19. Dezember 2008

Beschwerlich, daß ich in Lokalen und auf Straßen, in Geschäften und Liften laufend Musik hören muß. Dieser Mainstream-Schrott ist eine Bürde. Zusätzlich müßte die kollektive Blödheit, in der Adventzeit das überschaubare Pop-Repertoire zum Thema "Christmas" rauf und runter zu spielen, mit hohen Geldstrafen belegt werden. Anders kann man einigen meiner in der Hinsicht depperten Mitmenschen mutmaßlich nicht beikommen.

Und jetzt geht es im Postfach erst so richtig los. Dabei ruinieren manche Kunstschaffende aus meinem Umfeld gerade ihre Reputation nachhaltig. Denn was soll ich von jemandes Qualitäten halten, der oder die in der Lage ist, mir ein geradezu miserabliges Bildchen als Weihnachtsgruß zu schicken? Zeiten der ästhetischen Grausamkeiten.

Da ist üblicher Spam-Kram manchmal geradezu erholsam, ja, stellenweise sogar amüsant. Wie etwa Post unter dem Motto "Der minimale Preis fur die letzte Sammlung der Schmuckstucke":

>>Den guten Tag. Sie zerbrechen sich den Kopf, was, vom Beliebten zu schenken? Machen Sie wurdig prezent... Bei uns wirst du die angesehensten Sachen, nach dem demokratischen Preis finden.<<

Köstlich! Aber was soll ich, bitte, zum Beispiel von einem Architekten halten, dessen Weihnachtspost eine geradezu peinliche Übung des menschlichen Desinteresses ist? Die völlig unnötige Massensendung besteht aus zwei Teilen. Teil #1 lautet:

Mit den besten Wünschen für ein
Frohes Weihnachtsfest
und
ein gutes neues Jahr

Der zweite und in der Mail absolut dominante Teil ist die nebenstehende Formel. Was also unterm Strich heraus und bei mir ankommt, ist als Kommunikationsakt unter aller Sau.

Es bleibt mir ein Rätsel, warum mir jemand so eine Gedankenlosigkeit zumutet. Oder ist das als Beleidigung gedacht?

Dagegen finde ich die Weihnachtspost von Künstler Christian Eisenberger sehr tröstlich und erhellend. Er schrieb:

>>marry crisis and a happy new year... best regards, c!!<<

... und ist außerdem gerade in London von der Polizei geschnappt worden: [link] Sowas hilft mir über saisonale Intelligenztrübungen in meiner Umgebung hinweg.

Ähnlich erbaulich geht es bei Graphic Novelist Jörg Vogeltanz zu, dem das Süßliche eher fremd ist und der mich zu erheitern versteht:

log267a.jpg (13488 Byte)

[GROSSE ANSICHT]

Dafür hocken mir dann gleich wieder Kommerz- Deppen im Nacken. Wie etwa das Promotion- Gesindel von Pinnacle Systems, von dem ich erfahre:

Wahnsinnsangebote zum 3. Advent!

Was Wahnsinn? Diese blöde Superlativismus, in dem dauernd die banalsten Dinge aufgebrezelt werden. Wie sprechen diese Idioten denn dann über Dinge, die wirklich Gewicht und Bedeutung haben? Da müssen ihnen zwangsläufig die Worte fehlen, weil sie jede gesteigerte Form schon an Banalitäten verbraucht haben.

Man möchte den Deppen eine Lobotomie wünschen, wenn das nicht höchst unzivilisiert und völlig indiskutabel wäre.

Oder sind wir es selbst, die solche Trottelei produzieren? Ermutigt unser Konsumverhalten die Wirtschaftswelt zu derartigen Kommunikationsweisen?

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Ein Beispiel: Als wäre nicht eben eine kalte Springflut über uns gekommen, welche durch die härtestens Bankenkrachs seit 1929 ausgelöst wurde, finde ich im Postfach die Frohbotschaft:>>Aktie mit Explosionspotential - Gewinn pro Aktie kann deutlich höher als der aktuelle Aktienkurs sein<<

Solchen Dreck (HIER der Volltext) kann man doch nur promoten, wenn man sich auf eine weit verbreitete Mischung von Habgier und Blödheit verlassen darf. Vielleicht soltle ich tun, was mir besonders schwer fällt, nämlich etwas auf den Knieen rutschen und meine Generation anflehen: Bitte den Verstand einschalten!

Wenn ich auch auf die Welt so ganz generell keinen Einfluß nehmen kann (und will), bleibt doch mein betrübter Appell: Bitte dringend, mich mit gedankenloser Weihnachtspost und herzlosen Kommunikations-Simulationen zu verschonen, denn solche Zumutungen nehmen mich gegen die Absender ein, nichts sonst. Und ich bin in solchen Fragen nachtragend ...


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