarajevo überhaupt erst begünstigt hatte,
wurde zum Oberkommandierenden der Balkanstreitkräfte und verlor gleich einmal den ersten
Feldzug gegen Serbien.
Noch heute können wir sehen, wie man den nutzlos
verbrannten Söhnen der Monarchie Kanonenkugeln auf die Erinnerungsstätten legt, was von
einem erlesenen Zynismus ist. Österreich war der erste Aggressor des Großen Krieges.
Österreich zeichnete sich im Nazismus dadurch aus, daß sich wesentliche Teile der Eliten
als Nutznießer des Dritten Reiches den Faschisten dienstbar machten.
Das reichte von exponierten Persönlichkeiten wie dem
herausragenden Konstrukteur Ferdinand Porsche bis zu kleinen Beamten, die sich ausdachten,
daß man den Juden das Halten von Kaninchen verbieten müsse. An diesem Zweiten
Dreißigjährigen Krieg, in dem zuerst die Habssburger das Sagen hatten, dann die
Buberlpartie der Nazi, war das Meiste Unrecht und jeder Soldat umsonst getötet; allein
schon weil die Gründe und Ansprüche dieser Kriege Unrecht waren.
Eigentlich müßte die Einsicht in jene historischen
Fakten, nämlich die Unrechtmäßigkeit dieser Kriege, gekrönt durch die Niederlagen,
dazu führen, das dieses obszöne "Unseren Helden" vielleicht mit einer
Glasscheibe bedeckt würde, auf der man lesen könnte: "Wir bitten Euch um
Vergebung!"
Stattdessen wurde die Artilleriemunition, welche längst
verrottet sein sollte, frisch lackiert und mit Blümchen bekränzt. So, zum Beispiel, auf
der Riesstraße zwischen Graz und Gleisdorf. Der Hinweis "Erneuert 1950"
macht klar, daß man so bald nach dem Zweiten Weltkrieg abermals darüber
hinwegtäuschen wollte, daß es ein unnützes Sterben gewesen ist. Damals erfolgte
vermutlich der Zusatz "1939-1945". Aber welche Ausrede haben heutige
Honoratioren, daß selbst die Toten noch für eine Propaganda mißbraucht werden, die sie
zu "Unseren Helden" umdeutet?
Das bringt mich nun zu Künstler Josef Beuys. Er war als
junger Mann freiwillig den Streitkräften der Nazi beigetreten. Darin wurde er zum Funker
und Bordschützen einer Junkers Ju 87. Dieser Typ des Sturzkampfbombers war eines
der effizientesten Waffensysteme, das die Nazi eingesetzt haben.
Abschuß,
Verwundung, Legendenbildung, Reflexion. Beuys ging zuerst den Weg in den Krieg, dann den
Weg in die Kunst. Er war nicht bereit, den ersten Weg zu beschönigen und rückwirkend mit
einer Sinnkonstruktion zu verbrämen, die das Geschehen legitimieren möchte. Das schafft die Verbindung zu einer regionalen Kraft von
überregionaler Relevanz. Der Maler Hannes Schwarz hat eine vergleichbare Geschichte. Er
war Zögling in einer "Ordensburg" der SS, genoß dort alle Vorteile
privilegierter Personen.
Die Gefechtserfahrungen von Schwarz waren allerdings so
traumatisierend, daß er sich bis zu seinem Lebensende damit radikal auseinandersetzt.
Siehe dazu: "Kunst als Lebensfundament"! Wenn ich also nun beim 2018er Aprilfestival
mit Nikolaus Pessler eine Position herstelle, welche "Die Beuyse des Pessler"
thematisiert, dann hat das zweierlei Funktionen. |
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Es betont den Beuys nach 1945, wo er vom Weg
in den Krieg zum Weg in die Kunst gewechselt hat. Das ist auch auf einige
Paradigmenwechsel in der Kunst bezogen, mit denen wir uns befassen. Es verweist außerdem
auf den "Flying Circus" (Lex & Pessler), der den letzten hundert
Jahren gewidmet ist. Ein Zeitfenster, das uns in den aktuellen Umbrüchen besser kein
Rätsel bleiben sollte.
-- [Pop] [Die Beuyse des Pessler] [Der Flyer] -- |