27. Juni 2017

Ich nutze Facebook als eine Kommunikationskanal, über den bei mir hauptsächlich Hinweise auf andere Texte im Web hinausgehen: [link] Aus meinem Privatleben gibt es dabei nur sehr Weniges, überwiegend Postings, die auch mit meinen Arbeitsinhalten und Projekten verknüpft sind.

Das ist also ein Stück meines "kühlen Extrazimmers", jenes Raumes im Web, den ich täglich ebenso betrete, wie meine Küche und mein Bad. Siehe zu dieser Metapher der Vortragstext anläßlich “BIONIC ARCHITECTURE” von 2001 (im Grazer forum stadtpark): [link]

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Feldbach

Zur derlei eher persönlich gehaltenen Facebook-Leiste gehört noch die quasi Kulturredaktion von Kunst Ost [link] und eine Leiste zu unserer Mobilitätsgeschichte: [link] Das sind Kanäle, die ich praktisch täglich füttere. Man könnte es einen virtuellen Aufenthalts- und Kommunikationsraum nennen, der noch ein paar weitere Zimmer hat, hauptsächlich die v@n-Site [link] und die Website von Kunst Ost: [link]

Bei dieser gesamten Anordnung für eine Web- und Telepräsenz bleibt die reale soziale Begegnung doch stets das primäre Ereignis, der Aufenthalt im "Realraum" vorrangig. So auch die Erkundungen meines näheren Lebensraumes, wie etwa gestern beschrieben.

Ursula Glaeser vom KulturBüro Stainz hat heuer schon einiges an Unterlagen über Flur- und Kleindenkmäler erarbeitet, die uns im Rahmen einer komplexen vorindustriellen Info-Sphäre umgeben. Diese vorindustriellen Info-Sphäre ist mit aktuellen Zeichensystemen verzahnt.

Dazu kommen technische Systeme, von denen jene Brücken, wie man sie im Edelsbacher Museum besichtigen kann, einen besonderen Schwerpunkt bilden, denn Wegenetze waren stets auch Kommunikationslinien. Darin spielen Brücken eine sehr exponierte Rolle. Reisen, Kommunizieren, das Weitertragen von Informationen...

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Originale und Miniaturen in Edelsbach

Ich hab in letzter Zeit einige maßgebliche Bücher erwähnt, die im Nachdenken über all diese Zusammenhänge bisher wichtig waren. Dazu gehört unter anderem "Die Pädagogik der Unterdrückten" von Paulo Freire. Das war mir eine anregende Lektüre in den 1980er Jahren.

Ich hab gerade mit der Suchmaschine nachgesehen, wo hier dieses Buch allenfalls in jüngerer Vergangenheit auftaucht. Dabei wurde ich im Jahr 2013 und im Kontext Kulturpakt Gleisdorf sowie Energieregion Weiz-Gleisdorf fündig: [link]

In jenem Text hatte ich notiert: "Wo wir nun als Kunstschaffende gesellschaftlicher Marginalisierung widerstreben und in den genannten Prozessen ernst genommen werden wollen, werden wir nicht primär die Mittel der Kunst einzusetzen haben, sondern die Kompetenzen, welche aus der Befassung mit Kunst erwachsen. Ein feiner und bedeutender Unterschied."

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Dort kommt auch dieser Satz vor: "Sklaven träumen nicht davon frei zu sein, sie träumen davon Herren zu sein.“ Und: "Ulli Vilsmaier, Professorin für transdisziplinäre Methoden, antwortete darauf mit der Erwähnung von Paulo Freire." Das alles soll deutlich machen, wie sich manche Texte quer durch Jahrzehnte immer wieder in Erscheing bringen. Das bietet auch einen Eindruck, was mit Kanon gemeint ist, wenn es nämlich über Rang und inhaltliche Bedeutung eines Werkes breite Übereinkunft gibt. Das ist gerade auch für unseren Thementriptychon von Belang:

Volkskultur | Popkultur | Gegenwartskunst

Freires Untertitel "Bildung als Praxis der Freiheit" ist ja eine feine Anregung. Facebook hat eine Art "Erinnerungsmaschine" eingebaut, die einem jeden Tag Beiträge vom nämlichen Tag aus vergangenen Jahren auswirft. Dabei kam gestern auf meiner Leiste der Beitrag "Bildungsdünkel" aus dem 2016er Jahr auf die Matte: [link]

Da geht es unter anderem um einen Typ von "Bildungsverweigerern", die ihren Zustand verteidigen, indem sie Wißbegierige angreifen, abwerten. Diesen Text kommentierte Franz Wolfmayr auf Facebook gestern mit: "Fakten, Begründungen, Forschung, Logik, Lernen, ein 'besseres Verständnis der Welt' werden so abgewertet. Ignoranz ist kein Wert an sich, wird aber derzeit zu einem Wert. Trump kürzt Bildungsbudgets, Menschen, die nicht gelernt haben, sich auf der Grundlage von Abwägungen eine Meinung zu bilden, glauben am Ende, dass Milliardäre am besten ihre Interessen vertreten und dass sie ihre Bürgerrechte am besten an sie abgeben."

Richard Hubmann verwies auf wohlvertraute Kontinuitäten: "Noch immer aktuell, ob wohl der Text genauso gut auch vierzig Jahre alt sein könnte." Wir sind uns da im Befund völlig einig. Deshalb gibt es auch in meinem Metier allerhand Klärungsbedarf, ob es denn heute genügt, an einem (künstlerishen?) Werk zum Beispiel zu betonen, wie groß die körperlichen Mühen seiner Erstellung waren, wie das jüngst in Gleisdorf rund um eine Serie von "Obelisken" lauthals geschah, oder ob wir da auch etwas über die Mühen der inhaltlichen Arbeit und des Wissensgewinnes hören sollten, wo jemand das Licht der Öffentlichkeit sucht, um sich uns seine Angelegenheiten zu erklären.

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Miniaturen in Edelsbach

Ich hab über Jahre betont, in der Wissens- und Kulturarbeit sei es wichtig, Aktion und Reflexion beisammenzuhalten. Haut man "aktion und reflexion site:van.at" in die Suchmaschine, bekommt man einige Texte ausgeworfen, in denen das erwähnt wird. Ich hatte die Quelle dieser Empfehlung allerdings längst vergessen.

Nun fand ich sie bei der neuerlichen Durchsicht des Buches von Paulo Freire wieder. Da steht: "Des Menschen Aktivität besteht aus Aktion und Reflexion: sie ist Praxis, sie ist Verwandlung der Welt. Als Praxis verlangt sie Theorie, die sie erhellt. Die Aktivität des Menschen ist Theorie und Praxis, sie ist Reflexion und Aktion..."

Das schrieb ein Mann, der 1947 daranging, eine Kampagne zu entwickeln, um die enorme Zahl erwachsener Analphabeten in Brasilien zu reduzieren. Freire ging dabei natürlich auch an die Wurzeln solcher Zustände, an Interessenslagen, zu denen auf gebildete Menschen mit lebhafter Reflexionserfahrung verzichtet werden kann.

Mir scheint, wir sollten so manche unserer Attitüden und Betroffenheitsreaktionen an grundlegend anderen Situationen überprüfen, die gänzlich anderen Rahmenbedingungen unterliegen. Das kann einen Kontrast ergeben, von dem die Sichtbarkeit der Dinge profitiert.

Ich erfuhr beispielsweise Ende Mai einigen Unmut, als ich einen "Solidaritätsruf" steirischer Kulturschaffender zurückgewiesen hab: ich muß ablehnen. und sei es bloß wegen so einer passage: "Mit solidarischen Grüßen", denn allein derartiger jargon ist mir ein gräuel. [Quelle]

Freire schreibt: "Solidarität verlangt, daß man in die Situation derer eintritt, mit denen man solidarisch ist. Es geht dabei um eine radikale Haltung."

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