16. Dezember 2005
Keine Quelle ist unschuldig. Meint der
Historiker Jacques Le Goff. Die Dinge haben uns immer was zu erzählen. Oder aber: unser
Deutungsbedürfnis flüstert uns dauernd Geschichten zu. Das hängt mit meiner Faszination
für "tote Handschuhe" zusammen. Tina Salhi von den "Frauen in Schwarz" hat das
Motiv aufgegriffen. Und mir diese schöne Version vom Wiener Zentralfriedhof geschickt.
Cut!
Das neue "Podium" ist da, die
Crew ist eben auch mit einer neuen
Website online gegangen. Für diese Ausgabe war die Wiener Autorin Barbara Neuwirth
verantwortlich.
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Cut! Ich hab gestern über die
Annahmen eines "Habsburgerwahns" aus der Feder eines österreichischen
Brigadiers gestaunt und gerätselt.
Gestaunt was damit gemeint sein könnte und
gerätselt, warum dagegen die teils deutlich pathologischen Nazi in der Kolumne ausgespart
blieben.
Ich hab geschrieben, die Habsburger seien darangegangen,
den Balkan zu kolonisieren. Das ist keineswegs bloß so dahergeredet. Von der Historikerin
Ursula Prutsch (und anderen) gibt es eine Arbeit, die das behandelt: "Habsburg
postcolonial". Wie angedeutet, keine "Wahnideen", einfach ein Ringen um
Vorteile auf Kosten unserer Nachbarn. |
Prutsch schrieb etwa:
"Auch hier spielen Diskurse Innerer
Kolonisierung und die Definition von Kultur- und Zivilisationsgrenzen zwischen 'Westen'
und 'Balkan' eine Rolle. Dass die Politik der Inneren Kolonisierung, der Landnahme seit
dem Frühmittelalter (Ostmark) und das binnenkolonisatorische zivilisatorische
Missionswerk der k.u.k. Monarchie vor allem in Bosnien und der Herzegowina vom
österreichischen Ständestaat wiederholt herangezogen wurden, um die Superiorität des
'österreichischen Menschen' als Vertreter des 'christlich-abendländischen Deutschtums'
zu konstruieren, ...
Das sind Hintergründe
dessen, was ich mir unter "Balkan-Reflex"
vorstelle. Indem noch HEUTE behauptet wird, Serbien sei am Ersten Weltkrieg schuld
gewesen. Während das sich zur "Binnen-Kolonialmacht" aufschwingende k.u.k.
Österreich in der Sache für manche als Opfer dastehen soll. Siehe dazu den Leserbrief
eines Adolf Weinberger an den besagten Brigadier: Eintrag vom 25. Juli 05.
Währenddessen tummelt sich ein anderer Teil
der Operetten-Republik, um Arnold Schwarzenegger zu bestätigen, er habe nun mal den
Gesetzen Kaliforniens folgen müssen, als er Tookie Williams NICHT begnadigen wollte,
wonach der zu Tode gespritzt wurde.
(Quelle: "Kleine Zeitung")
Als Österreicher könnte man ja ein etwas
gespanntes Verhältnis zum Totspritzen von Menschen haben. Hat er aber nicht. Der Brocken.
Er mußte Gesetzen folgen?
Na gut, aber genau DAS heißt doch eben NICHT,
daß Tookie Williams totgespritzt werden MUSSTE. Schwarzenegger hätte auch sagen können,
daß er (ganz gemäß dort gültigem Recht) den Mann begnadigt und, wenns schon um
"Sicherheit" gegangen wäre, seine lebenslange Verwahrung im Knast bevorzugt.
Wäre das GEGEN die Gesetze gewesen? Nein.
Keineswegs. Aber der Terminator hat sich beim Pöbel und sonst wem angebiedert. Das halte
ich für unerträglich, wenn jemand kraft seiner Position und geltender Gesetze die
Möglichkeit HAT, aber verschenkt, eine Hinrichtung durch Begnadigung zu verhindern. Der
Star aus dem Totschlag-Kino fällt damit aus dem Rahmen dessen, was uns die
"Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" vorschlägt.
Was ist denn daran unklar? Man erinnere sich
an das unsäglich "Komm zu Mama"-Cover, das uns diesen Helden erst unlängst
vorgeführt hat: Eintrag vom 11. November. (Was
mich an Sissy Spacek erinnert, die mir bei einem Interview anläßlich der Premiere des
Filmes "Coalminers Daughter" einst erzählt hat, was die Essenz der
Country-People sei: "Loving, cheating, picking Trucks and Mother.")
Apropos Film! Der in München lebende Grazer
Filmemacher Jakob M. Erwa hat
zur Sache einen Brief an den Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl verfaßt, dem man noch
Unterschriften anfügen kann:
Dies ist ein Apell an die Menschlichkeit, der am 22.
Dezember 2005 mit den zahlreichen Unterschriften möglichst vieler engagierter Menschen an
das Büro des Bürgermeisters der Stadt Graz Siegfried Nagl gehen wird.
Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit.
Lesen Sie den Appell: [LINK]
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