13. Juli 2009 Ich weiß
nicht mehr, wann genau es war. Vor mehr als 20 Jahren sicher, aber vielleicht keine 30
Jahre her, wurde in den USA ein Koreaner von aufgebrachten Arbeitern aus der
Automobilbranche totgeschlagen. Man hatte ihn für einen Japaner gehalten. Der
Konkurrenzdruck importierter japanischer Autos wurde für jene quälenden Sorgen
verantwortlich gemacht, wegen derer also ein Koreaner sterben mußte.
Es hatte 1973 und 1979/80 so massive Preisbewegungen im
Ölgeschäft gegeben, daß die Weltwirtschaft Schlagseite bekam. Innenpolitisch werden in
solchen Fällen gerne ausländische "Feinde" kenntlich gemacht und
zurechtgestellt. Das scheint ein international bewährtes Vorgehen zu sein. Manchmal gibt
es dann eben Tote.
Woran ich mich ferner erinnere:
Mein damaliges Staunen darüber, daß ein so mächtig erscheinendes Amerika wirtschaftlich
derart massiven Einflüssen seitens anderer Nationen ausgesetzt sein konnte. Die
amerikanische Automobilbranche krachte enorm. Noch mehr habe ich gestaunt, daß es über
ein damals wirtschaftlich fast unüberwindlich scheinendes Japan plötzlich hieß: Auch da
gibt es längst keine "nationale Wirtschaft" mehr, die gegen massive
Bewegungen in anderen Weltgegenden gefeit sei.
Aber vermutlich war mit diesem Phantasma der
"nationalen", besser: kleinräumigen Wirtschaft ohnehin spätestens bei der
Einführung der Eisenbahn Schluß. Oder wir müssen für den Beginn des seegestützen
Fernhandels in der Renaissance annehmen, daß damals ganz konkret begann, was wir heute
unter einer "globalisierten Wirtschaft" verstehen. Mit allen Konsequenzen, die
hinlänglich bekannt sind. Da war nun diese Frage:
>>Was passiert übrigens mit den armen Ländern?
die sollte doch auch wer aufbauen ...<< [Das vollständige Zitat: gestern!]
... aus der Debatte, deren Ausgangspunkt ich im Eintrag vom 9.7.09 notiert habe. Durch einen
Anlaßfall war dazu das Kosovo im Gespräch, heute: Die Republika e Kosoves. Wer will
beispielsweise dieses Land im "aremen Süden" heute "aufbauen"?
"Westeuropa", wo man während des ganzen
Sezessionskriges, vor allem aber davor, drauf geschissen hat, daß der völlig
verarmte Süden längst völlig im Eimer ist? Amerika, das dort mit dem Camp Bondsteel [link]
seinen größten europäischen Stützpunkt (für sich) strategisch vorteilhaft aufgestellt
hat? Die einheimischen Clans, welche heute teilweise die Regierung stellen und zu einem
erheblichen Teil der UCK angehörten, die ihren Krieg gegen Jugoslawien mit Anteilen am
organisierten Verbrechen realisiert haben? Die Mobsters, die dort mit Frauen, Sprit,
Zigaretten und sonst was Geschäfte machen? Jene "Mission Junkies" der Vereinten
Nationen, die sich dort nach dem Krieg dumm und dämlich verdient haben, während das Land
weiter vor die Hunde ging? Wer?
Ich hab mir von einer katholischen Nonne erzählen lassen,
wie das Leben dort ist, wenn man nicht zur winzigen wohlhabenden Elite gehört. Was
Schwester Johanna Schwab glaubhaft berichtet, handelt in etlichen Bereichen definitiv von
einer Hölle auf Erden.
Im Kosovo müssen zwanzig Prozent der Menschen
mit einem Euro pro Tag auskommen. Die können sich keine Bekleidung kaufen. Sie
erzählt etwa von einem serbischen Dorf, da haben sie 96 Prozent
Arbeitslose. Da hat die Ordensfrau mit Familien zu tun, der gehören sechs
Kinder an, im Monat sind gerade einmal 50 Euro verfügbar. [Quelle]
Worunter das Land vermutlich mit am meisten leidet, ist der
enorme "Brain Drain". Das heißt, es fehlt ungefähr eine ganze Generation jener
gut ausgebildeten Leute, die es während des zermürbenden Sezessionskrieges außer Landes
geschafft haben. Es sind viele wichtige Kompetenzen verloren gegangen.
Im Factbook der CIA liest sich das
so:
>>Kosovo's citizens are the poorest in Europe with
an average annual per capita income of only $2,300. Unemployment, around 40% of the
population, is a significant problem that encourages outward migration and black market
activity. [Quelle]<<
Zurück zur Idee:
>>die sollte doch auch wer aufbauen ...<<
Ja. Wer? Und mit welchen Mitteln? Aber vielleicht wäre es
viel klüger, die Flüchtlinge hier ein sinnvolles Leben führen zu lassen und sie
auszubilden. Es ist sehr wahrscheinlich, daß ein nennenswerter Teil von ihnen früher
oder später das dringende und drängende Gefühl bekommt, der "alten Heimat"
etwas zurückzugeben, etwas für "ihr Land" zu tun, ja sogar zurückzugehen, um
vor Ort etwas für ein neues Blühen zu leisten.
Aber das braucht Zeit und Ermutigung, statt Druck,
Abschäztigkeit und Abwehr. Außerdem, und das wird von "vaterländischen
Leuten" gerne verschwiegen, unter den Teppich gekehrt, Österreich profitiert enorm,
wenn es gut ausgebildete Leute bekommt, deren Ausbildung "uns" nichts gekostet
hat. Österreichs Regierende sind bloß leider teilweise so deppert, daß sie hoch
qualifizierte Leute ohne Arbeitserlaubnis in Internierungslagern verkommen lassen, statt
diese Kompetenzen dem Land nutzbar zu machen. (Eine graduierte Diplomingenieurin oder
fertige Ärztin etc. als billige Putzfrau, das ist volkswirtschaftlicher Schwachsinn.)
So schauts aus. Und was auch immer konkret von manchen
Asylsuchenden hier an diesen oder jenen Schäden angerichtet werden mag, weil es eben auch
Delinquenten unter ihnen gibt, unterm Strich würde die Rechnung immer noch gut aussehen,
wenn Österreich sich die Kompetenzen der Flüchtlinge angemessen nutzbar machen würde;
als "Gegenwert" für eine kluge und effiziente Unterstützung der Leute.
Aber heute, im Kielwasser der nationalistischen Diskurse,
sind wir offenbar zu blöde geworden, das sinnvoll einzusetzen, was Europa und was
Österreich über Jahrhunderte groß gemacht hat. Die enorme Vielfalt an Eigenheiten und
Qualitäten der verschiedenen Ethnien. Dieser Nutzen war über all die Jahrhunderte
niemals auf einem so kleinen Territorium wie dem heutigen Österreich lukrierbar.
[Der "Balkan-Reflex"]
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