24. Dezember 2008

Ich hab kürzlich über Weihnachtspost räsoniert, die mir mißfällt. Gedankenloses Abspulen der Konventionen im gerade möglichen Mindestmaß von Floskeln und beliebig befüllbaren Container-Sätzen.

Vielleicht ist das aber auch bloß Ausdruck einer Hilflosigkeit in der Welt zu sein. Möglicherweise läßt sich daraus kein Vorworf ableiten. Woran Maß nehmen? Wovon handelt Verantwortung? So viel läßt sich vielleicht feststellen und erwarten: Davon, daß jemand Antwort gibt.

Floskeln, Container-Sätze, irreführendes Dekor ... Es beschäftigt mich die Mögliche Unterscheidung von Information und Manipulation immer wieder. (Siehe dazu auch: "Sind Kruzifixe sexy?") Die plüschige Inszenierung soll gewöhnlich den Blick verstellen. Das üben meine Leute für mich erkennbar, seit ich mir darüber Gedanken mache.

Ein Beispiel: Sollten wir uns über das Kosovo Gedanken machen? Ich erhielt von dort eben Weihnachtspost. Ich habe im Eintrag vom 6. Dezember die Ordensfrau Johanna Schwab erwähnt. Sie schrieb nun unter anderem:

>>... wir machten einen Spatenstich bei der kleinen Schule in Dragaqin, die weder Strom noch Wasser hatte, die an keine Straße angebunden war, wo die Fenster kaputt waren, die Sanitäranlagen im Gebüsch verfallen und wo es nicht mal einen Kasten gab.<<

Das Kosovo ist nicht bloß eine Konsequenz des wirtschaftlichen Nord-Südgefälles im vormaligen Jugoslawien zuzüglich ethnisch fixierter Konflikte zwischen vor allem Serben und Albanern, die weit hinter das 20. Jahrhundert zurückreichen, plus unmittelbare Kriegsfolgen. (Eine erdrückende Mischung.) Das Kosovo ist auch zu einem Makel des Westens im neuen Jahrhundert geworden. Als Ergebnis einer Kolonialpolitik auf dem Balkan, die mindestens mit der einstigen Okkupation von Bosnien und Herzegowina durch die Habsburger (1878) begonnen hat und seither offenbar nicht mehr zu Ende ging.

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Kurios, daß ich diese Vernissage mit Arbeiten aus dem Kosovo hier zwar angekündigt, dann aber nichts mehr davon erzählt hatte. Ich habe dort zwei der Männer, die am jüngsten Abschnitt dieses Prozesses mitgearbeitet haben, real getroffen. Den Diplomaten Albert Rohan, vormals Deputy von Martti Athisaari während des "Kosovo Status Process", und Erhard Busek, den "Special Coordinator of the Stability Pact for South Eastern Europe".

Haben solche Männer nun essenziell beigetragen, die Region zu befrieden? Haben sie (und/oder) ein Stück der Kolonialgeschichte weitergeschrieben? Ich möchte knapp vor der Jahreswende anmerken, diese Geschichte wird sich als repräsentativ erweisen, wenn gefragt wird, wo dieses EU-Europa hingeht.

"Der Westen" hat seine selbstgewählten Regeln in dieser Sache x-mal gebrochen. Ich denke, darin liegt reichlich Anlaß, daß wir schleunigst überprüfen, welche Regeln wir in unseren Demokratien für unverzichtbar halten und wie wir für deren Einhaltung sorgen wollen.

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Einen kleinen und sehr amüsanten Beitrag dazu haben mutmaßlich eher junge Leute in Gleisdorf appliziert. Es gibt also viele Wege, sich um manche Prinzipien zu kümmern. Es sind ja die letzten Nazi-Fressen aus der Zeit noch nicht alle unter der Erde, da hat sich der geistige Nachwuchs kräftig festgesetzt. Den markantesten Vorfall der nahen Vergangenheit, das Attentat auf einen Polizeichef, habe ich im Eintrag vom 17. Dezember notiert.

Wenn die Vaterländischen begonnen haben, Amtsträger der Exekutive anzugreifen, besteht in einer Demokratie erheblicher Handlungsbedarf. Nicht bloß bei der Exekutive, die wird sich der Sache bestimmt mit einiger Ausdauer widmen.

Nein, da ist ja die ganze Gesellschaft gefordert. Vor wenigen Tagen war in "Der Standard" diese Notiz zu finden. Keineswegs der erste Anschlag solcher Art.

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Quasifaschistische Rudel legen mitten in Europa an Gewaltbereitschaft zu. Bei der Gelegenheit erneut: Ein warmes Dankeschön an unsere Innenpolitik, die solches Klientel teilweise bewirtschaftet hat. Während sich einer der Hauptakteure solcher politischer Entwicklungen heuer selbst unter die Erde gebracht hat, zanken sich andere gerade um die Witwe.


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