Hartmut
Skerbisch: |
|||
[53/98]
|
|||
Kunst, Macht und Raum(Zur Übergabe der Skulptur am 10.9.98) |
|||
Von Martin Krusche Der Solarbaum |
Wir
wissen, wie man aus Steinen Funken schlägt. Aber es ist vermutlich kaum noch jemandem
vertraut, wie man daraus ein Feuer entfacht. Wieviel leichter ist es, mit einer Glaslinse
der Sonne eine Flamme zu entnehmen. Aber wer weiß, wie man Glaslinsen fertigt? Was läßt
den Stein Funken schlagen? Was passiert in einer Glaslinse? Was ist eine Flamme? Auch ohne
Kenntnis davon ist der Zauber erlebbar. Ebenso verhält es sich mit Kunstwerken und mit
Räumen wenn
sie gelungen sind.
Davon handelt Energie: Den Zauber erlebbar machen. Dem Wissen und den Möglichkeiten jenen Antrieb zu verleihen, damit Materie sich wandeln kann. Die Glaslinse entnimmt der Sonne eine Flamme. Das ist ein antiquiertes Bild. Heute greift eine Laseroptik auf ihre Quelle zu, macht das gebündelte Licht zur präzisen Flamme, die Werkzeug, Heilmittel, Informationsträger sein kann ... oder Waffe. (Wir nutzen Materie, Energie und Information. Ein tragischer Prometheus ringt darum, daß seine Kühnheit die Welt nicht in ein kaltes Licht taucht, damit hier für uns alle noch ein Leben ist ... mit der Magie der Dinge und dem Wissen um ihre Verwendung. Das ist die Sache der Kunstschaffenden: Sich dieser Magie und der Verstandesdinge zu bedienen ... im Kontrast zum kalten Licht der Macht und des Machbaren. Dieser Kontrast, der auch jederzeit umschlagen kann, wird erlebbar und begehbar, wenn die Politik entscheidet, öffentlichen Raum unter künstlerischen Aspekten zu gestalten. Betreten Sie eine namhafte Piazza in Verona oder in Venedig und sie werden sofort wissen, was damit gemeint ist. Architektur und Kunstschaffen als Quelle belebbarer Räume. Das Ringen um Proportionen, um das richtige Verhältnis der Dinge zueinander, findet Material, Form und Ausdruck, wird also ein gestalteter Platz, auf dem man sich sofort wohlfühlen kann. Diese Möglichkeiten ruhen im Idealfall auf angemessenen Mitteln und ästhetischen Erfahrungen, die über viele Generationen reichen. Einst die Sache des Fürsten, heute in anderen Händen. Nur der Parvenü meint, daß er alles schon kann aus einem Leben heraus. Der Mächtige tritt in den Dialog mit dem Künstler, um sich selbst geistig einen Ort zu geben. Politik befaßt sich ja nicht mit Orten des Geistes, sondern mit dem Machbaren. Wovon mag dieser Dialog also handeln? Von Mitteln und Möglichkeiten. Weil die Kunstwerke nach Mitteln verlangen und die Macht sich zeigen, präsentieren will ... mit einem versöhnlichen Gesicht. Aus dem Kunstschaffen bezieht die Macht ein versöhnliches Gesicht. Vor der Kunst muß die Macht ihre Arroganz ablegen. Und nur frei von dieser Arroganz kann der Mächtige sich selbst als Mitmensch erfahren. Das ist die heutige Anforderung, weil da kein Fürst mehr zu sein hat, der sich maßlose soziale Distanz zum Volk erlauben könnte. Geist, Ästhetik und Kunstschaffen treten in eine Wechselbeziehung mit der Macht, ohne daß sich daraus ein "Herren-Knecht-Verhältnis" konstituieren dürfte. Ein möglichst präzises Verhältnis zur Macht, zu den Habenden, in dem diese nicht einmal versuchen, ihre Macht auf Kunstschaffende anzuwenden. Wer glaubt, das ignorieren zu können, mag sich an den Bauten, Plätzen und Bedingungen, an den Werken der Stümper dieses Jahrtausends, der Nationalsozialisten, die nötige Nachhilfe in solchen Fragen holen. Die Macht hat Lebensräume zu ermöglichen, in denen wir Menschen Schutz vor dem kalten Licht des Machbaren erhalten können. Hier greift die Profession der Kunstschaffenden. Eine Profession, die nicht an Werbetexter und Produktmanager delegiert sein kann. Eine Profession, die nicht das Stammeln meint, sondern vollständige Sätze. Denn davon handelt unser aller Leben, das in keinen Schlagworten zu fassen ist. Und das sind die Zusammenhänge, in denen hier nicht Funken fliegen oder irgendetwas blitzen soll, sondern ein Licht aufgehen möge. |
||