16. Mai 2014 Ich hab gestern zum Thema Handwerker notiert:
Man glänzt nicht vor der Welt, sondern
macht in der Sache einen guten Job.
Heute durfte ich einen Mann besuchen, der dieses Prinzip
auf eine Art verkörpert, die für jüngere Handwerker inspirierend und wegweisend ist. ("Kommst
gleich um Acht in der Früh, da hab ich Zeit.")
Fredi Thaler vor einer Puch LM aus
den 1920er-Jahren
Fredi Thaler hatte im Zweierwerk der Steyr-Daimler-Puch
AG seine Lehre begonnen, als auf den Prüfständen die ersten Motoren des legendären
"Puch-Schammerls" zerflogen. Seine Biographie ist, wie die von
Ferdinand Fleck, den ich gestern erwähnt habe, eng mit der Geschichte der
Volksmotorisierung in der Nachkriegszeit verwoben.
Diese Leute haben einige Kapitel jener Rennsportgeschichte
geschrieben, in der jemand nicht mehr Millionär sein mußte, um solchen Obsessionen
nachzugehen. Ich habe auf unserer Facebook-Leiste zum Thema Mobilitätsgeschichte
gerade so einen Spruch hergezogen: "The first motorcycle began when the second
motorcycle was built."
Das ist der Geist der Ikarier, der lebhaften
Gefolgschaft des Ikarus. So tickt diese Community, wobei das Rennen hier auch als
Metapher für "Probleme lösen" steht. In all diesen Zusammenhängen
entfaltete sich jene von Benzin trunkene Welt trivialer Mythen die ich gestern gestreift
habe, als ich von den "Dagmars" erzählte, von aerodynamischen
Zierelementen an Cadillac-Stoßstangen, die wie eine Mischung aus Pistolenkugeln und
weiblichen Brüsten aussehen.
Parallel entspann sich auf Facebook eine kleine
Debatte mit Emina Saric, in der wir bei den Fragen nach der Verhandlung und Verwaltung von
Körperbildern ankamen. Bilder der weiblichen und der männlichen Körper. Spannungsfelder
zwischen Selbstbestimmung und Konvemntion, innerem Begehren un Druck von außen.
Wenn auch manche Wagen, wie der
Jaguar E-Type, als Penis-Metaphern
gedeutet werden, wir finden an Autos weit mehr Paraphrasen
weiblicher Körperlichkeit
Das ist übrigens auch interessant, da bei uns das ganze
19. und frühe 20. Jahrhundert kulturell und sozial ein wildes Ringen um die Linien der
weiblichen Silhouette lief. Wir haben das nicht mehr so sehr vor Augen, aber die
Konsequenzen sind präsent.
Das handelt im Kern davon, den weiblichen Leib von der
Einschnürung zu befreien und die Last der Kleider von den Hüften auf die Schultern zu
bringen. Quasi von der Tournüre zum Reformkleid. (Hier sind
"Frauen von Stand" gemeint, keine arbeitende Bevölkerung.)
Nächste Station war dann Frauen in Hosen auf
offener Straße... bis Ende des Ersten Weltkrieges selbst in den Metropolen nur möglich,
wenn eine Frau Anfeindung und sogar Tätlichkeiten riskieren mochte.
In den folgenden Jahrzehnten hatte sich die Stromlinie
zuerst als technische Implikation, schließlich als kultureller Code durchgesetzt,
letztlich als Metapher für "Modernität". Ein Prozeß, der in Europa und den
USA zeitgleich etwa ab 1933/34 lief.
Man nennt das zwar "Die
typischen BMW-Nieren", aber nach weiblichen Nieren sieht mir
dieses zwischen Quasi-Schenkel gebettete Designelement eher nicht aus
Ich kann es nicht genau belegen, würde aber für möglich
halten, daß auch die Entwicklung der Silhouette des weiblichen Körpers in diesem Kontext
stand. Zuerst waren es Automobile und Eisenbahngarnituren, welche Stromlinie verpaßt
bekamen. Schließlich ganz rasant auch fast alle anderen Gebrauchsgegenstände des
täglichen Lebens, vor allem Haushaltsgeräte.
Vom Staubsauger und Mixer zum Bleistiftspitzer, Radio und
zur Kaffeemaschine, sogar Häuser wurden diesem Trend der Gestaltung unterworfen, gerieten
"stromlinienförmig". Da passen Jane Mansfield, Jane Russel und Konsorten
völlig nahtlos ins Bild.
Andrerseits wurden vor allem manche Automobile auf eine Art
formal "feminisiert", da kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Ein Beispiel:
Wer immer die törichte Behauptung aufstellte, jene typische Kühlergrill-Anordnung, die
BMW über Jahrzehnte zwar variierte, in der Essenz aber bis heute beibehielt, seien "BMW-Nieren",
muß uns alle für Deppen gehalten haben.
Wenn einige dieser markanten BMW-Fronten
"Nieren" zeigen, dann habe ich keinen Tau vom weiblichen Körper. Was ich
da sehe, sind keine inneren Organe der Frau.
Keine Ahnung, wie man dieses
zentrale Designelement am Ford Edsel in
Amerika nennt. In Europa wäre wohl "Vulva" sehr naheliegend
Während solche BMW dazu per Kotflügel auch noch eine
Anmutung von Schenkeln herstellen, verzichtete man beim größten Flop der Firma Ford, dem
Edsel, gleich auf Umstände und Umgebung, zeichnete der Karre eine hart
konturierte Vulva an die Front.
Zurück zum eigentlichen Kern dieser Erörterungen, zum ESC
mit dem anfechtbaren polnischen Beitrag und die aufschlußreiche Anmerkung "Sex
sells" in der Frage nach angemessenen oder unangemessenen Inszenierungen;
Inszenierungen weiblicher wie männlicher Sexualität plus die Andeutung von
Begehrlichkeiten.
Saric stellte bei unserer Erörterung in diesem
Zusammenhang fest:
"...Andererseits wird die Reziprozität der sexuellen Macht der Geschlechter
dadurch sichtbar, dass Frauen ihre sexuelle Potenz durch Jungsein oder solche nach außen
sichtbaren Zeichen vermitteln und sich ständig im Tauschgeschäft für vermeintliche
Erfolge der Männer befinden (Geld, teuere Autos, Status)..."
Auch dieser bullige Buick wurde als
Huldigung an
große weibliche Brüste ausgelegt
Huh! Da kommen wir auf eine interessante Fährte. Wohin hat
mich nun die Debatte über "nuttige" Frauen beim Eurovision-Song-Contest
(ab dem 14. Mai) gebracht? Körperbilder,
Frauenrollen, Männlichkeitskonzepte, Popkultur und Auto-Fetischismus; ich werde da noch
ein Weilchen tiefer graben müssen.
Wie sagte die mütterliche Ratgeberin in bewährt tadelndem
Tonfall? "...diese Art der 'Präsentation' gefällt mir dort und da NICHT. Auch
wenn das altmodisch, puritanisch, sex- und körperfeindlich und wie auch immer
rüberkommt."
-- [The Track: Pop] -- |