24. April 2006
Birne? Das war gestern.
Heute: Zwiebel. Gehört eigentlich nicht in den Kühlschrank. Dort entwickeln sich
Zwiebeln ungünstig. Aber in zeitgemäßen Wohnungen, die ohne Kellerabteil und
Speisekammer auskommen, ich würde aber auch beim Kochen nicht in den Keller rennen
wollen, um an die Zwiebeln zu kommen, kurz: im Kühlschrank werden aus Zwiebeln seltsame
Objekte.
Offen gesagt, in meinem Kühlschrank werden auch andere
Güter gelegentlich zu seltsamen Objekten. Apropos seltsame Objekte! Ich habe gestern unter anderem Virgil Exner erwähnt. Muß
nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Ein Name, der Assoziationen in Gang zu
setzen vermag. Aber! Man muß ein wenig unerschrocken sein, um genauer hinzusehen, denn
WAS Exner seinerzeit so in Gang gesetzt hat, kann vervblüffen:
Diesen 1960er Chrysler Imperial habe ich vor einigen Jahren
in Andritz erwischt. Sowas sieht man normal ja nur in alten Vorabendserien über
intergalaktische Abenteuer. Dort fliegen derlei Dinge. In den Weiten des Weltraums.
Nun haben Sie einen kleinen Eindruck gewonnen, wie das mit
dem Erzählen so geht. Von Zwiebeln zu Straßenkreuzern zu außerirdischen Vorkommnissen.
Und ständig muß der Autor entscheiden, was denn nun im Fokus bleibt, was wegfällt, was
später kommt und was nie ... all diese Kleinkrämerei, ohne die es keinen Roman geben
könnte. Erbsenzählen auf hohem artifiziellen Niveau.
Als ich vor vielen Jahren Berlin besucht habe, damals
"Ostberlin", so sagten wir "Wessis", die Einheimischen sagten: Berlin,
die Hauptstadt der DDR, als ich mit einem Nachtzug dort angelangt war, bin ich bald auf
der Suche gewesen. Nach dem Haus von Arnold Zweig.
Das ich fand und aufsuchte, in Zweigs Arbeitszimmer verweilte, und mich daran erinnerte,
was mich zum Beispiel an seinen Büchern beunruhigt hatte. Die Gewißheit, er könne in
den Landschaften, die seine Handlungen beherbergen, jedes Kraut, jedes Gras und jedes Tier
benennen.
Detailkenntnis. Als nur eine von vielen nötigen Zutaten
der Literatur ... man ahnt, warum ausufernde Befindlichkeitsprosa bei uns so grassiert.
Die handelt ja prinzipiell von dem, was man ohnehin schon weiß. Mich langweilt stets das,
was ich ohnehin schon weiß. Das andere aber ist so etwas Ungewisses. Zwiebel. Diese
lausige Metapher von den vielen Schalen, Schichten, weshalb man nie wisse, was unter der
nächsten verborgen sei. So schließe ich für heute: Bücher sind eigentlich wie
Zwiebeln. Sie riechen bloß anders und wie sie sich im Kühlschrank entwickeln würden,
habe ich noch nicht ergründet ...
Cut!
Ich habe unlängst
Jerry Hall erwähnt. Und ihre Engagement dafür, das Thema "erektile
Dysfunktion" aus der Tabuzone zu zerren. Wozu mir einfällt, daß dieser Terminus ja
schon rein phonetisch derart unsympathisch erscheint, daß man ins Grübeln kommt.
Passend zum Thema schrieb mir dieser Tage ein Ryan mit
"UK-Adresse", also aus dem virtuellen Großbritannien, in tadellosem Deutsch:
"Hi, meine Frau, mit der ich 5 Jahre gelebt hatte,
hat mich betrogen. Dafür zeige ich ihre Aktfotos aus unserem privaten Fotoalbum. Alle
sollen sie nackt sehen. ..."
Man ahnt, das macht es ja so schwierig, wenn wir Jungs in
Schwierigkeiten stecken. Denn daß Mistah Ryan hier bloß eine Porno-Website anpreist, ist
klar. Aber mit welchen Phantasien dealt der Junge? Was den einen erschlaffen ließ, soll
den anderen aufrichten. Vice versa. Die Libido als Rache-Engel in Stellung gebracht, bei
den unweigerlichen Verwicklungen, die das hervorbringen muß, wird wohl auch Jerry Hall
nicht helfen können.
Cut!
Nun hab ich schon einige Tage düstere Andeutungen gemacht.
Es sei eine Unruhe im Land, die sich seltsam bemerkbar mache. Also sollte ich langsam
deutlicher werden. Ich werde es erzählen. Es ist an markanten Vorfällen ablesbar, die
teilweise mit gutem Grund als "Einzelfälle" vorgeführt werden. Das sind sie
aber nicht. Sie sind Ausdruck von Tendenzen und werden sich häufen.
Da war zum Beispiel der Brigadier, der Österreichs
Gerichte herabwürdigt und die Verantwortung der Täter, unter deren Händen ein Afrikaner
sein Leben verlor, schmälert. [LINK] Da bekennt
der stellvertretender Polizeikommandant von Wien, daß Angehörige einer
Spezialeinheit einen Afrikaner in einer Halle schwer mißhandelt, mit dem Auto angefahren
und mit dem Umbringen bedroht haben. [LINK] Da
verweigert der Pfarrer von Raxendorf behinderten Menschen die Kommunion, heißt es beim ORF. Wie das zusammenhängt?
Wird zu (er-) klären sein ...
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