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martin krusche: balkan buro

freitag, der 1. jänner 2010, part #4

Posted on Januar 6th, 2010 der krusche

pinki hat tito gesehen.” aber wer war pinki? und wie ist das mit tito gewesen? in den tagen danach haben ich viele leute gefragt: “was geschah denn eigentlich genau, als pinki tito gesehen hat?” niemand wußte darauf eine antwort.

ich hatte es für kurios gehalten, daß eine schule “pinki” heißt. das portal findet man sehr nahe des zentrums von novi sad, wo auch ein heizkraftwerk steht. es gibt ferner ein transportunternehmen, das nach dem kriegshelden benannt ist, allerhand hallen und andere einrichtungen, die mit ihm geschmückt sind.

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boško palkovljevic dürfte ein ziemlich wilder hund gewesen sein. selbst wenn man einiges an legenden-potenzial abzieht, bleibt genug übrig, was einen satz illustriert, mit dem lilja die geschichte serbiens zusammenfaßte: “wir sind wirklich sehr gut im sterben.” ich erwiderte: “für’s leben braucht man natürlich andere qualitäten.” sie nickte.

ab 1941 entkam palkovljevic einem “konz-logor”, ist den ustaschen genauso abgehauen wie den tschetniks, hat brücken gesprengt und gegnern die kehlen durchgeschnitten, war also nicht bloß gegen die faschisten aktiv, denn während die nazi den balkan aufrollten, tobte dort auch ein erbitterter bürgerkrieg unter den südslawischen nationen.

das ist einer der zusammenhänge meines drakulic-zitates im part #3 [link], dieses: wir haben den krieg unserer eltern und großeltern ausgetragen.

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ich hatte nahe der grotte und des tito-memorials noch einen anderen, zeitgemäßen hinweis auf diese themen gefunden. die sprayer-botschaft auf einer beton-stele besagt: “ihr könnt uns nie so viel schlagen wie wir aushalten.”

zur erinnerung, in der faschismus-theorie von klaus theweleit heiß es an einer stelle etwa: der leib schluckt schlag auf schlag, bis er danach süchtig ist. weiters zur erinnerung, diese mehrteilige schilderung eines einzigen tages soll illustrieren, wie ich selbst in die “vier genres” [link] von “kunst ost” verstrickt bin. nicht in einer hierarchischen weise, sondern in einem “horizontalen geflecht”. es ist von alltagskultur, voluntary arts, kunsthandwerk und gegenwartskunst die rede.

dieser erste jänner 2010 in serbien ist voll all dieser komponenten auf eine kohärente art, die von unseren querverbindungen zu verschiedenen kunst- und kulturschaffenden handelt, von banalen momenten, heftigen debatten und von den ansätzen zu weiterführenden projekten.

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wie schon erwähnt, die zeitgeschichtlichen längen- und breitengrade des koordinatensystems unseres tuns sind ein wichtiges faktum, nicht nur für die künstlerischen momente, auch für aspekte der anderen genres.

so hängt in dzafos küche etwa diese arbeit eines laien aus dem 19. jahrhundert, eine in rohem stil gemalte ikone (voluntary art). dzafo ist selbst ein versierter maler. was mag denn nun einen professional an solch schlichter machart fesseln?

malewitsch ließ sich von einfachen arbeiten der bauern inspirieren. die gesamte klassische moderne kennt viele beispiele, wo künstler von rang, teils von SPÄTEREM rang, die qualitäten der sogenannten “PRIMITIVEN” schätzten und bewunderten. wir sind uns einig, daß es auch diesseits der KUNST vieles an gestalterischem tun der menschen zu bewundern gibt.

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in der nämlichen küche befinden sich auch solche “kuvarice”, wie sie ebenso in österreich gtesammelt werden. dieses tuch besagt etwa: “ist die not am größten, ist gott am nächsten”. zwei beispiele aus dem bereich der volksfrömmigkeit. die sehr unbeholfene arbeit eines hobby-malers, dessen INTENTION dem bild jedoch glanz gibt. und das gestickte stück, das dem bereich kunsthandwerk zugerechnet werden kann.

warum ist das für uns anziehend? weil von großem interesse ist, wie menschen ihr leben bewältigen und welche ästhetischen ausdrucksformen dabei zum zug kommen. das zeigt sich einerseits in solchen ambitionierten werken, mit denen menschen ihrem eigenen leben glanzpunkte zu geben suchen, wobei völlig unerheblich bleibt, daß sie nicht als kunstwerke gelten.

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das ereignet sich auf irritierende art auch in andere richtungen. da zählt nicht das anfertigen, sondern die präsenz der bilder. so zeigt es sich etwa in diesen schlecht gestochenen arbeiten auf dem leib von rasa, der seine verehrung für einen mörder mit der rose auf seinem hals zur schau trägt. (siehe die notiz in part #1!)

da ist zum beispiel (links) der alttestamentarische gott aus dem bild leonardos, wie er adam gerade das leben schenkt. und vorne, auf rasas brust, findet man neben jesus auch vuk karadzic, den serbischen “sprachschöpfer”. auf dem rechten bizeps prangt nicht etwa ceca raznatovic, sondern mona lisa.

ich darf annehmen, die entscheidungen für diese tattoos fielen emotional, ohne kulturellen plan. aber die haut des burschen zeigt einen kulturellen code, der praktisch alle vier genres durchmißt: alltagskultur, voluntary arts, kunsthandwerk und gegenwartskunst.

[balkan buro]

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