14. Mai 2010 Was für eine
Ernüchterung, wenn man so ein interessantes Maschinchen wie die Dunstabzugshaube zerlegt.
Das stattlich aufgebaute Gerät erweist sich als hohle Phrase.
Meine letzten konventionellen Glühbirnen haben nun einen
letzten Zweck gefunden. Um die alte Fettschicht von Gitter zu bekommen, hatte ich erst auf
Putzbenzin gesetzt. Das kam mir dann aber etwas bedenklich vor. Obwohl das eine sehr
flüchtige Substanz ist, mochte ich sie nicht mit einem Küchenherd in Verbindung bringen.
Eine Flasche mit billigem Schnaps, Restbestand nicht
erinnerbarer Geselligkeiten, wies mir den Ausweg. Damit war schließlich genug Dunst im
Raum, an dem sich der Dunstabzug dann, merklich fettärmer, bewähren konnte.
Cut!
Ich denke, beim Publizisten Gerfried Sperl habe ich in den
letzten Wochen das erste Mal gelesen, die anrollende "Welle von Spekulationen gegen
den Euro" sei ein Krieg. Solche Metaphern tauchen seit einiger Zeit öfter auf.
Dieser Artikel stammt vom 9. Mai. (Quelle: "Kleine Zeitung") Ein Reden
über den "Großangriff der Spekulanten" bringt ja langsam etwas Licht in unsere
Innenpolitik. Wie sehr hat ein Pöbel, der sich nach sozialem Aufstieg verzehrt, eher
seinesgleichen und schlechter gestellte Menschen als die Gefahr angenommen, die ihnen der
Boulevard als Bedrohung serviert hat.
Ich vermute, wir müßten im Promillebereich rechnen, denn
es wird auf hundert "Ausländerdebatten" noch keine Debatte über räuberische
Eliten kommen. Warum sollte man jene Kreise unter Verdacht stellen, denen man eigentlich
gerne angehören würde?
Dabei müßte einem langsam dämmern, was da läuft: Wie
kommt man in einem Jahr auf 40 Prozent Profit? Im Eintrag vom 23. Jänner dieses Jahres war anzumerken: "Ich hab
gestern notiert, die Milliardärin
Ingrid Flick habe mutmaßlich durch den Einsatz von rund einer Million Euro einen Profit
von 400.000 Euro gemacht." [Quelle]
Das sind so Geschichten, wenn sich derlei Optionen
schlagartig vermehren, ohne daß eine Staatengemeinschaft den Zockern legistisch die Arme
bricht, brauche ich keinen Krieg mehr, da kann ich meine Bude gleich selbst in Brand
stecken und mich unter eine Brücke legen.
Zocker-Eliten. Der einzelne Nationalstaat ist offenbar
längst nicht mehr gerüstet, sich gegen solche Formationen angemessen zu verteidigen. Ich
hab gestern das Thema Heimat
angerissen. Zum stets neuen Klärungsbedarf bei solchen Begriffen paßt eine andere
Debatte, in die ich dieser Tage kurz verwickelt war. Das machte sich am Stichwort
"Bosnien" fest. Bosnien und Hercegovina ist mit seiner aktuellen Geschichte eine
harte Lektion für Europa. Wer meint, das sei bloß ein Problem für die südslawischen
Leute, leistet sich eine luxuriöse Ignoranz.
Ist Ihnen der Unterschied zwischen Bosniern und
Bosniaken geläufig? Ich hab zu Bosnien und seinen Menschen eine ganze Menge offener
Fragen, bekam aber eben zu lesen: "Ich verstehe nicht, warum auch unter
gebildeten Menschen immer wieder diese Fragen auftauchen..."
Das tut so, also bestünde einigermaßen Klarheit, wie die
Dinge dort liegen. Dabei ist es keineswegs so, daß mir Leute aus Bosnien die
gegenwärtige Situation des Landes und seiner Menschen halbwegs schlüssig erklären
könnten, ohne mir mit ideologischer Befrachtung den Blick zu trüben oder das Thema über
einen "Opfer-Täter-Diskurs" einzuengen.
Bosnier sind Bürgerinnen und Bürger des Staates
Bosnien. Bosniaken sind eine Ethnie, wie auch Serben und Kroaten. Wir nehmen
gerne an, Bosnier, also genauer: Bosniaken seien generell Moslems; in einem
konfessionellen Sinne. Falsch!
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die politische Kategorie "Moslem
durch Nationalität" eingeführt (Volkszählung von 1961), die durch den
Großbuchstaben M in "Muslimani" vom klein geschriebenen "muslimani"
unterschieden wurde, das die konfessionellen Moslems meinte.
Die Wurzeln dieser Ethnie liegt bei Konvertiten nach
osmanischer Okkupation. Die Osmanen sind dabei etwas pragmatischer gewesen als die
Christen. Wenn man ein aufgestelltes Regelwerk achtete, konnte man meist an der eigenen
Kultur und den eigenen Gepflogenheiten festhalten. Dafür fielen aber Steuern an. Das
Konvertieren zum Islam konnte zum Beispiel diese Steuerlast mindern.
Marie-Janine Calic befaßt sich mit diesem Thema eingangs
in ihrem Buch über den Krieg in Bosnien-Hercegovina. (Es wird schon so gewesen sein, daß
Tito diese Option einführte, um der serbisch-kroatische Dominanz im vormaligen
Jugoslawien einen weiteren, ausgleichenden Faktor gegenüber zu stellen.)
Ich würde sagen: Gerade unter gebildeten Menschen liegt es
nahe, den vielen Fragen nachzugehen, die der bosnische Staat derzeit aufwirft. Da ist nur
wenig klar, am allerwenigsten, wie nun praktisch ein souveräner Staat aus BiH
werden kann.
[Der "Balkan-Reflex"]
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