freitag, der 1.
jänner 2010, part #3
Posted on Januar 5th, 2010
der krusche
nikolica, der superartist, achtete sehr darauf, scharfkantige löcher
im asphalt zu umrunden. mirjana und vesna steckten mit dzafo im fonds. sie würden am
kommenden abend noch tränen vergießen
im gelächter zwischen den liedern und
liedfragmenten, an denen sie sich abarbeiteten.
wir hatten beograd hinter uns gelassen, fuhren auf einer gewundenen straße in die
wälder der fruska gora. es ging dabei um ein mosaik von nikola dzafo, das ich sehen
wollte. er hatte schon kurz nach titos tod (1980) die einladung erhalten, eine arbeit
über den präsidenten zu machen. der standort: eine grotte, in der sich einst partisanen
versteckt gehalten hatten.
es ist eine region, in der es mehrere klöster gibt und einige dunkle orte. außerdem
das kriegsdenkmal iriski venac. (irig ist eine ortschaft, venac eine
kranzförmige geografische formation.) diese zusammenhänge. erörterungen. wir wälzten
den begtriff staatskunst ein wenig hin und her. kunst als
repräsentationsmittel. denkmäler. im serbokroatischen gibt es nur diesen begriff
(denkmal = spomenik), während man den des mahnmales nicht kennt. das berührt
übrigens unser gemeinsames projekt mit milica tomic: spomenik.
denkmal. memorial. (wer kontrolliert die erinnerungen der menschen?) das mahnmal hat
dagegen keine repräsentationsaufgabe. es ist ein statement GEGEN ein geschehen. ein
serbokroatisches wort müßte deafür erst formuliert werden.
der wirre baumbestand, äste auf der fahrbahn, links und rechts unüberschaubare pfade
nikola dzafo sagte mir, stambolic sei hierher verschleppt und umgebracht worden.
ein schicksal, das bei den folgenden säuberungen noch andere politiker
ereilte. (wie merkwürdig, daß dafür ein begriff üblich ist, der mit
sauberkeit im zusammenhang steht.)
als milosevic seinen politischen ziehvater ivan stambolic los werden wollte, haben die
crvene beretke (rote barette) das erledigt. in die damalige
beseitigung von stambolic war legija (milorad ulemek) übrigens ebenso
verwickelt gewesen, wie nach dem sezessionskrieg in die ermordung von präsident djindjic.
ich habe legija im ersten beitrag [link]
erwähnt, da rasa, der tätowierte kämpfer, welcher für mich mundharmonika spielte, die
gleiche rose auf den hals gestochen hatte wie er, was mehr als deutlich macht, daß er
ulemek verehrt.
oben, in den wäldern der fruska gora, hatte ich daran gedacht, wie sich jemand
gefühlt haben muß, der auf diesen schlechten straßen so weit aus beograd herausgebracht
worden war, um in diesen wäldern zu sterben. wie ist es, wenn man seine letzte stunde
kennt? und was mag den bewegt haben, der schließlich die waffe ansetzte? (an den kopf,
den nacken, die brust des gefangenen?)
beim durchlaufen dieses einen tages mit all seinen verzweigungen machten sich also auch
die verstrickungen in fragen der zeitgeschichte breit. das ist überhaupt ein tragendes
geflecht für leute wie dzafo und mich. es bedeutet, ein großteil unserer arbeiten, wenn
auch nicht alle, aber die meisten künstlerischen dinge, die wir tun, sind in einem
koordinatensystem angeordnet, das sehr markante zeitgeschichtliche längen- und
breitengrade hat.
wie hier momente des zweiten weltkrieges und des jugoslawischen sezessionskrieges
ineinander gingen, erinnerte mich an eine stelle in einem buch von slavenka drakulic, wo
sie über den sezessionskrieg sinngemäß schrieb: wir haben den krieg unserer eltern und
großeltern ausgetragen. wir? welches wir? cule hatte es kürzlich bei unserem ersten
drink in novi sad so ausgedrückt: wir sind die beste der verlorenen
generationen.
als wir bei der grotte ankamen, war ich erstaunt, wie sehr old school die
arbeit von dzafo ist. andrerseits sind ja rund 30 jahre für sich eine ganz erhebliche
zeitspanne. unter dem porträt von tito standen in cyrilica die worte: genosse tito,
wir schwören dir. wer in der ära tito aufgewachsen ist, weiß diesen halbsatz zu
vollenden: von deinem weg nicht abzuweichen.
das war dann auch der ort und der moment, wo mein schauen das gelächter zum satz
martin hat tito gesehen ausgelöst hat. und ich ahnte noch gar nicht, welche
verrückten legenden sich um pinki ranken: pinki hat tito gesehen.
triviale mythen, verwerfungen, tote und zukunftshoffnungen
[balkan
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