2. November 2012Mein Schicksal ist ein Spaßvogel. Oder aber meine slektive Wahrnehmung ist
äußerst gut trainiert. Ich habe in den vorigen Einträgen versucht, ein größeres Thema
zu skizzieren, indem ich Momente der Handlungen einzelner Personen zusammensetze.
Der Ausdruck einer sich verbreiternden Spießer-Kultur
ergibt sich nicht aus dem, was eine einzelne Person sagt oder tut. Aber wo sich manches
davon komplementär zusammenfügt, ergibt das ein bestimmtes Klima in einem
überschaubaren Zeitfenster. Das sind dann Potentiale, auf die wir achten sollten, weil
daraus auch so manches kippen kann, dessen weiteren Verlauf wir nicht lustig finden
mögen.
Schon klar, daß Publizist Michael Jeannee den
Baumgartner'schen Ausritt super findet. So die Notiz vom 30. Oktober in der "Krone".
Jeannee tut sich seit Jahren damit hervor, alles was er für "links" hält
mit Hohn zu übergießen, unbedeutenden Menschen hinterherzutreten und sich regelmäßig
bei gut situierten oder stark exponierten Leuten anzubiedern.
So hatte er vor einem Weilchen eine ziemlich peinliche
Kontroverse mit dem schlagkräftigen Sido, weil er sich mit einem
"Promi-Wirt" auf eine Talentebühne gedrängt hatte, vor der Sido mit anderen
als Juror saß. Siehe Die
Presse!
Jeannee ist der Mann, dessen Menschenverachtung es ihm
ermöglicht, daß er via Massenmedium die Auffassung promotet, wer alt genug zum
Einbrechen sei, wäre auch alt genug zum Sterben. Das war auf einen vierzehnjährigen
Buben gemünzt, der von einem Polizisten erschossen wurde. Siehe dazu den Eintrag vom 8. August 2009!
Davor hatte sich Jeannee auch schon mehrfach als
präfaschistischer Herold hervorgetan und das Lob der harten Hand gesungen. Motto: Ein
Mann muß tun, was ein Mann tun muß: [link]
Auch da wieder, Jeannee darf ja denken und sagen, was er
will. Das muß eine Demokratie aushalten. Doch das promoten solcher Ansichten via
Massenmedien ist ein großes Problem angesichts der Tatsache, daß gewaltbereite Männer
ja nur über Ethos, über wirksame Konventionen zu einem Umdenken und/oder Zurückhaltung
angeleitet werden können.
Dazu muß man einfach zur Kenntnis nehmen, daß
gewaltbereite Männer eines der größten und gefährlichtsten Probleme sind, das viele
Gesellschaften rund um die Erde haben.
Ach, kindisches Schicksal! Warum krieg ich dann auch noch
gestern diese Meldung auf den Tisch? (Quelle: Kleine Zeitung) Prügelnde Helden.
Großsprecherische Helden, also Maulhelden. Was immer die Gerichte und die
Geschichtsschreibung noch als Faktum herausarbeiten werden, auf dem Feld der Massenkultur
ist der "soldatische Mann" in seiner zivilen Version als Abenteurer,
als "Kerl", hoch im Kurs und medial laufend präsent, offenbar en vogue wie
lange nicht mehr.
Gibt es Einwände? Ja. Und Einwände gegen Einwände. So
macht etwa Publizist Florian Machl geltend, man hätte Baumgartner nicht so ohne weiteres
zitieren dürfen, sondern im Sinne eines seriösen Journalismus' wäre ein Gegencheck und
eine Deutung des Kontext nötig gewesen. (Hätte das ein anderes Ergebnis gebracht?)
Machl: "Am 27. Oktober erschien in der Kleinen
Zeitung ein so genanntes Interview mit dem österreichischen Extremsportler Felix
Baumgartner, ..." [Quelle: "politisieren.at"]
Ich hab bei Machl nachgefragt, weil ich seiner
Argumentation nicht folgen konnte. Machls Antwort: "Wer lesen kann der lese. Auf
alle Abgründe der Neidgesellschaft muss mich mich nicht einlassen."
Wo Machl behauptet, Baumgartner werde
"verhitlert", wo er unterstellt: "Bei Stichwörtern wie Diktatur
wird zum heiligen Stellvertreterkrieg gerufen", leistet er sich genau die
Schlampigkeit in Rezeption und Deutung, die er anderen vorhält, zeigt er eindeutig
Boulevard-Qualitäten.
Man könnte Machl ja folgen und wenigstens annehmen,
Baumgartner sei ein unbedachter Redner, der absichtlich mißverstanden wurde. Das ließe
sich prüfen. Doch Machl legt die Sache gleich unter "Abgründe der
Neidgesellschaft" ab. Und das ist jetzt viel interessanter, als Baumgartners
Kerl-Attitüden.
Nämlich! Da hat sich der Mann mit seinen Geschäftspartner
Jahre, JAHRE (!), auf dieses Ereignis vorbereitet. Und dann weiß er nicht was er tut und
wie Medienleute "so sind"? Das kauf ich nicht!
Die Sache hat als Unternehmensgegenstand a) einen
spektakulären Stunt, b) das Überleben Baumgartners und c) eine außergewöhnliche
Profitmaximierung.
Würde b) schiefgehen, bliebe a) ein zweites Mal verwertbar
und c) klappt sowieso. Doch welche Dimension meint Machl da mit dem Prädikat "Neidgesellschaft"
abhandeln zu können?
Mateschitz hat rund 50 Millionen Euro investiert. Der damit
lukrierte PR-Effekt soll einen Gegenwert von etwa vier Milliarden Euro haben. Manche
Quellen nenne sogar sechs Milliarden: "50 Mio Kosten, 6 Mrd Werbewert:
Baumgartner brachte 12.000% Rendite." [Quelle] Siehe dazu den Eintrag
vom 17. Oktober 2012!
Wenn man Baumgartners Aktivitäten in diesem Zusammenhang
beachtet und betrachtet, ihn als Teilhaber und Schlüsselfigur in einem Milliarden-Deal
wahrnehmen darf, sind wir über die Kategorie "Neidgesellschaft" längst
hinaus und reden eigentlich über jene Kategorien, in denen private Companies ganze
Gesellschaften beeinflussen, manipulieren, bewirtschaften.
Das wiederum, genau das führt mich zurück zum Thema
"Spießer", ohne die solches kommerzielle Abgrasen ganzer Völker nur halb so
gut läuft, was ja auch die historischen Faschisten wußten... |