23. Jänner 2010 Manchmal
kommt es eben so. Wir werden zu einer Chef-Konferenz gebeten. Auf halbem Wege erreicht
mich im Auto die Nachricht, daß wir doch nicht benötigt werden. Formelle Entschuldigung
vom Management. Das paßt zu jenem Büro, wo du wie ein lästiger Lieferant im Stiegenhaus
herumstehst, wenn's bei dem Termin vor dir etwas länger dauert. Um eine Sitzgelegenheit
zu erreichen, denn 15 bis 20 Minuten steht es sich doch lange, mußt du zwei Stockwerke
runter und rüber in's andere Gebäude.
Das kann man sicher keiner einzelnen Person vorwerfen, das
bildet aber den Status quo eines Systems ab. Und das sind noch die harmlosen Seiten der
gesamten Problemlage. Ich habe dafür den Begriff "Verschnöselung"
vorrätig. Ja, dies und das und blablabla, die Gründe sind evident. Die Gegenteile davon
aber auch.
Der Bürgermeister meiner Stadt hat mich noch nie wie einen
lästigen Lieferanten im Stiegenhaus herumstehen lassen. Oder. Im Projektlogbuch (log #227) hab ich
kürzlich Christian Schweighofer erwähnt, den Chef einer Medienfirma. Dieser Laden macht
unter Garantie mehr Umsatz und Gewinn als die meisten Läden in ganz Gleisdorf. Es
illustriert einen möglichen Status quo, im Vorbeigehen auf einen Kaffee im Chef-Büro zu
landen.
Ich bin dann mit "kunst ost"-Kollegin Christa
Ecker-Eckhofen beim Kaffee in St. Ruprecht gelandet, wo wir Bürostunde abhielten. Ein
angemessener Platz für die Arbeit am regionalen Kulturgeschehen, beim kleinen,
verschneiten Bahnhof, von dem längst nur ein Bahnsteig geblieben ist. Der Wegweiser zum
Café ist ein Vielfaches größer und markanter als der Pfeil mit der Aufschrift
"Bahnhof".
Es wird nicht weiter zu beklagen sein, weil es ohnehin
niemand hören will, es bleibt eine spannende Aufgabe, in einem Gemeinwesen, in einer
Region klar zu machen, daß die Felder der Kunst und Kultur Felder von Professionen sind.
Und zwar keine "Dienstleistungsbetriebe" für den Tourismus. Und auch keine
Geldwaschanlagen für Kommunen, in denen dann alles mögliche als
"Kulturprojekt" verkleidet wird.
Wenn ich etwa höre, die Gegend brauche ein
"Landmark", dann kommt mir das so vor, wie die betuliche Brauchtumspflege von
Bildungsbürgern, die am Spinoff (Brauchtum) längst versunkener Lebenswelten festhalten.
Man möchte sicher nicht um's Verrecken so ärmlich leben, wie die Menschen jener
agrarischen Welt, deren harter Jahreslauf solches Brauchtum hervorgebracht hat. Aber Dekor
und Kolorit sind ja nett.
Ein "Landmark" zu erfinden halte ich für Unfug.
Sowas ergibt sich, weil ein ursprünglich anderen Zwecken gewidmetes Merkmal sich dazu
eignet. Oder wenn ein wahrhaft außergewöhnliches Vorhaben auf den Punkt kommt.
Es mißfällt mir, wenn Menschen daran gehen, den
Lebensraum einer Bevölkerung zu "dekorieren". Auf diese Art entsteht keine
Bedeutung, die der Rede Wert wäre und die eine Chance auf Dauer hätte. Aber in Zeiten
der angeblichen Machbarkeit wird eben so gedacht und verfahren. Eine Echo des
Nationalismus, als man begann, ganze Völker in Eindeutigkeiten zurechtzurichten.
Wie sagte voriges Jahr der Gleisdorfer Tierarzt und
Gemeinderat Karl Bauer zur Errichtung von EU-geförderten Landmarks? "Wozu bauen
wir Aussichtstürme, wenn wir eh nicht über den Tellerrand hinausschauen wollen?"
Cut!
Ganz bemerkenswert! (Quelle: "Der Standard") Ich bin höchst
neugierig, was da noch dingfest wird. Ich hab gestern
notiert, die Milliardärin Ingrid Flick habe mutmaßlich durch den Einsatz von rund einer
Million Euro einen Profit von 400.000 Euro gemacht.
Lassen wir Flick beiseite, ich weiß ja nicht, ob das so
zutrifft. Aber es scheint festzustehen, daß man bei der Hypo Alpe-Adria in
Kärnten durchaus VIERZIG PROZENT Profit machen konnte. Das ist natürlich heller
Wahnsinn. Und ich meine: Wahnsinn. Denn ich denke, daß schon vier Prozent Gewinn sehr
passabel wären, wenn jemand Geld einsetzt, statt etwas zu produzieren. Das Zehnfache
davon bedeutet zwangsläufig, daß andere bluten müssen. Und es werden wohl nicht andere
Milliardäre sein, die da bluten.
Es fehlt dann im Sozialbereich und Bildungswesen, es fehlt
bei der Infrastruktur, es "produziert" ideologische Konstrukte wie den
"Sozialschmarotzer" oder den unter Generalverdacht stehenden
"Asylanten".
Es füttert und fördert auch solche Perlen
der Mitmenschlichkeit, die dann, statt selbst zu denken und Zusammenhänge zu erforschen,
dem Kritiker zurufen: "Weg mit dem Nestbeschmutzer!" (Quelle: "Kleine Zeitung") Wäre noch
zu fragen: Wohin wünschen der Herr den Nestbeschmutzer? Nach Sibirien. Oder in eine
Gaskammer? Was darf's denn sein?
Und was möchte ich dem Herren nun lieber
empfehlen? Lernen Sie denken! Lernen Sie rechnen! Nutzlos! Hier ist einmal mehr ein
Untertan, der sich seiner Herrschaft auf's wärmste empfiehlt: "Ich werde Euch
treu und dienstbar sein, wenn ich nur etwas vom milden Glanz Eurer Größe auf mich fallen
sehen würde ..."
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