Blatt #103 | KW 32/2020

Jochen Rindt II

[Jochen Rindt I] „Auf einmal wird es rings um uns still. Rennwagen rollen lautlos mit abgestelltem Motor an die Box. Visiere werden hochgeklappt, Köpfe beugen sich an die Lippen der Fahrer. Das ferne Röhren der Wagen, wenn sie drüben in der Ascari-Kurve aus dem Wald kommen, ist verstummt. […] „Ich dränge mich zu Jackie Stewart: «Was ist denn los?» «Jochen hatte einen Unfall.» «Ja, und?» Jackie windet sich und sagt, was man üblicherweise in so einem Fall sagt: «Ich glaube, er ist okay.» Chapman schickt John Miles mit seinem Rennauto zur Unfallstelle, um Klarheit zu bekommen." (Helmut Zwickl 2019 in „Speedweek“)


Als Jochen Rindt am 5. September 1970 in Monza mit mehr als 200 km/h von der Strecke abkam und durch die Wucht des folgenden Aufpralls tödlich verletzt wurde, endete meine Kindheit. Das hat keinen kausalen, aber einen emotionalen Zusammenhang.

Am 14. September 1970 begann für mich die vierte Klasse in einem jener damals noch zwei Klassenzüge der Dr. Karl Renner-Hauptschule in Liebenau. Damit ging meine Schulpflicht langsam zur Neige. Bald darauf erhielt ich für mein erstes Schuljahr als Lehrbub (1972/73) in der Landesberufschule Hartberg II die Katalognummer 25 zugewiesen.


Wie geht Erwachsensein? Wie geht Mannsein? Dazu sind Rollenbilder nötig; am besten eine passable Auswahl. Mein Vater war ein harter Hund. Kriegskrüppel. Hoch dekoriert. Was noch? Naja, jetzt nicht gerade Gary Glitter oder Cat Stevens. David Bowie erst später. John Lennon? Damals kein Renommee bei Erwachsenen. Hier geht es freilich um Jochen Rindt, dessen Populaität quer durch mehrere Generationen reichte.

Von Milena Renate Findeis kam zu meinem vorigen Eintrag bezüglich dieses Themas berührende Post, die anschaulich macht, wer der Mann für uns Buben gewesen sein mag. Findeis: „Das Foto hat mein Bruder am Österreichring gemacht, dort habe ich damals gearbeitet...“ [Quelle: "Zeitzug"]

Dieser hemdsärmelige Typ mit den stets strubbeligen Haaren. Oft eine Zigarette im Mund. Nie anmaßend, nie herablassend. So ist mir der in Erinnerung.

Als Pilot äußerst belastbar, sehr präzise. Nach ihm fand ich kein Interesse mehr an Fahrern wie Niki „Ich hab nichts zu verschenken“ Lauda oder Gerhard Berger.

Zuschreibungen wie „exotischen Außenseiter“, „Popstar“ oder „Formel-1-Ikone“ hatten damals keinerlei Bedeutung für mich, kommen mir auch heute banal und hohl vor.

Ein Etikett wie „der James Dean der Formel 1“ finde ich unbeschreiblich deppert. Ebenso ist es Mumpitz, ihn als „Nationalheld“ hervorzuheben.



Jochen Rindt (l.) und Jackie Stewart (Foto: Tscho F. "Zeitzug") [Große Ansicht]

Erstens kenne ich keinen Hinweis, daß er sich solchen Flausen der Abteilung Nationalkitsch gewidmet hätte, zweitens war Rindt deutscher Staatsangehörigkeit mit österreichischer FIA-Lizenz. Er hat also keinerlei „Heldentum“ an unsere Nation adressiert.



„Helden der Formel 1: Triumphe, Titel und Tragödien (Technik)“

Die Post brachte übrigens 2009 ein schlankes Büchlein heraus, in dem Jochen Rindt vorkommt. „Helden der Formel 1: Triumphe, Titel und Tragödien (Technik)“ bietet kurze Features und eine Reihe von Briefmarken zum Thema.

Darunter sind je ein Sechser-Block aus dem Jahr 2006, einer aus dem Jahr 2007, zuzüglich einer 2009er Sondermarke mit Lewis Hamilton, der darauf komischerweise mit aufgesetztem Helm gezeigt wird. Aber die 2005er Sondermarke mit Jochen Rindt, die man oben auf der Karte sieht, ist nicht dabei. [Teil III]


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