30. März 2006 Ich hatte
Anfang der 1990er-Jahre eine kulturelle Linie gepflegt, die ich
"Küchengespräche" nannte. Die, in Küchen stattfindend, nicht ausschließlich
privater Natur waren, sondern als ein Stück Teilöffentlichkeit angelegt. Welche
kulturellen Themen gewidmet war. Gestern habe ich
meine Begegnung mit dem Historiker Robert Hausmann erwähnt. In der Küche der Designerin
Barbara Baumgartner. Am Vormittag landete Anton Lederer, Vorsitzender des "forum stadtparks", dann in meiner
Küche.
Wie ich mit Hausmann das Thema sozialer Schichtungen
gestreift hatte, war ich auch mit Lederer dort kurz angekommen. Weil sich ja etwas salopp
durchaus behaupten läßt, daß die Gepflogenheiten des Großbürgertums von herausragend
prägender und normativer Kraft waren. Für unsere heutigen Vorstellungen von Demokratie
und und Kultur.
Wobei wir uns einig waren, daß man die
"Buddenbrooks" von Thomas Mann für exemplarisch halten könne, wenn man sich
fragt, was mit "Bürgertum" gemeint sein mag. Lederer hatte übrigens, so
erzählte er mir, diesen Roman in Lübeck, dem Ort der Handlung, gelesen, als er sich dort
im Rahmen eines Forschungsprojektes aufhielt. Was ja eine reizvolle Vorstellung ist. Die
Stadt, in der ein so wuchtiger Roman spielt, während der Lektüre grade zu bewohnen.
Was nun dem Bürgertum ihre stattlichen Salons waren (oder
auch noch sind), um kulturelle Schwerpunkte zu pflegen, sind also einem eher proletarisch
geprägten Kerl wie mir die Küchen. Das hat seine nette Schlüssigkeit. Wir hätten es ja
wie die Buddenbrooks, meinte Lederer, daß wir hier beim "zweiten Frühstück"
saßen. Voilá!
Bürgertum. Das ist in einer kleinen Stadt wie Gleisdorf
fast ein Kampfbegriff. Durch den Abgrenzung hergestelölt wird. Denn dieser 5.000
Seelen-Ort will nicht ohne interne Hierarchie sein. Die ebenso ernst gemeint wie
unerbittlich exekutiert sein kann. Deren Spitzenregionen zuweilen mit geharnischten
Mitteln verteidigt werden.
Wobei die Konstruktion von Würde über die Kategorie
"Ackerbürgertum" vorgenommen wird. Was gewissen Charme hat. Da das erstens ein
Begriff ist, der vor allem in der Beschreibung des Städtewesens und der Ackerwirtschaft
im Mittelalter Europas zur Anwendung kommt. Weil zweitens Fachpersonal der Historiographie
eher staunt, wenn diese Form im 19. Jahrhundert NOCH vorzufinden ist.
Was nun bedeutet, daß sich eine oststeirische Stadt-Elite,
die in ihrem real beschreibbaren ökonomischen Rang gerade mal die unteren Positionen der
Kategorie "Kleinbürgertum" zu besetzen vermag, Neigung zeigt, sich selbst im
21. Jahrhundert in einer mittelalterlich geprägten Selbstinszenierung aufzuwerten. Was
sich kontrastreicher zeigt, wenn man den anderen Begriff hernimmt, mit dem das gleiche
soziale Phänomen in der Fachwelt benannt wird: "Stadtbauer". Der in einer
Landwirtschaft tätige Bürger einer Stadt, der sich mitunter auch noch einem Handwerk
widmet. Naja, ich bleib also mal bei unseren Küchen, Salons sind nicht in Sicht ...
Cut!
Medien, die "Einpeitscher des Hasses in
der Welt". So die energische und recht großzügig ausgeteilte Kritik Peter Handkes
an der Branche, am Journalismus. (Siehe Eintrag vom
27.3.) Wofür sich Journalisten immer wieder mit recht derben Artigkeiten bei ihm
revanchieren.
Bliebe immer wieder zu fragen: Was ist dran?
Ist was dran? Gerade und vor allem im Zusammenhang mit den südslawischen Völkern. Denn
eben dieser Zusammenhang, wie Medien mit diesen Zusammenhängen verfahren, ist immer
wieder Anlaß für die wütenden Kritiken Handkes.
Daß selbst Insider ihrer Branche keine sehr
günstigen Befunde ausstellen, wo es um Fragen der Professionalität und der Redlichkeit,
der Fragen nach "sauberer Arbeit" geht, habe ich eben erst an einem Beispiel gezeigt.
Besonders delikat finde ich ein Beispiel, das
in den Blättern gerade mal als Fußnote auftauchte. In eben jenen Tagen, in denen man
Handke rund um die Beerdigung von Milosevic als Zitate markierte Sätze in den Mund gelegt
hat, die ich im Text seiner Rede nicht finden
konnte. Man lese und staune (Diese Notiz war am 23. März im "Der Standard" erschienen):
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Peter Handke]
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