7. Juli 2005
Das hat Charme! Während die Gleisdorfer Innenstadt ganz
erheblich kracht und allerhand Geschäfte zugesperrt werden, blüht und gedeiht ein
Kitschtempel unter der Flagge der Lebensberatung. Falls man in seinen sozialen Qualitäten
eher so gestellt ist, daß die eigene Beziehung ebenso kracht wie das alte Gleisdorfer
Zentrum, statt zu blühen wie die Peripherie der Stadt, dann, ja dann kann man also eine
gestalterische Maßnahme setzen. Die einen zwar nicht sozial verträglicher macht, aber
... nun ja, ich bin ratlos, was geschieht, wenn man seine Partnerschaftsecke aktiviert.
Cut!
Was man hier sehen kann, ist ein Stück jener
Kommunikationsschnittstelle, welche die ortlos architects für ihr City Upgrade entwickelt
haben. "High Spirited Networked City" wird im heurigen "sterischen
herbst" steigen.
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Ich werde durch "Transit. Zone"
(Die Stadt als Lebensraum und als blank geputzte Projektionsfläche) mit von der Partie
sein. Waren meine Transit Zonen bisher visuell
gefaßte Stationen, geht es nun Richtung Erzählungen ... |
Cut!
Na, was hab ich denn da gestern
mit "Nazareth" und dem "Vigilante Man" angerissen? Es ging mir, wie
schon ein Weilchen, um das Thema UNSCHULDSVERMUTUNG. Man gilt als unschuldig, bis einem in
einem ordentlichen Verfahren das Gegenteil nachgewiesen wird. Dieser Modus wird in Europa
schon lange erprobt und diskutiert.
Im Werden dessen, was man heute als Römisches Recht
versteht, verfaßte zum Beispiel im 12. Jahrhundert nach Christus der Rechtsgelehrte
Bulgarus ein Werk mit dem Titel "Excerpta Legum", in dem die damaligen
Grundbegriffe eines Prozesses definiert sind: Parteien, Klageschrift und Klageerwiderung,
Beweis, Urteil und Berufung. So geht das. Damals war mindestens für Zivilprozesse klar,
daß die Beweislast beim Kläger liegt.
Bis dato hat sich als unser Standard durchgesetzt, daß
jemand, den wir für einen Täter halten, VOR der Urteilsverkündung vor allem einmal ein
MUTMASSLICHER Täter ist. Ich wüßte nicht, daß dieser Standard abgeschafft worden
wäre.
Cut!
Apropos mutmaßlich. Vorgestern
habe ich mich gewundert, daß ein bekanntermaßen unbescholtener Politiker der Steiermark
sich mit dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Slobodan Milosevic assoziieren lassen muß.
Ich habe gefragt, worauf man die Behauptung stützt.
Auf Seite 6 des aktuellen "impuls
grün" wird ja mächtig in die Prosa-Kiste gefaßt. Dieser Passage folgt ein
exponiertes Ceterum censeo: "Dann haben Sie sich wieder schön
getäuscht." Was ist Sache? |
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Steht am Anfang der Seite noch die völlig
unbelegte Behauptung, "Kaltenegger und die Kommunisten verteidigen Kriegsverbrecher
Milosevic", verfällt der nicht genannte Autor nach seinem Ceterum censeo in ein
schwächelndes "Die steirische KPÖ verurteilte die Verhaftung von Milosevic als
antidemokratisch."
Nun ist es ja bei uns erlaubt zu prüfen, ob der MODUS
einer Verhaftung demokratischen Prinzipien entspricht, ohne daß einen dies in den Geruch
brächte, man wolle den Verhafteten für unschuldig halten. Bernd Hadler, Pressesprecher
der Grünen, stimmt dem möglicherweise, besser: mutmaßlich, nicht zu und mailte mir:
"Die Zitate bezüglich Milosevic stammen aus diversen
Presseaussendungen der steirischen KPÖ, ich hab sie über Google gefunden." Okay,
okay. HIER sind die Quellen zur Einsicht. Jetzt
wäre noch einige Fragen zu stellen. Etwa:
+) Ist Milosevic nach seinem Sturz gegen geltendes
serbisches Recht nach Den Haag ausgeliefert worden: ja oder nein?
+) Ist es so, daß für den NATO-Einsatz gegen Serbien kein Beschluß der Vereinten
Nationen vorlag: ja oder nein?
+) Wurde der Chemiekomplex Pancevo nahe Belgrad bombardiert, ohne die verheerenden
Langzeitfolgen für die Zivilbevölkerung dabei zu berücksichtigen: ja oder nein?
+) Haben in Srebrenica niederländische Blauhelme tatenlos zugesehen, als die serbische
Soldateska unter Ratko Mladic die Massaker an den Moslems begann: ja oder nein?
Belassen wir die Liste der Fragen bei dieser bescheidenen
Länge, sonst wird einem ja fad. Jedenfalls ist es schon bemerkenswert, daß sich eine
kommunistische Partei in der Steiermark, die solche durchaus angemessenen Fragen
mutmaßlich gemeint hat, sich allein dafür unterstellen lassen muß, es mit
"Hinrichtungen, Folterungen und Vergewaltigungen" auf dem Balkan nicht gar so
genau zu nehmen.
Das sind mir ein wenig zu viel gut bediente Ressentiments
und Klischees aus der Kohlenkiste des Kalten Krieges. Oder, anders ausgedrückt, da
entfaltet sich ein kleines Schaustück in dem, was ich mit "Balkan-Reflex"
meine. Weshalb ich meine Notizen zu diesem Thema inzwischen auf einer kleinen Liste
zusammenfasse: [Balkan-Rflex]
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