Docu #23: Elfriede Hammerl / profil

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Sind Kunstschaffende Milchkühe, die froh sein müssen, wenn sie gemolken werden?

EU-Plakate, die Zweite: Es sei, hieß es, skandalös, wie viel Geld – aus öffentlichen Mitteln – für die fragwürdigen Kunstwerke ausgegeben wurde. Hier gilt es zu korrigieren: Für die Kunstwerke selber ist gar nicht viel ausgegeben worden. Heiße tausend Euro haben den KünstlerInnen ihre jeweiligen Arbeiten eingebracht. Und das ist, egal, ob man die Plakate mag oder nicht, ein schlechter Witz, vor allem, wenn man in Betracht zieht, welche Summe zur Verfügung stand und dass die Kuratoren mit diesem Betrag ihre angebliche Wertschätzung ausdrücken wollten.

Eine Million Startsubvention, weitere 500.000 Euro nachträgliche Bundesförderung und kolportierte neun Millionen Euro von externen Sponsoren sollen in die so genannte Kunst-Aktion 25 Peaces geflossen sein, in deren Rahmen auch die umstrittenen Plakate zustande kamen. 146 Plakate (von 73 KünstlerInnen) wurden produziert, stellt man für jedes eintausend Euro Honorar in Rechnung, dann wurden für die Plakate 146.000 Euro ausgegeben. Kein großer Posten, gemessen am gesamten Budget. Man darf davon ausgehen, dass einige Leute an dem Projekt weit mehr verdient haben als die KünstlerInnen, die so gesehen mit einem wahren Hungerlohn abgespeist wurden.

Das alte Lied: Kreativität rechnet sich nicht. Während es Kunsthändler, Kunstverwalter und Kunstvermarkter zu respektablem Wohlstand bringen, müssen sich diejenigen, die Kunst schaffen, meistens mit Brosamen vom Tische der Reichen zufrieden geben. Sollen glücklich sein, dass sie sich selbst verwirklichen dürfen. Sind eh unbürgerliche Existenzen. Sollen ruhig darben – Leidensdruck beflügelt den künstlerischen Furor. Sogar in der Hierarchie der KünstlerInnen stehen die schöpferischen weit unter den interpretierenden, sowohl das Ansehen wie auch das Einkommen betreffend.

Kein Kunststaatssekretär würde sich je mit dem Geld bescheiden, das international renommierten SchriftstellerInnen für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung steht. An Theaterstücken verdienen Intendanten, RegisseurInnen und SchauspielerInnen weit besser als der Autor oder die Autorin. Verleger sind reicher als Romanciers. Dirigenten sind hoch bezahlte Stars, KomponistInnen müssen froh sein, wenn sie einen schlecht bezahlten Auftrag kriegen.

Der Kunstbetrieb imaginiert den Kreativen offenbar als eine Art Milchkuh, die Kunst absondern muss, um sich vom Euterdruck zu befreien, und demzufolge froh ist, wenn sie gemolken wird.

Für die Kunst sei kein Geld da, wird oft beklagt, aber das stimmt so gar nicht. Geld ist durchaus da, es bleibt bloß häufig an den falschen Leuten hängen. Wie es verteilt wird, ist fragwürdig. Wer sich welches Stück vom Kuchen abschneidet, ist gelinde gesagt befremdlich.

Nicht nur im Kunstbereich verdienen Händler häufig mehr als die Produzierenden, das stimmt, und es ist ärgerlich genug. Aber immerhin müssen Händler ein gewisses Maß kaufmännisches Talent an den Tag legen und sich den Risiken des Marktes aussetzen. Welches Risiko die Verbrater öffentlicher oder gespendeter Gelder eingehen, ist hingegen nicht ersichtlich. Sie kassieren erkleckliche Summen für Projekte und geben dann nach eigenem Gutdünken almosenhafte Beträge an KünstlerInnen weiter. Das ist der Skandal auch hinter dem jüngsten Skandal um die umstrittenen EU-Plakate.

Noch einmal: Ob man diese Plakate gut oder schlecht, künstlerisch wertvoll oder als Schmarrn empfindet, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil diejenigen, die sie in Auftrag gegeben und ausgewählt haben, von ihnen ernst genommenes künstlerisches Schaffen entlohnt haben wollen. Und dann rücken sie trotz voller Kasse nicht mehr als tausend Euro pro Kunstwerk heraus? Das ist arrogant, geringschätzig und überheblich.

Selbst wenn sie, nehmen wir mal an, die Qualität der von ihnen bestellten Kunstwerke als nicht ganz überzeugend eingestuft haben sollten: Was hätte sie berechtigt, Geld zurückzuhalten, das nicht ihr eigenes ist? Welche Leistung schreiben sie sich bei all dem zu, und wer bestimmt, wie viel vom vorhandenen Geld für sie abfallen soll? Sie selber? Warum? Sollen sich’s eben nicht gefallen lassen, die KünstlerInnen? Manche tun’s eh nicht und vermarkten sich erfolgreich. Aber grundsätzlich sind Kunstschaffende in der Regel halt mit dem Schaffen von Kunst beschäftigt; und ein Talent zur Selbstvermarktung verhält sich nicht unbedingt proportional zur künstlerischen Begabung.

Außerdem: Welche Sanktionen stehen jungen und wenig bekannten KünstlerInnen denn offen? Wenn sie einen Auftrag verweigern, kriegen ihn andere. Wenn sie sich nicht aufführen lassen, werden andere aufgeführt, vorzugsweise solche, die gar nichts mehr kosten.

Denn das ist auch so eine Eigenart des Systems: 70 Jahre nach dem Tod von AutorInnen und KomponistInnen geht die Nutzung ihrer Werke an die Allgemeinheit über. Das kann man in Ordnung und irgendwie im Interesse des Gemeinwohls finden. Genauso gut könnte man sich aber auch fragen, weshalb geistiges Eigentum so rasch verloren geht, während materielles über Generationen und Generationen im Familienbesitz bleiben darf?

Was wäre, wenn Häuser, Schlösser, Grundstücke und sonstige Vermögen 70 Jahre nach dem Tod des Ersteigentümers zur allgemeinen Disposition stünden?
Na eben.

[Quelle]
[Siehe Docu #15!]
[Siehe Docu #17!]


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