27. April 2006
Kleine Gläschen mit verlockendem Inhalt. Nein, kein
Tintenfaß. Es ist eine Portion Kürbiskern-Pesto, die ich geschenkt bekommen habe. Was ja
ganz passabel zum Espresso-Häferl von gestern
paßt. Südliche Einflüsse.
Nein, Schälchen, das geht hier nicht, käme mir auch nicht
über die Lippen. Ich versuche ja, Dünkelhaftigkeit zu meiden. Aber da hätte ich eine
physiologische Ungelegenheit, die mir mißfällt. Denn das Ä verlangt einen breiten Mund,
in dem die Zunge dann nicht recht weiß, wie sie das L anlegen soll, besser noch: wo sie
es anlegen soll. Während das Häferl einem das breite Maul dezent schließt.
Aber! Kürbiskern-Pesto. Das handelt auch von Kernöl.
Daher die dunkle Farbe. Südliche Einflüsse. Durchstreift man die Küchen, wie könnte
man da an Krieg denken? Oder auch nur an Feindschaft?
Das läuft eben über Stereotypen, statt über das Tafeln.
Italien zum Beispiel, woher wir wohl Espresso und Pesto bezogen haben, übrigens: das
Wienerschnitzel auch! In "Captain Corelli's Mandolin", worin es sich Nicolas
Cage endgültig mit mir verdorben hat, weil sein ewig gleiches Augenaufreißen und der
unvermeidliche Pimp Roll jede Rolle, die er annimmt, mit Cage überzieht, in diesem
bittersüßen Ereignis, da Griechen die Italiener in Albanien schlagen, um sie danach im
Kielwasser der Nazi als Okkupanten hinnehmen zu müssen, sagt die spröde Pelagia
(Penelope Cruz) zum Captain Antonio Corelli:
"Ein tapferer Italiener ist eine Laune der
Natur."
Dieses merkwürdige Klischee vom "feigen
Italiener", das bei näherem Hinsehen sehr kluge Positionen offeriert. Nämlich die
Zuwendung zum Leben, die, wie auffallend, in unserer Kultur immer wieder als
"Feigheit" denunziert wurde.
Man müßte feindselige Regime dazu bewegen können, daß
man sich vor den Schlachten in den Küchen und Weinkellern trifft. Es gibt ein sehr
populäres Lied, das schon die Bersaglieri in Afrika gebrüllt haben:
Oje vita, oje vita mia,
oje core 'e chistu core,
si' stata 'o primm'ammore
'o primmo e ll'ultimo saraje pe' me!
Das ist 'O Surdato 'nammurato, "Der verliebte
Soldat". Worüber mir der inzwischen verstorbene Dichter Gerhard Kofler geschrieben
hatte:
"Und ich sage auch, "oje
vita, oje vita mia", das ist deshalb so einfach und wunderbar, weil hier die Anrufung
der fernen Geliebten ident ist mit der Anrufung des Lebens, mit der Sorge ums eigene
Überleben, mit der Sehnsucht nach dem Frieden und der Umarmung, sowie mit dem
Unverständnis gegenüber dem Krieg.
Aus Briefen ist öfters zu lesen, daß die in den
Schneegebieten des Nordens eingesetzten neapolitanischen Soldaten (im Gegensatz zu den
dort ansässigen Italienern, die laut Hemingway "die tapfersten Soldaten der
Welt" waren) es nicht verstehen konnten, warum man für eine so frostige und desolate
Gegend überhaupt kämpfen sollte." [Die
komplette Mail]
Tja, Hemingway ist, nebenbei bemerkt, keine so schlechte
Referenz. Übrigens! Küchen. In diesem Zusammenhang habe ich unlängst einen Hinweis
entdeckt, der mir etwas besser begreiflich macht, was denn das sei, "Balkan",
worüber wir so reichlich unüberprüfte Annahmen, Klischees und Ratlosigkeiten haben. Es
ist allerdings in der Tat eine für Außenstehende verwirrende Region ...
Was mich an ein anderes Lied denken läßt. Das ich in
einer Nacht voller überquellender Herzen an der Donau gehört habe, in Zemun. Also mitten
in Serbien, da sich unser Tisch gebogen hat wie jeder andere Tisch im "Reka"
(Siehe Eintrag vom 18.9.04"):
Meine freunde sind
wie perlen
Über die ganze Welt
zerstreut.
Aber ich bin ein zugvogel und
treffe die manchmal im fliegen ...
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